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# taz.de -- Vogelbeobachter über Beziehungsmodelle: „Viele Vögel lieben die…
> In der Regel entscheidet bei den Vögeln das Weibchen, ob es zum Sex kommt
> oder nicht, sagt Ernst Paul Dörfler. Nur Enten sind die krasse Ausnahme.
Bild: Einvernehmlicher Sex: zwei Haussperlinge, auch Spatzen genannt, paaren si…
taz: Herr Dörfler, woher wissen Sie so viel über das Liebesleben der Vögel?
Ernst Paul Dörfler: Das ist lebenslang gesammeltes Wissen. Ich bin in der
Natur aufgewachsen und nach einem Ausflug über eineinhalb Jahrzehnte in die
Hauptstadt wieder aufs Land zurückgekehrt. Ich lebe im ältesten
Biosphärenreservat Deutschlands, der [1][Mittelelbe]. Insgesamt 310
Vogelarten wurden hier registriert.
Welche Beziehungsmodelle leben Vögel?
Fast unendlich viele Varianten. Sie unterscheiden sich in Dauer der
Beziehung und in der Anzahl der Partner. Die meisten Vögel lieben die
Monogamie. Aber einige leben auch die [2][Polygamie], also eine Beziehung
mit zwei oder noch mehr Partnern, entweder gleichzeitig oder kurz
hintereinander. Viele stellen sich vielleicht ein Männchen mit vielen
Weibchen vor. Das gibt es zwar, nennt sich Vielweiberei – tut mir leid, das
heißt wirklich so. Das gibt es aber auch andersherum: die Vielmännerei.
Sind die monogamen [3][Vögel] wirklich treu?
Lange Zeit glaube man fest daran. Nach Vaterschaftsanalysen von Nestern von
über 100 Singvögeln musste man aber feststellen: Nur selten sind darin Eier
von nur einem Männchen. Das erforderte eine neue Definition von
[4][Monogamie] hin zu einer sozialen Monogamie.
Warum?
Weil die Weibchen das so wollen. Sie allein haben das Wahlrecht. Sie müssen
auch Ja sagen, es ist immer einvernehmlicher Sex. Das Männchen ist völlig
machtlos. So friedlich ist das bei Enten aber nicht, hier kommt es zu
Vergewaltigungen durch Erpel. Immer wird über die Enten berichtet, das
nervt mich. Denn die Menschen merken sich das. Enten sind die krasse
Ausnahme. Die Regel ist eine andere. Vögel leben familiäre Partnerschaften
viel mehr als die meisten Säugetiere.
Welche Varianten gibt es bei der Dauer von Beziehungen?
Wir unterscheiden Saison- und Dauerehen. Die meisten lieben die Saisonehe:
Nach der Saison erfolgt die Trennung, im nächsten Jahr wird neu gewählt.
Bei Dauerehen braucht die Entscheidung für einen Partner auch etwas länger.
Wie bei Pinguinen!
Ja, aber bleiben wir mal in der Nähe: Auch Schwäne, Gänse und Kraniche
halten am Partner fest, wenn die Beziehung von Erfolg gekrönt ist. Erfolg
heißt hier, wenn Nachwuchs rauskommt, der fit ist.
Wenn Sie ein paar Eigenschaften von Vögeln an uns Menschen weitergeben
könnten, welche wären das?
Friedfertigkeit, aber auch das Prinzip der Gleichberechtigung der
Geschlechter, das sogar Mindeststandard ist. Singvögel-Weibchen wählen
nicht nur den Partner, sondern auch den Nistplatz. Und sie legen den
musikalischen und modischen Trend fest: Dass wir so viele bunte Vögel
haben, die so schön singen, verdanken wir nur ihrer kritischen Auswahl. Das
alles ist fair, wenn man bedenkt, dass sie viel mehr Arbeit leisten und das
höhere Risiko haben, im Nest gefressen zu werden.
Sie schreiben, der [5][Klimawandel] verstärke Polygamie unter Vögeln. Warum
ist das so?
Bei Experimenten wurden Meisen durch starke Temperaturschwankungen
Wetterextreme vorgetäuscht. Wieder in die Freiheit entlassen, hat man bei
ihnen mehr Eier von fremden Vätern im Nest gefunden als bei anderen Meisen.
Die Hypothese ist, dass die Weibchen durch den vermehrten Partnerwechsel
Nachwuchs mit mehr genetischer Vielfalt hervorbringen, denn Vielfalt ist
immer gut zum Überleben.
19 Apr 2024
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## AUTOREN
Alina Götz
## TAGS
Vogel
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Fortpflanzung
Tierforschung
Monogamie
Aufklärung
Galapagos
Ornithologie
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