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# taz.de -- Nach Drohungen gegen Bürgermeister: Rote Karte nach Drohserie
> Er bedrohte und beleidigte den Bürgermeister von Harsum Marcel Litfin und
> Gemeinde-Mitarbeiter*innen. Nun muss ein 52-Jähriger eine Geldstrafe
> zahlen.
Bild: Hat sich für seine Taten entschuldigt: Thomas F. im Gerichtssaal
Hildesheim taz | Wegen Beleidigung, Bedrohung und der Verwendung von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen hat das Amtsgericht
Hildesheim am Mittwoch einen 52-jährigen Deutschen zu einer Geldstrafe von
120 Tagessätzen zu je 10 Euro, insgesamt 1.200 Euro, verurteilt. Thomas F.
hatte in zahlreichen Schreiben [1][den Bürgermeister sowie
Mitarbeiter*innen der Gemeinde Harsum und des Jobcenters bedroht und
beleidigt]. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Drohserie begann im Oktober 2021, nachdem die Mutter von F. in ihrem
Haus in Harsum verstorben war. Da die Gemeinde ihn als nächsten Angehörigen
nicht erreichen konnte, führte sie eine Sozialbestattung in einem anonymen
Urnengrab durch. Thomas F. fühlte sich von der Behörde übergangen und
begann, Behördenschreiben mit Todesdrohungen und Beleidigungen wie
„Drecksschwein“ zu beantworten.
Zum Zielobjekt der Drohungen wurde insbesondere der parteilose Harsumer
Bürgermeister Marcel Litfin, den F. für die anonyme Bestattung seiner
Mutter verantwortlich macht. Nachdem F. im März 2022 ein Schreiben mit den
Worten „das war’s, Litfin stirbt“ und „Freitag, 9 Uhr stirbt er“, ver…
hatte, wurde das Harsumer Rathaus kurzzeitig unter Polizeischutz gestellt.
Vor Gericht schilderte Marcel Litfin, wie ihn die mehrfachen Drohungen
verunsichert und beängstigt haben: „Spätestens, seitdem ich persönlich
angeschrieben wurde, habe ich das sehr ernst genommen.“ Er habe in Erwägung
gezogen, sein Amt niederzulegen und den Wohnort zu wechseln. Litfin hatte
wegen weiterer Bedrohungen eine Erlaubnis zum Führen einer scharfen
Schusswaffe beantragt, was von der zuständigen Behörde abgelehnt wurde. Mit
seiner Klage gegen die Entscheidung [2][scheiterte Litfin vor dem
Verwaltungsgericht Hannover].
## Zwangsräumung und Alkoholerkrankung
Gleich zu Beginn des Prozesses ließ F. durch seinen Verteidiger eine
Erklärung abgeben, in der er die Taten vollumfänglich einräumte. Ihm sei
regelmäßig der Kragen geplatzt, wenn er Post von der Gemeinde erhalten habe
und sei dann mit seinen Äußerungen über das Ziel hinausgeschossen. Mit dem
Verlust seiner Arbeit im Einzelhandel begann für Thomas F. 2017 eine
Abwärtsspirale. Er verlor seine Wohnung durch eine Zwangsräumung und lebte
daraufhin in einer Obdachlosenunterkunft, in der er mehrfach Opfer von
Körperverletzungen wurde.
Nach dem Tod seiner Mutter zog er in das Haus in Harsum. Ein
psychiatrischer Gutachter schilderte vor Gericht, das F. an einer
Alkoholerkrankung leide und mit der Situation der Beerdigung massiv
überfordert gewesen sei. Auf die Frage der Richterin, ob er dafür sorgen
könne, dass so was nicht mehr passiert, sagte F.: „Ich gebe mir Mühe. Man
hatte harte Jahre, sehr harte Jahre.“
Eine Mitarbeiterin der Gemeinde Harsum, die F. in mehreren Schreiben
beleidigt hatte, sagte vor Gericht: „Ich arbeite seit 30 Jahren in der
Buchhaltung und so etwas ist noch nicht vorgekommen.“ Man [3][mache sich
Sorgen um seinen Chef,] wenn man Drohungen wie „Litfin stirbt“ lese. Ein
Schreiben an das Jobcenter Hildesheim hatte F. mit den Worten
zurückgesendet: „Fehlt das Geld stirbt der Vorstand, Sieg Heil“.
Ein Polizeibeamter des Staatsschutzes beschrieb vor Gericht, wie er
insgesamt rund 20 Gefährderansprachen bei F. durchgeführt habe. Das seien
„angenehme Gespräche“ gewesen, „man konnte mit ihm gut reden“, sagte d…
Beamte. Im Rahmen einer kürzlich durchgeführten Hausdurchsuchung habe man
keine Hinweise auf Waffen oder eine rechtsextreme Einstellung finden
können.
Das Gericht lag mit seinem Strafmaß von 120 Tagessätzen über der Forderung
der Staatsanwaltschaft. [4][Aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit] sei bei
den Taten von einer verminderten Schuldfähigkeit auszugehen. Zugute hielt
Richterin Wolter dem Angeklagten, dass er sich am Ende des Verfahrens noch
entschuldigt hatte. Thomas F. stehe zum ersten Mal vor Gericht und bekomme
nun die rote Karte. „Ich hoffe das diese Verhandlung zu einer
Verhaltensänderung beiträgt, bin mir dessen aber nicht sicher“, sagte die
Richterin.
20 Mar 2024
## LINKS
[1] /Harsums-Buergermeister-wird-bedroht/!5890507
[2] /Prozess-um-Waffenschein/!5912515
[3] https://www.harsum.de/rathaus/buergermeister/
[4] /Aktivist-ueber-Sucht-und-Behinderung/!5949652
## AUTOREN
David Speier
## TAGS
Prozess
Waffen
Kommunalpolitik
Drohungen
Hetze
Waffenschein
Hildesheim
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