# taz.de -- Methanhydrat am Meeresboden: Ein zweifelhafter Schatz | |
> In der Tiefsee lagern riesige Gasmengen in Form von Methanhydraten. | |
> Könnte das Gas durch Abbau und Erderhitzung zum Klimakiller werden? | |
Bild: Methanhydrat wird auch brennbares Eis genannt | |
Es sieht aus wie Eis, was da milchig-weiß in der Tiefsee schlummert. | |
Methanhydrat – eine feste Verbindung aus Methan und Wasser, die bei | |
Temperaturen zwischen zwei und vier Grad Celsius und hohem Druck entsteht, | |
wie er in einer Wassertiefe unter 300 Metern herrscht. An der Oberfläche | |
zerfällt das Hydrat und setzt das eingeschlossene Methan frei. Das | |
entweichende Methan ist leicht brennbar und wird daher auch als „brennendes | |
Eis“ bezeichnet. Lösen sich diese Hydrate am Meeresboden auf, gelangt das | |
Methan über das Wasser in die Atmosphäre und könnte zur globalen Erwärmung | |
beitragen. | |
Offenbar wird mehr Methan am Meeresboden freigesetzt als bisher angenommen, | |
wie ein internationales Team von Forschenden unter Beteiligung des Geomar | |
Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel 2023 herausgefunden hat. Ideale | |
Bedingungen finden Methanhydrate an den Kontinentalhängen in Wassertiefen | |
zwischen 500 und 2.000 Metern, wo flache Schelfmeere steil zu Tiefseeebenen | |
abfallen. Von dort aus kann das Methan bis an den Rand des Schelfs und noch | |
weiter in Richtung Land vordringen. | |
„Wir können sehen, dass das Gas an der Unterkante der Gashydrate | |
entlangwandern kann, wenn sich Hydrate auflösen und wieder neu bilden“, | |
erklärt Christian Berndt, Leiter der Forschungseinheit Marine Geodynamik am | |
Geomar Kiel. Allerdings habe diese Gasbewegung auch schon vor der von | |
Menschen verursachten Temperaturerwärmung stattgefunden, so Berndt weiter. | |
„Wir haben also keine Hinweise, dass die anthropogene Erwärmung zur | |
Gashydratauflösung führt.“ | |
Methan entsteht vor allem beim Abbau organischen Materials, wenn Tier- und | |
Pflanzenreste verwesen und auf den Meeresboden sinken. Dabei wird jede | |
Menge Kohlenstoff freigesetzt, der von Mikroorganismen in Methangas | |
umgewandelt wird. Käfigartige Strukturen aus Wassermolekülen komprimieren | |
das Methan auf kleinstem Raum. In einem Kubikmeter Hydrat sind rund 160 | |
Kubikmeter Methangas eingeschlossen. Das macht Methanhydrat zu einem | |
begehrten Energieträger und weckt [1][Begehrlichkeiten von Regierungen und | |
Industrie]. | |
## Japan und China suchen nach Abbaumöglichkeiten | |
Japanischen Forscher:innen ist es 2013 erstmals gelungen, Methan aus | |
einer Tiefe von 1.000 Metern an die Oberfläche zu fördern. Im Jahr 2017 zog | |
China nach und baute Methanhydrat in 1.266 Metern Meerestiefe ab. Im | |
vergangenen Jahr lief das Tiefseebohrschiff „Mengxiang“ vom Stapel, ein | |
Forschungsschiff, das bis zu 11.000 Meter unter dem Meeresspiegel bohren | |
kann, wie die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. | |
Von einer kommerziellen Förderung sind beide Länder aber noch weit | |
entfernt. | |
Aktuellen Schätzungen zufolge lagern etwa 10.000 Gigatonnen Methanhydrat in | |
den Weltmeeren. Das ist etwa die doppelte Menge sämtlicher Reserven an | |
Kohle, Erdöl und Erdgas. Allerdings wäre nur ein Bruchteil dieser | |
gigantischen Vorkommen überhaupt förderbar, da viele Lagerstätten für den | |
Abbau zu kostspielig wären. Je tiefer, desto größer der technische Aufwand. | |
Auch birgt der Abbau Gefahren. Denn die Hydrate stabilisieren die | |
Kontinentalhänge wie eine Art Zement. Der Abbau könnte die Kontinentalhänge | |
destabilisieren und Rutschungen verursachen, die Tsunamis auslösen oder | |
eine massenhafte Freisetzung von Methan in die Atmosphäre verursachen | |
könnten. | |
Derzeit wird die Idee diskutiert, die Hohlräume, die beim Abbau der | |
Methanhydrate entstehen würden, mit Kohlendioxid aufzufüllen. Berndt hält | |
davon wenig: „Prinzipiell wäre das möglich, aber ich glaube, das Letzte, | |
was wir brauchen, ist die Nutzung einer weiteren fossilen Energiequelle. Im | |
Moment ist das auch viel zu teuer.“ | |
Noch drängender aber ist die Frage, was mit dem eingeschlossenen Methan | |
passiert, wenn sich die Tiefsee erwärmt. Da die Stabilität der Hydrate von | |
Druck und Temperatur abhängt, könnten sie sich bei steigenden Temperaturen | |
auflösen, was ebenfalls zu Hangrutschungen führen könnte. Untersuchungen | |
lassen vermuten, dass sich eine solche Katastrophe vor [2][8.000 Jahren vor | |
der norwegischen Küste abgespielt hat]. | |
## Methan ist ein starkes Treibhausgas | |
Doch Tsunamis sind nicht die einzige Sorge. Methan ist ein starkes | |
Treibhausgas. In der Atmosphäre wirkt es über einen Zeitraum von 100 Jahren | |
25-mal stärker als Kohlendioxid. Würden sich große Mengen Gashydrate | |
auflösen und an die Oberfläche gelangen, könnte das den Treibhauseffekt | |
deutlich verstärken. Aber Berndt gibt Entwarnung: „Unsere neuesten | |
Erkenntnisse sprechen eher gegen eine Rolle von Gashydraten im Klimawandel, | |
weil sich weniger Gashydrat in der klimatisch empfindlichen Zone befindet | |
als vermutet.“ | |
Oft sind geodynamische Prozesse, auf die der Mensch keinen Einfluss hat, | |
ursächlich für die Hydratauflösung. Wie im Polarmeer vor Spitzbergen, wo | |
nacheiszeitliche Landhebungen die wahrscheinlichste Ursache für die | |
Auflösung von Methanhydraten sind. Oder im östlichen Schwarzen Meer. Dort | |
transportieren Schlammvulkane Gas, Wasser und Schlamm zum Meeresboden und | |
sorgen für eine bis zu 1.000-mal höhere Methankonzentration als in anderen | |
Meeren. Am georgischen Kontinentalrand steigt so viel Methan auf, dass die | |
Luft über dem Wasser zeitweise sogar brennt. | |
Allerdings gelangt nicht das gesamte Methan ins Wasser und von dort in die | |
Atmosphäre. Mikroorganismen im Meeresboden und im Wasser verarbeiten einen | |
Großteil des gelösten Methans zu unschädlichem Bikarbonat, also dem Salz | |
der Kohlensäure. Ob diese Mikroorganismen auch mit einer massenhaften | |
Auflösung des Hydrats aufgrund der Erwärmung der Meere fertig werden | |
würden, ist aber fraglich. Zumal diese mikrobielle Zersetzung viel | |
Sauerstoff verbraucht und zu einer Absenkung des pH-Wertes im Wasser führen | |
kann, was für viele Meeresbewohner nur schwer zu verkraften wäre. | |
Die Ozeane sind wie eine gigantische Klimaanlage. Sie nehmen die Wärme an | |
ihrer Oberfläche auf, Strömungen transportieren sie dann in immer größere | |
Tiefen. Der Weltklimarat IPCC geht davon aus, dass etwa 80 Prozent der | |
Wärme, die die Atmosphäre bisher durch den Treibhauseffekt zusätzlich | |
aufgenommen hat, bis in Wassertiefen von 1.500 Metern vordringt. Der | |
chinesische [3][Atmosphärenphysiker Lijing Cheng veröffentlichte 2020 eine | |
Studie], wonach 8,9 Prozent der vom Meer aufgenommenen Wärme bis in Tiefen | |
von mehr als 2.000 Metern gelangt. Laut Greenpeace reicht die Erwärmung | |
sogar bis in Tiefen von 3.000 Meter. | |
Ähnlich wie heute schon die [4][Permafrostböden in den Polarregionen | |
auftauen] und dabei erhebliche Mengen an Kohlendioxid und Methan | |
freisetzen, könnten sich auch die Methanvorkommen in den Weltmeeren | |
auflösen und so den Treibhauseffekt beschleunigen. Der Geophysiker | |
Christian Berndt bleibt jedoch gelassen: „Solange sich das Gas noch am | |
Meeresboden befindet, kann es wieder Gashydrate bilden, wenn es wieder | |
kälter wird – und das tut es auch.“ | |
21 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /China-will-Methanhydrat-abbauen/!5409600 | |
[2] https://www.geomar.de/news/article/submarine-hangrutschungen-eine-unterscha… | |
[3] https://english.cas.cn/head/202001/t20200114_229374.shtml | |
[4] /Auftauende-Permafrostboeden/!5904471 | |
## AUTOREN | |
Thomas Nitz | |
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