# taz.de -- Philosoph Giordano Bruno: Gegen Christentum und Messias | |
> Er gilt als Märtyrer der Religionskritik: Eine neue Biografie beleuchtet | |
> Giordano Bruno, den die katholische Kirche als Häretiker hinrichtete. | |
Bild: Statue von Giordano Bruno in Rom | |
An einem Februarmorgen im Jahr 1600 des Herrn verbrannte die katholische | |
Kirche den Philosophen Giordano Bruno als Ketzer auf dem Campo de Fiori in | |
Rom. Verächtlich wandte sich Bruno noch von einem Kruzifix ab, den man ihm | |
entgegenstreckte – seine letzte dokumentierte Handlung, bevor das Feuer ihn | |
verschlang. | |
Der nahe Neapel geborene Bruno konnte in den Kerkern der Inquisition auf | |
eine lange Europareise zurückblicken: Nachdem er die Mönchskutte seines | |
Dominikanerordens abgelegt hatte, war Bruno über Rom quer durch Frankreich, | |
England und Deutschland gereist, stets auf der Suche nach einem Hort, wo er | |
seine Ideen frei kundtun könnte. Doch der Diskussionsfreudige eckte in den | |
repressiven Zeiten von Reformation und Gegenreformation bei Katholiken, | |
Calvinisten und Lutheranern gleichermaßen an. Wo er auch hinkam, gab es | |
Streit. | |
Der Historiker Volker Reinhardt erzählt Brunos Odyssee mit tödlicher | |
Heimkehr in einer neuen Biografie. Um Brunos räumliche und geistige | |
Wanderung nachzuzeichnen, bedient sich Reinhardt aus den Verhörprotokollen | |
der päpstlichen Inquisition, den Schriften Brunos selbst sowie aus | |
Beobachtungen von Zeitgenossen. Dazu legt der Autor eindrücklich die | |
politische Lage und religiöse Stimmung in den Städten auf Brunos Reise dar, | |
wie etwa in Genf, Paris oder Halle. Reinhardts lebendige Sprache macht das | |
Werk zu einem echten Lesevergnügen. | |
## Ein unendliches Universum | |
Doch was wollte Giordano Bruno? Einerseits kann man den Philosophen heute | |
als frühen Liberalen sehen, denn er drängte auf die komplette Freiheit der | |
Rede und Diskussion ohne kirchliche oder staatliche Zensoren. Andererseits | |
polemisierte Bruno gegen die Katholiken mit ihren versteinerten Dogmen und | |
gegen die Lehre der Protestanten. In privaten Gesprächen richtete er seine | |
ätzende Kritik auch gegen die Fundamente des Christentums und den Messias | |
selbst. | |
Dagegen entwarf er in seiner philosophia nolana Vorstellungen von einem in | |
Raum und Zeit unendlichen Universum und von vielen Welten, auf denen | |
außerirdisches Leben existiere. Eine [1][wahrlich humanistische Religion] | |
sollte der christlichen Sektiererei ein Ende bereiten. | |
Als Bruno Anfang der 1590er Jahre nach Venedig zurückkehrte, geriet er in | |
die Fänge der Inquisition, weil ihn sein gekränkter Gastgeber Giovanni | |
Mocenigo denunzierte. Reinhardt zeigt auf, wie Bruno letztlich auch | |
[2][Opfer der politischen Verhältnisse] und Ränkespiele wurde: Papst | |
Clemens VIII. wollte an dem abtrünnigen Mönch ein Exempel statuieren, um | |
konservative Hardliner im Vatikan zu beschwichtigen. | |
Die weltlichen Herrscher im venezianischen Collegio waren eigentlich | |
nicht geneigt, Bruno in die Stadt am Tiber auszuliefern. Sie entschieden | |
sich (auf Grundlage erlogener Argumente aus Rom) schließlich doch dafür, | |
weil sie sich Zugeständnisse der Kurie erhofften. | |
## Der Drang zu provozieren | |
Reinhardt zeichnet ein Bild einer verunsicherten und [3][eifersüchtigen | |
Kirche], ohne den Sinn für die Zwischentöne zu verlieren: So gesteht er, | |
dass Brunos Inquisitionsprozess unseren modernen Vorstellungen von einem | |
rechtsstaatlichen Verfahren gar näher kam als die weltlichen Verfahren | |
jener Zeit. Bruno wusste in den Verhören zwar nicht, was die Inquisitoren | |
über ihn wussten, doch er verteidigte sich geschickt: Er räumte | |
philosophische „Exzesse“ ein und zeigte sich reumütig, verschwieg aber | |
zunächst seine kühnsten Thesen. | |
Doch sein Drang „zu provozieren und zu missionieren, war durchgehend | |
stärker als das Bemühen um Selbstschutz“, schreibt Reinhardt. In seiner | |
langen Kerkerhaft lästerte er über das Christentum gegenüber Mitgefangenen, | |
die Brunos inkriminierende Aussagen an die Inquisition weitergaben, was ihn | |
erneut in Bedrängnis brachte. Letzte Appelle, er möge seine Lehre | |
widerrufen, schlug der Philosoph aus. | |
Sein Feuertod machte aus Bruno einen Märtyrer für die Freiheit und die | |
Religionskritik. Italienische Republikaner errichteten ihm 1889 eine | |
überlebensgroße Bronzestatue auf dem Campo de Fiori. Papst Leo XIII. bekam | |
anlässlich der Feierlichkeiten Bammel, drohte gar, die Stadt zu verlassen, | |
und zog sich am Tag der Denkmaleinweihung in die Petersbasilika zurück. | |
Ganz anders also als Bruno: Seine Statue steht heute noch auf dem Campo, | |
die Kapuze über den Kopf geworfen, der Blick entschlossen. | |
13 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Leon Holly | |
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