# taz.de -- Demokratie, Marktwirtschaft und Mitte: Kompromiss als neues Progres… | |
> Ja, aber: Eine starke und zukunftsfähige Mitte hängt leider nicht nur von | |
> den gemäßigt Progressiven ab, sondern von gemäßigt Konservativen. | |
Bild: Da war der Zwang Kompromisse zu schließen noch weit entfernt: Protest de… | |
Damals, in der guten alten Zeit, hatten die Grünen und Alternativen es | |
nicht nötig, Kompromisse zu schließen. Während die anderen den Karren | |
zogen, und das gar nicht schlecht, maulten sie rum. Dass alles schlimm sei | |
und die Welt bald untergehe. | |
Nun ist es andersherum. Die „Alternativen“ sind jetzt antiemanzipatorisch | |
und antiliberal, die Classic-Liberalen beschwören den Untergang (der | |
Wirtschaft, der Freiheit und überhaupt), die Union spielt Kulturkampf, die | |
SPD will sich am liebsten aus der Realität raushalten. Und die armen | |
Grünen? Müssen den Staat, seine Institutionen, den Westen, die Ukraine, den | |
Wirtschaftsstandort und die Marktwirtschaft verteidigen. Der Rest mault | |
rum, wie schlimm diese Grünen seien. Gerechtigkeit für die ganzen | |
Besserwisser- und Slackerjahre? Könnte man sagen, wenn das alles noch ein | |
Spiel wäre. Ist es aber nicht. | |
Vor diesem Hintergrund hat Danyal Bayaz, grüner Finanzminister von | |
Baden-Württemberg, [1][in einem wochentaz-Gespräch] einen offenbar | |
wohlüberlegten Satz rausgehauen: „Der Kompromiss ist das neue Progressiv.“ | |
Wie bitte? Da rollen sich einem Altlinken oder einer Junggrünen immer noch | |
die Zehennägel hoch. Was Bayaz meint: Der Kompromiss mit andersdenkenden | |
Demokraten ist in einer pluralen Gesellschaft das, was Zukunftspolitik | |
ermöglicht. Grüne Regierungspolitik, so verstehe ich ihn weiter, orientiert | |
sich an der physikalischen Realität eskalierender Klimafolgen und | |
gleichzeitig an der gesellschaftlichen Realität eskalierender | |
Antidemokratie. So kommt Bayaz zu dem Schluss, dass die Grünen „vielleicht | |
aktuell sogar eine wichtigere Aufgabe als Klimaschutz haben, nämlich | |
Demokratieverteidiger zu sein“. | |
## Demokratien haben drei zentrale Probleme | |
First things first. Die hohl drehende Mediengesellschaft hat Klimaschutz | |
[2][erst einmal so desavouiert], dass die positiven Entwicklungen durch das | |
grün besetzte Bundeswirtschafts- und Klimaministerium kaum durchdringen. | |
Die gibt es schließlich auch. 2024 ist das Jahr geworden, in dem | |
zukunftsorientierte Wirtschafts- und Klimapolitik global abgeräumt zu | |
werden droht, falls die Europa- und US-Wahl entsprechend ausgehen. | |
Demokratien haben drei zentrale Probleme: den Aufstieg des | |
Rechtspopulismus, den Abstieg von Zukunftspolitik und liberaldemokratische | |
Parteien, die keine Antworten auf die neue Lage haben und sie deshalb nicht | |
einmal thematisieren. Will man nun ansatzweise ernsthafte Zukunftspolitik | |
machen (wie Robert Habeck), produziert die irritierte Mediengesellschaft | |
Wut und Aufregung statt Austausch von Argumenten – und die Demokratie | |
könnte erodieren. Macht man aber keine Zukunftspolitik, werden die | |
ungelösten Probleme zügig eskalieren – und die Demokratie erodiert erst | |
recht. | |
## Hat die Union die Kraft, das Richtige zu tun? | |
Ohne funktionierende Demokratie, Marktwirtschaft und starke Mitte gibt es | |
keine Klimapolitik: Weder rechts außen noch links außen passt die | |
Erderhitzung ins Konzept. Und es fehlen die notwendigen Mittel. | |
Deshalb hat Danyal Bayaz recht mit seiner Kompromissformel. Aber sie ist | |
eben keine Antwort, wie wir aus dem Zukunftslockdown rauskommen. Eine | |
starke und zukunftsfähige Mitte hängt leider nicht nur von den gemäßigt | |
Progressiven ab, sondern entscheidend von gemäßigt Konservativen. Die | |
zentrale Frage ist also, ob die CDU/CSU sich in der Opposition weiter | |
treiben lässt und am Anfang vom Ende einen schlechten Kompromiss mit | |
Demokratiefeinden schließt; oder ob sie die Kraft und das Potenzial hat, | |
einen zukunftspolitischen Pakt zu schließen und durchzuargumentieren, der | |
die konservativen Bedürfnisse der meisten Leute und die progressiven | |
Notwendigkeiten der Zeit zusammenbringt. Der Deutschland und Europa eine | |
Perspektive gibt. | |
31 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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