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# taz.de -- Sky-Serie „Helgoland 513“: Reagenzglas Helgoland
> Mochten Sie „Sløborn“ und „Lost“? Dann werden sie „Helgoland 513�…
> Denn die Serie versagt trotz aller Stilmittel erzählerisch.
Bild: „Helgoland 513“ ausnahmsweise mal im Freien
Kurz bevor er von der Klippe springt, schaut der alte Mann noch mal zu
seinen Bewacher*innen. „Seid nett miteinander“, sagt er, dann nimmt er
Anlauf und die Kamera zeigt seinen Lauf über den Rand. In dieser Version
von Helgoland ist sein Tod ein Geburtstagsgeschenk.
Die 513 in „Helgoland 513“ ist keine Kilometerangabe, sondern in dieser
Sky-Serie das Maximum an Menschen, die die Insel mit ihren Ressourcen
versorgen kann. Kontakt mit der Außenwelt will man nicht so recht, denn
[1][draußen wüten Pocken]. Nun hat der Mann also keine andere Chance, als
sich zu opfern, denn gerade wurde seine Enkelin geboren. Ein neues Leben
bedeutet hier einen Tod.
„Einstehen“ nennt das die Quasi-Diktatorin der Insel. Wäre der Opa nicht
freiwillig gesprungen, hätte jemand nach einem Social-Scoring-System
ausgewählt und getötet werden müssen. Und das passiert dann auch noch.
Helgoland, das ist nicht länger Urlaubsort. Das ist plotgebende Isolation.
Genau so setzt man Inseln in Erzählungen richtig ein! Dumm nur, dass sich
diese Serie nicht daran hält.
## Die Insel hat hier keine Funktion
Bereits in der ersten Folge geht es runter von der Insel. Notwendig ist
das, weil der Arzt auf Helgoland in einer Forschungsstation einen Impfstoff
entwickeln will. Klar: Jede Insel hat einen Impfstoffarzt und ein
Seuchenforschungslabor. Dafür braucht es wertvolle Grippeimpfstoffe zum
Mischen und weniger wertvolle überlebende Festländer*innen als
Versuchsobjekte.
Das ist traurig, denn Inseln haben in Erzählungen vor allem eine Funktion:
Sie sollen das Draußen draußen halten. Bei „Herr der Fliegen“, damit sich
die Jugendlichen eigenständig zu Monstern entwickeln können. Bei „Lost“,
damit die Erwachsenen sich ihrer Monstervergangenheit stellen. Bei der
[2][ZDF-Serie „Sløborn“] – viel besser als „Helgoland 513“ – kämp…
Charaktere in ihrer Isolation gegeneinander und gegen die rettende wie
gottverdammte Insel und überwinden innere Konflikte. Inseln sind
Reagenzgläser, in denen wir Gesellschaften in Zeitraffer beobachten können.
Und sie lassen Charaktere wachsen.
Wenn sie das nicht schaffen, dann sollten sie doch zumindest bildlich
bestechen. Nicht so in „Helgoland“. Die Serie wurde zu großen Teilen gar
nicht dort, sondern auf Amrum und Sylt, in Hamburg und Berlin gedreht.
## Wenigstens keine zweite Staffel
Statt Nature Porn gibt es: Innenräume. Versammlungshalle, Labor,
Wohnzimmer. Das war’s. Die Insel wird bedrückend selten gezeigt. Dabei sind
genau das die starken Szenen: Am Strand erschießt die Miliz alle, die auf
ihren Flößen der Insel zu nahe kommen. In diesen Momenten funktioniert
„Helgoland“, erinnert an ekelhaft reale „Grenzsicherung“.
Doch immer wieder springt die Serie zurück nach Hamburg. Wieso? Wenn die
Menschen so einfach von der Insel zum Festland können, wenn die Isolation
so irrelevant ist, wieso gibt es dann die 513-Regel? Und wieso spielt die
Serie dann auf einer Insel und nicht in einem Bayerischen Dorf umgeben von
Wald? Helgoland ist verschenkt, dient nur als faul aufgestellte Kulisse
ganz weit im Hintergrund.
Die Serie „Helgoland 513“ ist die letzte deutschsprachige Fiction-Serie,
die Sky poduziert. [3][Zu viele Serien haben die Streaming-Dienste in den
letzten Jahren hastig zusammengeklöppelt, zu wenig auf die Qualität
geachtet] – [4][nach Paramount Plus] merkt das jetzt auch Sky und hört auf.
Aber leider ist „Helgoland“ ein unwürdiger Abschied. Gut ist es aber
immerhin, weil es dann wohl keine zweite Staffel geben wird.
27 Mar 2024
## LINKS
[1] /Affenpocken-in-Medienberichten/!5853554
[2] /Slborn-Fortsetzung-bei-ZDFneo/!5824849
[3] /Netflix-aendert-seine-Strategie/!5982225
[4] /Serien-auf-der-Berlinale/!5991829
## AUTOREN
Johannes Drosdowski
## TAGS
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