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# taz.de -- Terror in Konzerthalle in Russland: Kommt die Tat Putin gelegen?
> Der russische Präsident Putin gibt der Ukraine eine Mitschuld an dem
> Terroranschlag. In der Ukraine rechnet man mit heftigeren Angriffen.
Bild: Trauer in Russland um die Opfer des Attentats in der Crocus City Hall
Kyijw taz/dpa | Dass [1][der Terroranschlag in der Crocus Hall] weitere
Repressionen in Russland und eine Verhärtung im russisch-ukrainischen Krieg
zur Folge haben wird, steht für die meisten Beobachter in der Ukraine außer
Zweifel. Es spielt auch keine Rolle, ob islamistische Terroristen am Werk
waren oder nicht. Mitunter ist auch Schadenfreude über den Tod von Russen
zu spüren, die mehrheitlich den Krieg gegen die Ukraine unterstützen.
Wirklich traurig über den Terroranschlag ist der Charkower Journalist Pawlo
Fedosenko nicht. „Es ist absolut scheißegal, ob wir das waren oder nicht
(und ich bin mir sicher, dass wir es nicht waren.)“, schreibt er
unmittelbar nach Bekanntwerden des Terrors auf seinem Telegram-Kanal. „Aber
die Nachricht, dass 40 Russen verreckt sind, kann doch keine schlechte
sein. Dafür hat es sich gelohnt, mal ohne Strom sein zu müssen.“
Fedosenko ist sich sicher, dass das Massaker der russischen Führung sehr
gelegen kommt. „Halten wir doch mal fest“, schreibt er am 23. März, einen
Tag nach dem Anschlag: „Terroristen sind ins Crocus gekommen, um zu töten.
Und sie töten seit Langem. Das ganze Land weiß das, und sie sind immer noch
dort. Buchstäblich in real time kann man das beobachten, kann sehen, wie
sie das Gebäude in Brand setzen. Und dann verlassen sie seelenruhig das
Haus, setzen sich in einen Wagen. Das Kennzeichen des Autos ist bekannt.
Sie haben es nicht ausgewechselt. Dann verlassen sie in aller Ruhe das
Gebiet Moskau, das mit Überwachungskameras nur so bespickt ist. Fahren 400
Kilometer in einem Auto, das alle russischen Geheimdienste suchen. Und erst
unweit der Grenze zur Ukraine werden sie verhaftet.“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies die Versuche Putins, mit
unbelegten Schuldzuweisungen der Ukraine eine Mitverantwortung für den
Anschlag zuzuschieben, kategorisch zurück. „Nach dem, was in Moskau
passiert ist, versuchen Putin und die anderen Bastarde natürlich nur,
jemand anderem die Schuld in die Schuhe zu schieben“, sagte Selenskyj am
Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache.
## Selenskyj weist Mitschuld der Ukraine zurück
Die russische Seite habe immer die gleichen Methoden. „Und immer schieben
sie die Schuld auf andere.“ Nach den Ereignissen in der Konzerthalle habe
„dieser absolute Niemand Putin“ einen Tag lang geschwiegen, anstatt sich um
seine russischen Bürger zu kümmern. Vielmehr habe Putin darüber
nachgedacht, „wie er das in die Ukraine bringen kann“.
Selenskyj warf Russland vor, [2][selbst Terror zu verbreiten]. Russen kämen
in die Ukraine, um Städte niederzubrennen, „und versuchen, die Schuld auf
die Ukraine zu schieben“. Sie folterten und vergewaltigten Menschen – und
gäben den Opfern die Schuld. „Sie haben Hunderttausende ihrer eigenen
Terroristen hierhergebracht, auf ukrainischen Boden, um gegen uns zu
kämpfen, und es kümmert sie nicht, was in ihrem Land geschieht.“
Der auf Militärfragen spezialisierte Blogger Olexi Petrow wundert sich auf
seiner Facebook-Seite über die Untätigkeit von Polizei und
Sicherheitskräften in einem Staat, der sehr viele Sicherheitsleute hat. „Wo
sind eigentlich die Streifenpolizisten geblieben, die mit den Terroristen
hätten kämpfen müssen. Oder zumindest diese hätten ablenken müssen, um so
die Flucht von Zivilisten zu ermöglichen.“ Es sei schon sehr merkwürdig, so
Petrow, dass vor einem Konzert mit Tausenden von Besuchern und nach einer
Warnung von Verbündeten lediglich mit Schlagstöcken bewaffnetes
Wachpersonal an den Türen gestanden habe.
Dem in Spanien lebenden ukrainischen Olexandr Ruschanski fällt es schwer,
für die russischen Opfer Mitgefühl zu empfinden. Ukrainische Städte seien
in diesem Krieg dem Erdboden gleichgemacht worden, Zigtausende seien
umgekommen. „Und was schließen die daraus? Ihnen gefällt das.“
## Wenig Mitgefühl für die Opfer in Russland
Putin könne nicht einen einzigen Beweis anführen für die Schuld der Ukraine
am Anschlag. Der Umstand, dass man sich im Kreml entschieden hatte, diese
Warnungen in den Wind zu schlagen, könne doch nur bedeuten, dass der Kreml
entweder selbst an diesem Terroranschlag beteiligt ist, oder er sich
zumindest entschieden hat, einen geplanten Anschlag nicht zu vereiteln, so
der Kolumnist Vitali Portnikow auf Youtube. „Weil man die Ukraine in diese
Sache reinziehen wollte.“
Der Anschlag habe auch gezeigt, so Portnikow, dass Putin nicht in der Lage
sei, die Sicherheit seiner Landsleute zu gewährleisten. Und bei seinen
Gesprächen mit dem Sicherheitsrat, mutmaßt Portnikow, werde es weniger
darum gehen, wie sich in Zukunft derartige Terroranschläge verhindern
ließen, als vielmehr darum, wie man diesen Anschlag nutzen könne, um aus
einem autoritären Regime einen totalitären Staat zu machen. Russland werde
wohl in der Folge verstärkt Repressionen erleben. Sicherlich sei es kein
Zufall, dass Putin ausgerechnet beim FSB ganz im Stile von Stalin von
Verrätern gesprochen hatte, die es zu vernichten gelte.
Portnikow erinnert an die Ermordung des Leningrader Parteichefs Sergej
Kirow, die Stalin genutzt hatte, um das Land mit einer bisher ungekannten
Säuberungswelle zu überziehen und das autoritäre Land in einen totalitären
Staat zu überführen. Durchaus möglich, so Portnikow, dass sich auch Putin
dieses Instrumentariums bedienen werde. „Und das heißt, das Schlimmste
steht den Menschen in Russland noch bevor.“ Offensichtlich wolle jemand mit
dem Terroranschlag, der ganz im Stil (des tschetschenischen Terroristen
Schamil) Bassajew gewesen sei, Friedensgespräche torpedieren, vermutet der
in Odessa lebende Blogger Wjatscheslaw Asarow, auf seinem Telegram-Kanal.
„Man musste einen Schock verursachen, damit nicht einmal mehr Gedanken an
einen Waffenstillstand in den Sinn kommen, man nur noch einen totalen
Vernichtungskrieg im Sinn hat.“ Eine Folge könnte sein, dass nun
[3][westliche Partner direkt in den Krieg eintreten] oder zumindest ihre
militärische Hilfe weiter aufstocken werden. Jetzt sei ein Friede, der nur
im Rahmen einer globalen Regelung geschlossen werden könne, in weite Ferne
gerückt, so Asarow.
24 Mar 2024
## LINKS
[1] /IS-Terrorattentat-von-Moskau/!5999858
[2] /Verteidigung-gegen-Russlands-Angriffe/!5997385
[3] /Ukraine-Treffen-in-Ramstein/!5996346
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Bundesamt für Verfassungsschutz
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