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# taz.de -- Mögliches Tiktok-Verbot in den USA: Was passiert nun mit Tiktok?
> Die USA drohen mit einem Verbot, ein EU-Kommissar vergleicht die App mit
> dem Suchtpotenzial von Zigaretten. Wird es eng für die populäre
> Plattform?
Bild: US-Präsident Joe Biden posiert für ein Selfie mit der US-Abgeordneten T…
## Verschwindet die populäre Videoapp Tiktok aus den USA?
[1][In den USA ist ein Gesetz in Kraft getreten, das einen
Eigentümerwechsel bei der Kurzvideo-App Tiktok erzwingen soll.]
US-Präsident Joe Biden unterzeichnete es am Mittwoch. In den Tagen zuvor
hatten zunächst das Repräsentantenhaus und dann der Senat den Entwurf
gebilligt. Das Gesetz gibt dem aus China stammenden Konzern Bytedance,
Eigentümer der populären Kurzvideo-Plattform Tiktok, 9 Monate Zeit, das
US-Geschäft der App an einen Akteur in den USA zu verkaufen. Die Frist kann
um 3 Monate verlängert werden, wenn ein Verkaufsprozess bereits im Gange
ist. [2][Verstreicht diese Frist, soll Tiktok aus den US-App-Stores von
Google und Apple verbannt werden.]
Allerdings wird das Verbot selbst dann, wenn Bytedance nicht verkaufswillig
ist, nicht unmittelbar nach Ablauf der 9-Monats-Frist wirksam. Denn der
Fall wird absehbar vor Gericht landen – und ein Verfahren kann sich über
Jahre ziehen. Auch die 9-Monats-Frist scheint bereits so gewählt zu sein,
dass sich die Debatte um die Zukunft der Plattform nicht im aktuellen
US-Wahlkampf zuspitzt. Gewählt wird im November, die Frist läuft erst im
kommenden Jahr aus.
## Welche Ziele verfolgen die USA damit?
Tiktok hat in den USA rund 170 Millionen Nutzer:innen, weltweit sind es
mehr als eine Milliarde. Zwei Punkte stehen bei dem neuen Gesetz im Fokus:
Der erste ist der Schutz von Daten US-amerikanischer Nutzer:innen. Das hält
Matthias Kettemann, Forschungsgruppenleiter am Humboldt-Institut für
Internet und Gesellschaft und Professor für Innovationsrecht an der
Universität Innsbruck, im Gespräch mit der wochentaz für nicht stichhaltig
– schließlich hätten die USA nicht einmal ein eigenes Datenschutzgesetz.
Persönliche Daten von US-Bürger:innen könne China auch ganz legal bei
Datenhändlern erwerben. Denn auch Apps und Dienste aus den USA sammeln
umfangreich Nutzer:innendaten und erstellen zum Beispiel
Bewegungsprofile.
Das zweite Argument: Tiktok sei eine Gefahr für die nationale Sicherheit.
„Jahrelang haben wir der Kommunistischen Partei Chinas erlaubt, eine der
beliebtesten Apps Amerikas zu kontrollieren, das war gefährlich
kurzsichtig“, sagte der Senator Marco Rubio, der führende Republikaner im
Geheimdienstausschuss. Experte Kettemann ist jedoch skeptisch, ob das
Argument der Gefahr für die nationale Sicherheit vor Gericht standhält. Der
US-Kongress habe im Gesetzgebungsverfahren keine entsprechenden Nachweise
erbracht. Kettemanns Einschätzung: „Der Supreme Court wird das Gesetz
wahrscheinlich für verfassungswidrig erklären, wenn Tiktok sich, wie zu
erwarten, dagegen wehren wird.“
Bürgerrechtler:innen vermuten als wahren Grund für das neue Gesetz
Geopolitik und Stimmungsmache im Wahlkampf. „Wir sind zutiefst enttäuscht,
dass unsere Politiker wieder einmal versuchen, unsere Rechte aus dem Ersten
Verfassungszusatz gegen billige politische Punkte in einem Wahljahr
einzutauschen“, sagte Jenna Leventoff von der Bürgerrechtsorganisation ACLU
gegenüber Reuters.
## Was sagt Tiktok?
Tiktok widerspricht immer wieder den Vorwürfen. Firmenchef Shou Zi Chew
bezeichnete das Gesetz als verfassungswidrig und kündigte an, Tiktok werde
vor Gericht ziehen. Dass rechtliche Schritte wohl mindestens eine
aufschiebende Wirkung haben werden, zeigt ein Blick in den
[3][US-Bundesstaat Montana: Dort hat das zuständige Gericht eine
einstweilige Verfügung gegen das beschlossene Verbot gewährt.]
## Was würde passieren, falls es doch zu einem Verbot kommt?
Die App würde nur aus den US-App-Stores verschwinden, nicht von den
Telefonen der Nutzer:innen. Da die App-Stores aber keine Updates mehr
ausliefern dürften, würde die App nach und nach immer unsicherer und
unbrauchbarer werden. Theoretisch gibt es andere Möglichkeiten, an Software
heranzukommen, die im eigenen Land nicht vertrieben werden darf: Der eigene
Standort lässt sich durch eine VPN-Verbindung verschleiern oder eine
ausländische SIM-Karte nutzen.
Doch alle diese Wege erfordern einen Mehraufwand, den sicher nicht alle
Nutzer:innen betreiben wollten und könnten. Und ob sie funktionieren,
müsste sich ohnehin erst zeigen. Wahrscheinlicher wäre daher, dass
Nutzer:innen auf andere Plattformen ausweichen. Das könnten zum Beispiel
Instagram oder Youtube sein, die schon Kurzvideo-Formate anbieten – oder es
entsteht eine neue Plattform.
## Falls es zu einem Zwangsverkauf oder Verbot kommt – was hieße das für
Nutzer:innen in Europa?
Vertragspartner und Anbieter für Nutzer:innen in Europa ist schon jetzt
nicht Tiktok USA, sondern Tiktok Irland. Experte Kettemann geht davon aus,
dass sich, was die Nutzung angeht, hierzulande nichts ändern würde. In den
USA würde die Plattform jedoch durch einen Verkauf mutmaßlich deutlich
unattraktiver, da die Algorithmen, die Nutzenden Videos vorschlagen, wohl
kaum im Verkaufspaket enthalten wären.
## Wäre ein Zwangsverkauf auch in der EU denkbar?
Das einem Zwangsverkauf ähnlichste Instrument sieht in der EU der Digital
Markets Act (DMA) vor, das Gesetz über digitale Märkte. Das erlaubt als
allerletzte Maßnahme eine Zerschlagung. Allerdings muss das beanstandete
Unternehmen dafür erst einmal eine marktbeherrschende Stellung innehaben,
und mildere Mittel dürften nicht zum Ziel führen, diese aufzulösen.
Experte Kettemann hält für Tiktok ohnehin den Digital Services Act (DSA)
für entscheidender, das EU-Gesetz über digitale Dienste. Eine Zerschlagung
sieht das nicht vor, sondern Geldstrafen, wenn Unternehmen ihre
gesetzlichen Pflichten nicht erfüllen. Im Gegensatz zu Diensten wie
Telegram oder X gilt Tiktok laut Kettemann aber als vergleichsweise
kooperativer Anbieter, der auch mal etwas am eigenen System ändert, um den
gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.
## Gilt Tiktok auch in der EU als Problem?
Die Sorge vor möglicher Spionage ist auch in Europa verbreitet. [4][So darf
auf den Diensthandys der EU-Kommission Tiktok nicht mehr installiert oder
verwendet] werden. [5][Und auch für Bundeskanzler Olaf Scholz, der seit
Kurzem einen Tiktok-Kanal bespielt, gilt: Bitte von einem separaten
Telefon]!
In der EU laufen derzeit auf Basis des DSA zwei Verfahren gegen Tiktok.
[6][Im ersten] geht es um [7][mögliche Verstöße beim Schutz von
Minderjährigen], bei der Transparenz beim Umgang mit Werbung und beim
Datenzugang für die Wissenschaft. [8][Im zweiten Verfahren], das erst seit
einigen Tagen läuft, hat die EU-Kommission eine Funktion der App Tiktok
Lite im Visier. Diese bietet eine Art Bonusprogramm, in dem die
Nutzer:innen mit digitalen Münzen belohnt werden, wenn sie
beispielsweise Videos schauen oder andere Nutzer:innen auf die Plattform
einladen.
[9][Laut der Zeitung Le Monde] ergibt der Konsum von einer Stunde Videos
digitale Münzen im Wert von umgerechnet 36 Cent. In einem [10][FAQ zu dem
Thema] erläutert Tiktok, dass Nutzer:innen mindestens 18 Jahre alt sein
müssen, um an dem Programm teilzunehmen. Die digitalen Münzen lassen sich
etwa in Gutscheine für Online-Händler eintauschen. „Wir vermuten, dass
Tiktok ‚Lite‘ so giftig und abhängigmachend sein könnte wie Zigaretten
‚leicht‘ “, sagte Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton. Nachdem die
EU-Kommission das Verfahren eingeleitet und eine Frist gesetzt hatte,
reagierte Tiktok – und setzte eigenen Angaben zufolge die umstrittene
Funktion vorerst aus.
26 Apr 2024
## LINKS
[1] /US-Plaene-fuer-Tiktok/!6003180
[2] /US-Repraesentantenhaus-hat-entschieden/!6003172
[3] /US-Bundesrichter-urteilt-in-Montana/!5977377
[4] /Tiktok-Verbot-im-EU-Parlament/!5920288
[5] /Kanzleramt-startet-Account/!6002894
[6] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/IP_24_926
[7] /Jugendschutz-bei-Social-Media/!5992943
[8] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_24_2227
[9] https://www.lemonde.fr/en/pixels/article/2024/04/13/tiktok-lite-a-new-app-q…
[10] https://www.tiktok.com/discover/task-and-reward-tiktok
## AUTOREN
Svenja Bergt
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