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# taz.de -- Deutschland vor der Fußball-EM: Nagelsmann über den Erwartungen
> Der Bundestrainer weiß, welche politische Kraft der Fußball entwickeln
> kann. Damit erweist er sich vor der anstehenden Heim-EM als
> realitätstüchtig.
Bild: Bundestrainer Julian Nagelsmann mit Joshua Kimmich bei einem Spiel gegen …
Warum nicht einmal [1][Julian Nagelsmann] loben? In dieser Kolumne geht es
schließlich um die Politik des Fußballs, die EM steht vor der Tür, noch
dazu im eigenen Land, und alle möglichen Schlaumeier schwafeln, dass aus
dem Turnier doch bitte ein „Sommermärchen 2.0“ (ZDF, dpa, Badische Zeitung,
Zeit Online, Bild etc.) werden solle.
Gemeint ist: Nur ein Fußball-Mega-Event ist es, das dieses Land noch nach
vorne bringen kann. Zumindest, was sein Renommee im Ausland angeht. Bei der
WM 2006, so erzählt man sich, wurde Deutschland plötzlich modern. Das
Schwenken von schwarz-rot-goldenen Fähnchen galt als hippes Symbol für
weltoffene Toleranz, und ein nationaler Optimismus machte sich breit.
Kannste dir nicht ausmalen!
[2][„Sommermärchen 2.0“] im Jahr 2024 heißt dann wohl: Dieses Land vergis…
mal für die Dauer eines Fußballturniers seine Rechtsradikalen, seine Löcher
im Staatshaushalt und seine Aufrüstungsdebatten und [3][versprüht
stattdessen Lust und Freude auf die Zukunft]. Musst nur wollen!
Was hat das mit Julian Nagelmann zu tun? Nun, der ist ja ein „Klinsmann
2.0“, eine Art Gesicht des Partynationalismus, den sich von Scholz bis
Merz, von Habeck bis Lindner so viele Vertreter des politischen
Establishments wünschen. Aber warum ist Nagelsmann zu loben? Weil er sich
jüngst im Spiegel gegen solche Erwartungen verwehrt hat: „Planbar ist so
etwas eher nicht, und wir können auch von niemandem dafür verantwortlich
gemacht werden, wenn die Probleme im Land nach dem Turnier nicht kleiner
geworden sind.“
Ganz konkret sagte er: „Bei politischen und gesellschaftlichen Themen
kommen innerhalb einer Fußballmannschaft, wo sich verschiedene Ansichten,
Kulturen und Religionen versammeln, immer Diskussionen auf – und das
schlägt in der Regel auf die Leistung.“
## Realtitätsferne Erwartungen
Doch Nagelsmann quatscht nicht dumm von einem unpolitischen Sport daher. Er
warnt nicht davor, dass „die Jungs“ sich auf „das Wesentliche“
konzentrieren müssten. Er sagt schlicht: „Wenn wir eine gute EM spielen,
und hinterher melden sich 15 Prozent mehr Kinder bei Vereinen an, haben wir
gesellschaftlich mehr erreicht als mit einer Geste vor einem Spiel.“
Kurz gesagt: Julian Nagelsmann weiß, dass der Fußball eine enorme
politische Kraft besitzt, und genau der vertraut er. Links ist das nicht,
aber es ist ein um mehr als nur eine Nuance realitätstüchtigeres Wissen,
als solche Leute haben, die glauben, die blöde Masse bräuchte Spiele, um
ruhiggestellt zu werden.
Fußball ist nämlich keine Ablenkung, sondern eine Erscheinungsform
gesellschaftlicher und politischer Prozesse. Wenn der Fußball möglichst
inklusiv und divers aufgestellt ist, dann kann er zeigen, was
gesellschaftlich möglich ist. Wenn aber diese Verpflichtung zur
demokratischen Teilhabe ignoriert wird – weil plötzlich wieder „deutsche
Tugenden“ gefragt sind, weil Queere und Migranten als nicht zum
„Teamcharakter“ passend aussortiert werden -, dann wird diese merkwürdige
Erwartung der Politik an den Sport, er solle als Fitmacher für das Land
fungieren, scheitern.
Zu viel Lob für Nagelsmann? Wahrscheinlich, aber das „Sommermärchen“ war
auch nicht so doll, wie es derzeit so oft schöngeschrieben wird.
14 Mar 2024
## LINKS
[1] /Nagelsmann-wird-Fussball-Bundestrainer/!5958254
[2] /Geldwaesche-und-Untreue-bei-der-WM-2006/!5351746
[3] /Auslosung-der-Fussball-EM-2024/!5973872
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Kolumne Über den Ball und die Welt
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Fußball
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Kolumne Kulturbeutel
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