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# taz.de -- Die Wahrheit: Eminenz des Humors
> Achim Frenz ist tot. Der langjährige Direktor des Frankfurter Museums für
> komische Kunst Caricatura verstarb im Alter von 66 Jahren. Ein Nachruf.
Bild: Achim Frenz im Jahr 2023
Vom Fenster aus sah ich ihn von Weitem langsam die Straße, nein, nicht
entlang laufen, er rollte eher heran mit seinem rundlichen Bauch unter dem
noch rundlicheren Kopf, umrankt von wilden Brombeerhaaren.
Zuletzt hatte er arge Probleme mit dem altersbedingten Gesamtkomplex
Herz-Kreislauf. Aber das Hirn funktionierte glänzend, und seine Gedanken
waren wie immer ganz im Gegensatz zu seiner barocken und bärigen, ins
Gemütliche vollbrachten Gestalt blitzschnell und glasklar. Acht Stunden
redeten wir über Vergangenheit und Zukunft des Humors. Das war sein
Lebensthema, selbst wenn er jetzt im Ruhestand war. Endlich nach mehr als
vierzig Jahren im Bergwerk der Komik.
Achim Frenz war das, was man eine graue Eminenz nennen würde, wenn es so
etwas gäbe im Genre Satire und Humor, und er hätte sich sehr gut in einem
Mantel-und-Degen-Film mit vollem Amtsornat als Kardinal gemacht. Einmal war
er sogar mit roter Robe und unter einer Krone als König für eine lustige
Fotostrecke des Satiremagazins Titanic unterwegs, dessen Mitherausgeber er
seit Langem war. Vor allem aber war er der „Direktor“, der Herrscher über
den Weckmarkt, an dem das burgähnliche Museum für komische Kunst Caricatura
in Frankfurt liegt, dem er vorstand.
Ende der siebziger Jahre kam er aus Bremerhaven nach Kassel zum Studium,
das er mit einer Arbeit zum Thema „Die Grenzen der Satire“ abschloss – ein
Titel, der alles Künftige zusammenfasste. Noch zuletzt sprachen wir genau
darüber, wie weit Satire heutzutage noch zu weit gehen kann. „Satire muss
Grenzen überschreiten und wird erst dann zur Kunst oder großen Kunst, wenn
sie Grenzen verschiebt“, lautete sein Credo.
Geprägt wurde er vor allem vom Humor der Neuen Frankfurter Schule, den
Mitarbeitern von Pardon und späteren Mitbegründern von Titanic, F. K.
Waechter und F. W. Bernstein, Chlodwig Poth und Hans Traxler, Robert
Gernhardt und Eckhard Henscheid, Bernd Eilert und Pit Knorr, um deren Werke
herum er das Museum in Frankfurt aufbaute.
Zunächst etablierte er mit Kombattanten parallel zur Documenta die
Caricatura in Kassel, die mit ihren Ausstellungen, Lesungen und
Akademieausbildungen enorm viel für die deutsche Humorlandschaft getan hat
und immer noch tut. Schließlich wechselte er nach Frankfurt, wo er
spätestens seit dem Jahr 2008 mit vielen Ausstellungen, wie zuletzt zum
100. Geburtstag von Loriot, großen Erfolg hatte.
Achim Frenz war der wachste und verständigste Geist der deutschen
Humorlandschaft. Jetzt ist er kurz nach seiner Pensionierung im Alter von
66 Jahren verstorben. Und genau solch einen gar nicht überraschenden Tod
bespöttelten wir bei unserer letzten Begegnung mit warnenden Worten: So
habe der „Peanuts“-Zeichner Charles M. Schulz seinen letzten Streifen am
Freitag abgeliefert und sei am Sonntag gestorben. Humorschaffende, geht
nicht in Rente!
11 Mar 2024
## AUTOREN
Michael Ringel
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Humor
Karikaturen
Nachruf
GNS
Heavy Metal
Kolumne Die Wahrheit
Hannover
F.W. Bernstein
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