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# taz.de -- Frühlingsidylle im Alten Land: Die Nerven liegen blank
> Führt Global Warming zu einer erhöheten Aggression? Beobachtungen vom
> Ufer der Lühe an einem herrlichen Sonntagnachmittag.
Bild: Schön hier: die Lühe bei Steinkirchen
Was für eine Idylle! Die Sonne scheint, [1][im Alten Land blühen die
Obstbäume], Motorräder knattern die Straße entlang, die sich zwischen
Mittelnkirchen und Steinkirchen windet, neben einem Flüsschen namens Lühe.
Dessen Wasser strudelt leise und steht recht hoch, sodass es schon fast die
Bootsstege erreicht und auf die Wiesen schwappt, die von den hübschen
kleinen Häusern hinunter zum Fluss reichen, Wiesen mit Schaukeln, auf denen
Kinder spielen. Es sieht so unwirklich aus wie in einer
[2][Astrid-Lindgren-Verfilmung].
Doch wo Idylle ist, ist der Schrecken nicht weit. Der Fußweg führt über den
Deich, vorbei an einer penibel restaurierten Sparkasse von 1937, die für
den „Reichspfennig“ wirbt, und es ist warm, sehr warm, vielleicht zu warm
für die Jahreszeit. Die Luft fühlt sich an wie ein Kissen und wird jetzt
von einem wütenden Hupen durchschnitten, das zu einem Hupkonzert
anschwillt. Es kommt von mehreren Autos, die vor einer Brücke stehen, die
bei Steinkirchen über den Fluss führt.
In der einen Fahrtrichtung hat sich ein Stau gebildet. Ausflügler, Autos
mit Bootsanhängern, Einheimische kommen nicht mehr weiter, denn vorne, auf
der Brücke, steht ein Touristenauto zu sehr in der Mitte der Straße, so
dass das kleine rote Auto auf der anderen Fahrbahnseite nicht mehr
vorbeikommt, das aber Vorfahrt hätte.
Die Situation ist hoffnungslos, keiner kommt weiter. In dem kleinen roten
Auto sitzt eine ältere Frau, der Fahrer des Touristenautos ist ausgestiegen
und schreit (ist das Thüringisch? vielleicht) „Ja, gut, ich habe einen
Fehler gemacht, aber jetzt fahren Sie doch bitte einen Meter zurück!“
## Falscher Eingang
Die ältere Frau schüttelt den Kopf. Das Hupen wird lauter, jetzt wird
gebrüllt, irgendwann hört man auch ihre hohe Stimme, Beleidigungen zischen
durch die laue Luft, werden sie sich prügeln?
Es ist ein herrlicher Sonntagnachmittag. Im Hofcafé ein paar hundert Meter
weiter ist es schattig und ruhig, Tische stehen auf der Wiese. Doch die
Frau, die in der Küche steht, in die alle Touristen nacheinander
hineinstolpern, weil sie die Küchentür fälschlicherweise für den Eingang
halten, zuckt beim Eintritt zusammen.
Sie seien nur zu zweit, sagt sie. Ihr selbst gebackener Kuchen schmeckt
wunderbar. Doch später sind Gäste, die schon bestellt hatten, bereits
gegangen, als das Tablett mit den Kaffeetassen kommt. Und man merkt, dass
ihr das nahe geht, aufgelöst verschwindet sie in der Küche. Es ist
vielleicht doch alles zu viel heute.
Gemäß der „[3][Heat Hypothesis]“ gibt es einen [4][Zusammenhang zwischen
Hitze und Aggression]. Angesichts der [5][Klimaerwärmung] sind das keine
guten Aussichten. Auf dem Rückweg, schon wieder in Mittelnkirchen, führt
eine weitere Brücke über den Fluss. Ein Audi kommt um die Kurve geschossen,
der Fahrer hupt alle Fußgänger an, die gerade die Straße überqueren wollen.
Mit quietschenden Reifen verschwindet er um die Ecke. Die Obstbäume blühen,
die Luft ist lau. Schön hier im Alten Land!
9 Apr 2024
## LINKS
[1] /Apfelernte-im-Alten-Land/!5714387
[2] /Die-Wahrheit/!5810589
[3] https://journals.sagepub.com/doi/10.1111/1467-8721.00109
[4] https://www.nber.org/papers/w28987
[5] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
## AUTOREN
Daniel Wiese
## TAGS
Niedersachsen
Elbe
Globale Erwärmung
Frühling
Schwerpunkt Klimawandel
Landwirtschaft
Deiche
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