Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Im Inneren der inneren Welt
> Bei einer eigentümlichen Schaltung gelangt ein Wissenschaftler in eine
> geheimnisvolle Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit – mit fatalen Folgen.
Als auf eigene Faust arbeitender Wissenschaftler war ich in einer
elektronischen Schaltung oder dergleichen zufällig auf etwas gestoßen, das
sich der Einordnung in allgemein anerkannte Kategorien entzog. Zwar stand
ich erst am Anfang meiner Arbeit, und die Menge des bis dahin Erreichten
war gering, doch aus dem Wenigen ging hervor, dass das von mir Entdeckte
eine nicht zu leugnende Ähnlichkeit mit einer inneren Welt aufwies.
An der Innenseite der Leitungen besagter Schaltung hatte sich messbar so
etwas wie substanzielles Bewusstsein abgelagert. Mit einem eigens von mir
entwickelten Verfahren ließ es sich isolieren und in konzentrierter Form
speichern. Dabei durfte ich nichts Falsches denken.
Es war mir unmöglich, länger als eine Dreiviertelstunde am Tag mit dieser
Arbeit zu verbringen. Entsprechend langsam kam ich voran. Zusätzliche
Hindernisse waren mein zwanghaftes Drücken falscher Tasten und unablässiges
Drehen von Reglern in die falsche Richtung.
Ähnlich zufällig, wie ich auf besagte Welt gestoßen war, fand ich mentalen
Zugang zu ihr. Dabei schien ich in eine enge Öffnung gesaugt zu werden.
Mich quälte Erstickungsangst, doch der Gleichrichter führte zum Ende der
Beengtheit. „Im Gleichrichter bleibt alles unverengt“, dachte mein Verstand
erleichtert.
Das Wort „Gleichrichter“ enthielt ein zweifaches „ich“. Das konnte kaum
Zufall sein, denn eine identische Alternativversion von mir, die eine
andere Ordnungsnummer hatte als ich, war offenbar nötig, damit ich in der
völlig andersartigen Realität dargestellt werden konnte. Dass sich beide
Versionen einmal begegnen könnten, schien ausgeschlossen, denn wir konnten
einander nicht wahrnehmen.
Wegen der großen Fremdheit jener Welt konnte ich nie lange darin bleiben.
Das wirkte sich nachteilig auf die wissenschaftliche Arbeit aus. Bei meinem
letzten Aufenthalt traf ich zu allem Überfluss ein extrem verstörendes
Wesen. Es hatte Ähnlichkeit sowohl mit einem Schwein als auch, da es
aufrecht ging, mit einem Menschen.
Sein Fell war kurzhaarig und am Bauch gepunktet, Geschlechtsorgane wies es
überraschenderweise keine auf. Ich entsinne mich nicht, ob es etwas tat
oder äußerte. Bei seinem Anblick befiel mich ein nie gekanntes Gefühl von
Panik. Kopflos die Verbindung abbrechend, floh ich. Für ein paar Sekunden
verlor ich den Überblick, so dass mir, wie ich später erkannte, ein
Bedienungsfehler unterlief.
Möglicherweise wurden dabei die Ordnungsnummern meiner beiden Versionen
vertauscht. Nun wage ich nicht, die gespeicherte Welt zu löschen und
befürchte zugleich, das Wesen könne in meine herüberkommen. Ich weiß weder
ein noch aus. Nicht einmal Dr. Lateiner, der unter anderem den Teil des
Gehirns entdeckt hat, der speziell für das Hören von Cellokonzerten in
liegender Haltung zuständig ist und dieses überhaupt erst ermöglicht, kann
mir jetzt noch helfen.
19 Mar 2024
## AUTOREN
Eugen Egner
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Groteske
Wissenschaft
Realität
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Am Tag der wunschlosen Enge
Die Wohnung ist verschwunden, nur der Garten ist noch da, in dem sich
etliche mit unverständlichen Tätigkeiten beschäftigte Menschen aufhalten.
Die Wahrheit: Spiegel des Grauens
Eine wundersame Erscheinung erschüttert einen vollkommen ergriffenen
Nasszellennutzer. Es ist das schreckliche Abbild einer menschlichen
Silhouette.
Die Wahrheit: Personen hinter Glasscheiben
Was wollen die Leute, die einen nach der Veranstaltung bis ins Hotel
verfolgen? Eine Antwort könnte sie schockieren.
Die Wahrheit: Die neue Wohnung
Plötzlich zu Hause abgeführt und in ein ganz anderes geheimnisvolles
Domizil geleitet zu werden, kann enorme Beklemmungen auslösen.
Die Wahrheit: Abends auf der Kommandobrücke
Bei einem geheimnisvollen Schiffsbau melden sich die eingesetzten
geschlechtslosen Quadratmeter: Ihnen ist in der Planungsphase zu kalt!
Die Wahrheit: Verhör durch den verlängerten Arm
In einem abgelegenen Haus wird ein Mann festgehalten und mit „Beweisen“
konfrontiert, die eine „Naturstelle“ gegen ihn zusammengetragen hat.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.