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# taz.de -- Ägyptischer Comedian Bassem Youssef: Sarkasmus, Kritik und ein Her…
> Bassem Youssef war ein Star des Arabischen Frühlings und machte in den
> USA Karriere. Er kritisiert Israels Vorgehen in Gaza scharf. Jetzt kommt
> er nach Deutschland.
Bild: Bassem Youssef in London am 4. April 24
Kürzlich war [1][Bassem Youssef bei der Starreporterin Christiane Amanpour
auf CNN] zu Gast. Er trug in der Sendung eine schwarze Jacke, deren
Innenfutter das Muster eines Palästinensertuchs aufwies – ein plakativer
Protest dagegen, dass alles Palästinensische im Westen derzeit schnell
unter Terrorismusverdacht gestellt wird. Ob er damit auf der Straße schon
angehalten worden sei, fragte ihn die TV-Moderatorin. „Noch nicht“,
antwortete der Comedian mit breitem, strahlendem Lächeln. Aber nur, weil er
es dort noch nicht getragen habe – und brach in schallendes Gelächter aus.
„Ich teste es hier aus.“
Heikle und schmerzhafte Themen wegzulachen – das ist das Erfolgsrezept von
[2][Bassem Youssef. Der ägyptische Satiriker] war mit seiner TV-Show ein
Star des Arabischen Frühlings. Bekannt wurde der gelernte Herzchirurg durch
satirische Kurzfilme, die er zu Hause produzierte und auf YouTube hochlud,
in denen er sich über die staatliche Propaganda lustig machte. Diese
stellte die Demonstranten allesamt als Drogensüchtige, Perverse und
Islamisten dar.
Nach dem Sturz Husni Mubaraks im Januar 2011 nahm ihn ein Privatsender
unter Vertrag, bei dem er eine eigene Sendung erhielt, die sich
„[3][Al-Bernameg]“ („das Programm“) nannte und an die TV-Shows von Steve
Colbert und [4][The Daily Show] in den USA erinnerte. Mit dem Auftreten
eines seriösen Nachrichtensprechers machte er sich über alles und jeden
lustig: den ehemaligen Präsidenten, das Militär, das staatliche Fernsehen,
die islamistische Opposition und deren Fernsehprediger. Damit erreichte
Youssef im Schnitt über 40 Millionen Zuschauer und stieg zum größten Star
des ägyptischen Fernsehens auf.
In der kurzen Regierungszeit der Muslimbrüder kam er mit seinem Humor noch
einigermaßen durch. Diese versuchte ihn zwar wegen angeblicher Beleidigung
des Islams und des Präsidenten Mohammed Mursi anzuklagen, doch davon ließ
er sich nicht einschüchtern. Zu einem Termin bei der Staatsanwaltschaft
erschien er mit einem albernen, überdimensionierten Hut, wie ihn Mursi auf
einer Auslandsreise getragen hatte, und gab die Verfahren gegen ihn dem
Spott preis.
## Riskanter Humor
Doch nachdem das Militär in Kairo wieder die Macht ergriff, war Schluss mit
lustig. Nach deren Quasicoup musste Youssef seine Heimat verlassen, denn
der neue Präsident und Ex-General Abd al-Fattah as-Sisi verstand gar keinen
Spaß mehr. In dem Dokumentarfilm „[5][Tickling Giants]“, der 2017 erschien,
verarbeitete Youssef seine Erfahrungen in Ägypten im Kampf für die
Meinungsfreiheit.
Seit 2014 lebt er in den USA, wo er als „ägyptischer Jon Stewart“
vorgestellt wurde. Wie andere Comedians geht er mit seinen Stand-up-Shows
weltweit auf Tournee. [6][Dieses Jahr wird er nach Deutschland kommen, nach
Berlin, Hamburg und München.] Über den Krieg in Gaza werde er dort aber
nicht sprechen, verriet er Christiane Amanpour. „Ich kann nicht jeden Tag
damit umgehen“, gab er zu.
Dabei hat er sich seit dem 7. Oktober 2023 als scharfer Kritiker der
israelischen Kriegsführung in Gaza hervorgetan. Sein Schlagabtausch mit dem
konservativen britischen Moderator [7][Piers Morgan] im vergangenen Jahr
wurde weltweit über 22 Millionen Male angeklickt. Youssef verurteilte den
Terror der Hamas dort mehrmals. „Ich kann hier auch einfach nur die Hamas
verurteilen und nach Hause gehen“, sagte er dem Moderator, als der ihn
immer wieder darauf ansprach, und sagte „Fuck Hamas“.
## Leere Entschuldigungen
Er lobte die israelische Armee dafür, dass sie die Menschen warnt, bevor
sie bombardiert, als „so süß“ und akzeptierte, dass eine unverhältnismä…
Reaktion Israels angemessen wäre. Die sei schon immer so gewesen – nur die
Rate der getöteten Palästinenser im Vergleich zu getöteten Israelis habe
sich geändert, stellte Youssef fest, und holte dazu ein Balkendiagramm mit
den Opferzahlen hervor. 2014 habe die Rate von getöteten Israelis gegenüber
getöteten Palästinensern noch bei 1 zu 27 gelegen. „Meine Frage ist nur:
Was ist der aktuelle Kurs?“
Und er machte sich über die israelische Propaganda lustig, die alles auf
menschliche Schutzschilde schiebe. Er könne das verstehen, sagte Youssef.
Schließlich sei er selbst mit einer Palästinenserin verheiratet und habe
viele Male versucht, sie umzubringen, aber ohne Erfolg, denn sie benütze
die Kinder als menschliche Schutzschilde. „Ich kann sie nie ausschalten.“
Zugleich stellte er fest, dass die bisherigen Reaktionen das Problem nicht
gelöst hätten. „Was wird die überraschende Wendung sein?“, fragte er den
verdutzten Moderator. Seine Waffen sind Affirmation und Überspitzung. Doch
sein Humor hat einen ernsten Kern.
Den westlichen Medien wirft er Einseitigkeit vor, Palästinenser würden
dämonisiert als „menschliche Bestien, die in der Kanalisation leben und
Babys köpfen“. Um einem Frieden näher zu kommen, müsse man zuerst die
Wahrnehmung ändern. Wer den Konflikt auf einen Kampf von Gut gegen Böse
reduziere, wie es die US-Konservative Nikki Haley tat, habe schon die
Lösung parat: Das Böse könne man nur ausrotten.
## Sarkasmus als Ausweg
Auch bei Amanpour sprach Youssef über den Krieg in Gaza und die Angehörigen
seiner Frau, die nach Rafah geflohen sind und fürchten, jederzeit von einer
israelischen Bombe getötet zu werden. „Aber es ist okay, denn Israel wird
sich dafür entschuldigen“, sagt Youssef – so, wie es das im Fall der
getöteten Mitarbeiter von [8][World Central Kitchen] getan habe. „So
aufrichtig! Der Schmerz, den sie ertragen müssten.“ Ein Pressesprecher habe
gar getwittert: „Schaut, zu was mich die Hamas gezwungen hat.“
Auch die weltweite Empörung, die der Fall hervorrief, sei „interessant“
angesichts vergleichbarer Fälle, von denen er einige aufzählte. Wenn Israel
sich entscheide, den Feldzug zu beenden, werde es den Friedensnobelpreis
erhalten, vermutete er – dafür, nicht noch mehr Palästinenser getötet zu
haben.
Sarkasmus als einzige Möglichkeit, die aktuelle Situation mit halbwegs
gesundem Verstand zu ertragen: Seine westlichen Gegenüber verwirrt Youssef
damit oft. „Wie soll ich auf Sie reagieren“, fragte dann auch Christine
Amanpour. „Ich möchte, dass Sie auf mich reagieren, als wären wir beide
Bürger derselben Welt“, antwortete Youssef ernst. Youssef ist ein
Versöhner.
Gerade erst hat er die Rechte an einem Buch über [9][Mohammed Helmy]
gekauft, einen ägyptischen Arzt, der in der Nazizeit in Berlin lebte und
dort rund 300 Juden vor dem Holocaust rettete. Das Buch stammt von dem
deutschen Journalisten Ronen Steinke, Youssef will es verfilmen. Es spielt
in Berlin. Am Donnerstag wird er dort auftreten.
17 Apr 2024
## LINKS
[1] https://edition.cnn.com/videos/tv/2024/04/03/amanpour-bassem-youssef.cnn
[2] /Aegyptischer-Satiriker-hoert-auf/!5038292
[3] /Aegyptische-Satire-Sendung-abgesetzt/!5055801
[4] /Jon-Stewart-zurueck-mit-Daily-Show/!5997356
[5] https://www.youtube.com/watch?v=nVwUrbGcxZ4
[6] https://www.eventim.de/artist/bassem-youssef/
[7] /Douglas-Murray-und-Nahostkonflikt/!5969863
[8] /Situation-in-Gaza-im-Nahostkrieg/!6001319
[9] /Buch-ueber-juedisch-arabische-Geschichte/!5437065
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Gaza
Gaza-Krieg
Humor
Comedy
Zehn Jahre Arabischer Frühling
Ägypten
Kolumne Subtext
US-Wahl 2024
Jan Böhmermann
Ägypten
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