# taz.de -- „Malina“ und „hildensaga“ in Berlin: Gefangen in Erwartungs… | |
> Frauen werden zum Verschwinden gebracht. Davon erzählen zwei | |
> Theater-Inszenierungen, „Malina“ und „hildensaga. ein königinnendrama�… | |
Bild: Brünhild (Svenja Liesau) und Kriemhild (Julischka Eichel) sind die Heldi… | |
Mehr Regisseurinnen im Spielplan, mehr Heldinnen auf der Bühne, mehr | |
Befragungen von Genderklischees im klassischen Kanon: Daran arbeiten viele | |
Theater. Im Berliner Ensemble und am Deutschen Theater in Berlin kamen | |
zuletzt zwei Premieren heraus, die unter anderem den Versuch bezeugen, mehr | |
Gendergerechtigkeit in den Inhalten voranzubringen und in der Vergabe von | |
Positionen. | |
Fritzi Wartenberg gehört zu einer Reihe junger Regisseurinnen, die das | |
Berliner Ensemble mit einer einjährigen Residency im Werkraum des Theaters | |
gefördert hat. „Malina“ nach dem Roman von [1][Ingeborg Bachmann] ist dort | |
ihre dritte Produktion. Ihr gelingt die Umsetzung des 1971 erschienenen | |
Romans, der mit verwirrenden Fiktionen arbeitet, um von der Auslöschung und | |
Selbstauslöschung einer Frau zu erzählen, in eine verständliche Geschichte, | |
von leiser Ironie und Verzweiflung grundiert, doch ohne schrille Töne. | |
„hildensaga. ein königinnendrama“ ist eine Neudichtung der | |
Nibelungengeschichte, von Ferdinand Schmalz 2020 [2][für die Nibelungen | |
Festspiele in Worms geschrieben], in der sich die beiden Königinnen | |
Kriemhild und Brünhild gegen ihre Instrumentalisierung zum Erhalt der Macht | |
der Männer zu wehren beginnen. Das Drama wird inzwischen viel nachgespielt: | |
Sicher auch, weil es dem klassischen Kanon der Theaterliteratur an solch | |
rebellischen, sich mit anderen Betrogenen solidarisierenden Frauenrollen | |
mangelt. | |
Frauen zum Verschwinden bringen, zurückdrängen ins Dekor, in eine Rolle der | |
Bestätigung der Verhältnisse: Darum geht es in beiden Stücken. Das machen | |
sie zum Mitschreiben deutlich. Einübung in eine feministische Analyse | |
patriarchaler Verhältnisse: Vielleicht ist diese Botschaft etwas zu fett | |
geschrieben, besonders in der „hildensaga“, die Markus Bothe am Deutschen | |
Theater inszeniert hat. | |
Spöttischer Blick auf Männer | |
Julischka Eichel als Kriemhild und Svenja Liesau als Brünhild: Sie blicken | |
von Anfang an voll Spott auf die Männerwelt, die auf ihre Eroberung drängt. | |
Kein Wunder, denn erstens treten der Burgunderkönig und seine Brüder und | |
Recken als eine lächerliche Bande auf, voll Angebergesten, | |
Selbstüberschätzung, kaum versteckten Schwächen und von großer Eitelkeit, | |
hervorgehoben von Justina Klimczyks papageienbunten Kostümen. | |
Zweitens, so argumentieren die Recken selbst, sind die Frauen stark und | |
ihre Unterwerfung soll so als Symbol seiner Macht den Unterwerfenden | |
schmücken. Nur, was tun, wenn dieser eher ängstlich ist? | |
Natürlich lacht das Publikum über die schwachen Männer, ja das unterhält. | |
Hm. Was ja nun leider, aber damit beschäftigt sich die Inszenierung kaum, | |
hinterrücks bestätigt, dass man sie anders sehen wollen würde. Da ist | |
Bothes Inszenierung wenig differenziert. | |
Dass die Unterwerfung der starken Frauen nur durch Betrug gelingt – | |
Siegfried, Tarnkappe, usw. –, ist die altbekannte Geschichte. Sie geht | |
immer schief, am Ende alle tot. In der „hildensaga“ mit tatkräftiger Hilfe | |
der sich rächenden Königinnen. In Friedrich Hebbels Drama von 1861 durch | |
die Hybris der Helden in ihrer Selbstvermessenheit. | |
Immer wieder die gleichen Fehler | |
Eine Norne führt durch die Geschichte bei Ferdinand Schmalz, der | |
Schauspieler Ulrich Matthes im langen roten Samtkleid. Er greift nach den | |
Schicksalsfäden, bringt Reflexion in das Geschehen, markiert die | |
Knotenpunkte, an denen die Frage, wie anders hätte die Geschichte hier auch | |
weitergehen können, gestellt werden kann. Dass immer wieder die gleichen | |
Fehler gemacht werden, besserem Wissen zum Trotz, ist hier der tragische | |
Punkt. | |
Die Frau im männlichen Blick: Brünhild und Kriemhild erzählen das als | |
witzige Kabinettstückchen, längst stehen sie über den Fremdzuschreibungen. | |
Nicht so die Erzählerin in „Malina“, die in der Inszenierung von Fritzi | |
Wartenberg von drei Schauspielerinnen verkörpert wird, Constanze Becker, | |
Maeve Metelka, Josefin Platt. | |
Ihr Drama ist, sein zu wollen, wie Ivan sie sieht und zugleich vieles mehr | |
zu sein, als was er sehen will. Ein altmodischer Telefonhörer, groß wie ein | |
Sofa, dominiert die kleine Bühne im Neuen Haus. Wie sie darauf wartet, dass | |
er sie anruft; wie er nicht merken soll, dass sie gewartet hat: Die drei | |
Darstellerinnen turnen und wippen auf dem Telefonhörer herum, die | |
seelischen Verrenkungen in körperliche übersetzend. | |
Der Roman ist an keiner Stelle in direkte Dialoge aufgelöst, alles bleibt | |
indirekte Rede, aus der Erinnerung der Erzählerin, die nicht nur hadert mit | |
dem, was von ihr erwartet wird, sondern auch damit, wie sie darauf eingeht. | |
Anpassungsfähigkeit und Selbsthass, das macht einen Teil ihres Unglücks | |
aus. Ihrer Selbstzurichtung gilt ihre Verzweiflung und ihr Spott. | |
Die Mühen der Schriftstellerin | |
Aber es gibt auch die Erfahrung der Herabwürdigung durch die Außenwelt, wie | |
etwa Ivan über ihre Liebe zur Literatur herzieht, nichts anerkennt von dem, | |
womit sie, die Schriftstellerin, sich müht. Und diese Erfahrung fällt auf | |
einen Boden, der mit Alpträumen gedüngt ist vom Versagen. Schon der Vater | |
hat der Erzählerin das eingesagt. Die Abgründe in ihr stehen weit offen, | |
bereit, gefüllt zu werden mit weiteren Bildern des Scheiterns. | |
[3][Ingeborg Bachmanns Ton] ist in vielen Passagen der Bühnenfassung, die | |
Fritzi Wartenberg geschrieben hat, gegenwärtig. Das grünblaue | |
Hahnentrittmuster der Kostüme nimmt im Farbklang schon vorweg, dass die | |
Erzählerin am Ende in den grünblauen Wänden der Kulisse verschwinden wird. | |
Dass die drei Schauspielerinnen drei Generationen angehören, weist darauf | |
hin, wie anhaltend schwer es bleibt, Projektionen und Zuschreibungen zu | |
entkommen, wenn zugleich Anerkennung existenziell notwendig ist. | |
1 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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