# taz.de -- Streit in NRW: Atomkraftgegner ausgeladen | |
> Umweltschützer:innen wehren sich gegen neue Castor-Transporte. Doch | |
> das Landeswirtschaftsministerium spricht nicht mehr mit ihnen. | |
Bild: Ministerin Mona Neubaur, Grünen-Vorsitzender Omid Nouripour und ein Anti… | |
Bochum taz | Im Streit um hochradioaktive Castor-Transporte wird der Ton | |
zwischen Nordrhein-Westfalens grüner Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur | |
und Umweltorganisationen frostig. In wenigen Monaten sollen die ersten | |
Castoren mit radioaktivem Atommüll aus dem ehemaligen Kernforschungszentrum | |
Jülich in das Zwischenlager Ahaus verlegt werden. | |
Jetzt dürfen Vertreter:innen von Neubaurs Landeswirtschaftsministerium, | |
das auch für die Atomaufsicht zuständig ist, offenbar nicht mehr persönlich | |
mit Anti-Atom-Initiativen und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) | |
sprechen. | |
Ein fest vereinbartes „Fachgespräch“ wurde am vergangenen Freitag aus dem | |
Büro der Ministerin heraus völlig überraschend abgesagt – nicht einmal zwei | |
Stunden vor Beginn. Begründung: Die Atomkraftgegner:innen hätten | |
angekündigt, nach dem Gespräch die Öffentlichkeit zu informieren. | |
„Da die Initiativen den heutigen Termin ohne Rücksprache mit dem | |
Ministerium öffentlich gemacht und angekündigt haben, im Anschluss über die | |
Inhalte des Gesprächs die Presse zu informieren, war der vertrauliche | |
Rahmen für einen offenen Austausch nicht mehr gegeben“, heißt es aus | |
Neubaurs Ministerium auf taz-Nachfrage. | |
## Umwelt-Aktivist:innen: Von Vertraulichkeit war nie die Rede | |
Die Umwelt-Aktivist:innen weisen den Vorwurf der gebrochenen | |
Vertraulichkeit dagegen scharf zurück. „Von einem vertraulichen Gespräch | |
war nie die Rede“, sagt nicht nur Kerstin Ciesla, stellvertretende | |
Landesvorsitzende des BUND in NRW. „Das Wort Vertraulichkeit ist im Vorfeld | |
nie erwähnt worden“, betont Matthias Eickhoff von der Initiative Sofortiger | |
Atomausstieg. „Es war keine Vertraulichkeit vereinbart“, sagt auch der | |
Sprecher der Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt, Helge Bauer. | |
Bei dem Treffen sollte der Umgang mit der Urananreicherungsanlage im | |
münsterländischen Gronau, die trotz des deutschen Atomausstiegs weiter über | |
eine unbefristete Betriebsgenehmigung verfügt, Thema sein – und die | |
Castor-Transporte von Jülich nach Ahaus. Atomkraftgegner:innen | |
[1][kritisieren diese als „gefährlich“]: Schließlich soll der | |
hochradioaktive Brennstoff des Reaktors des einstigen | |
Kernforschungszentrums per Lkw mitten durch Düsseldorf und das Ruhrgebiet | |
ins Münsterland gekarrt werden. | |
## Doch keine Erdbebengefahr | |
Außerdem seien die Transporte „unsinnig“. Denn geplant wurden sie nur wegen | |
einer Anordnung zur unverzüglichen Räumung des Jülicher Lagers, die 2014 | |
vom damaligen NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) wegen angeblicher | |
Erdbebengefahr erlassen wurde. Doch diese Erdbebengefahr besteht in Jülich | |
[2][nach einer Einschätzung des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen | |
Entsorgung] vom Oktober 2022 nicht. | |
Der BUND und die Anti-Atom-Initiativen fordern von Neubaur deshalb seit | |
Monaten, [3][die Transporte zu stoppen] und stattdessen auf den Neubau | |
eines Zwischenlagers in Jülich zu setzen, das den heutigen | |
Sicherheitsanforderungen entspricht – wie im schwarz-grünen | |
Koalitionsvertrag versprochen. Neubaur jedoch weigert sich beharrlich, die | |
von ihrem Vorvorgänger Duin erlassene Anordnung zur „unverzüglichen | |
Räumung“ des Jülicher Lagers aufzuheben. | |
Ihr Ministerium verweist stattdessen auf die Jülicher | |
Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH (JEN), die formal für die | |
Lagerung des hochradioaktiven Atommülls verantwortlich ist und | |
[4][hauptsächlich von der Bundesregierung finanziert] wird. Und die JEN | |
will die Transporte mit aller Kraft durchdrücken. Schließlich hätte auch | |
das von der Grünen Steffi Lemke geleitete Bundesumweltministerium die | |
Ahaus-Option [5][für „grundsätzlich vorzugswürdig“ erklärt]. | |
Grund dafür dürften vor allem die Kosten sein: Ohne Einberechnung der | |
Polizeieinsätze zur Sicherung der Castor-Transporte könnte die Verlegung | |
nach Ahaus auf dem Papier billiger sein als der Bau eines neuen | |
Zwischenlagers in Jülich – was besonders den klammen | |
FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner freuen dürfte. Auch deswegen | |
halte Neubaur an der Räumungsverfügung für das Jülicher Lager fest, | |
spekulieren Insider: Die grüne Partei wolle keinen neuen Koalitionskrach in | |
Berlin riskieren. | |
Umweltschützer:innen wie BUND-Landesvize Kerstin Ciesla wollen das | |
nicht gelten lassen: Angesichts der Sicherheitsbedenken bei den bis zu 152 | |
Atomtransporten über die Autobahnen dürften Kostenfragen keine | |
entscheidende Rolle spielen. | |
27 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /BUND-ueber-Atommuell-Fahrten-durch-NRW/!5980047 | |
[2] /Protest-gegen-Castor-Transporte/!5968470 | |
[3] /Proteste-von-Anti-Atom-Initiativen/!5974857 | |
[4] https://www.wirtschaft.nrw/themen/energie/atomaufsicht/zwischenlagerung/faq… | |
[5] https://www.jen-juelich.de/projekte/avr-brennelemente | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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unklar. |