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# taz.de -- Diskriminierende Sprache im Kinderbuch: Jim Knopf jetzt ohne Rassis…
> Der Stuttgarter Thienemann-Verlag streicht rassistische Begriffe aus
> seiner beliebten Kinderbuchreihe. Droht eine neue Zensur-Debatte? Eher
> nicht.
Bild: Jim Knopf raucht nicht mehr in der Neuauflage des Kinderbuchklassikers
Ab sofort kann man wieder bedenkenlos zu „Jim Knopf“ greifen. Der
Kinderbuchklassiker über den schwarzen Jungen Jim Knopf und seinen Freund,
den weißen Lokomotivführer Lukas, kommt künftig ohne rassistische Begriffe
aus. Der Stuttgarter Thienemann-Verlag, bei dem die Rechte an der Buchreihe
liegen, hat in Abstimmung mit den Erben des Autors Michael Ende die
Neuausgaben überarbeitet. Damit geht eine lange Debatte zu Ende. Michael
Ende, der [1][1995 gestorben] ist, war einer der erfolgreichsten deutschen
Kinder- und Jugendbuchautoren. Er schrieb Klassiker wie „Die unendliche
Geschichte“ (1979), „Momo“ (1973) und eben „Jim Knopf und Lukas der
Lokomotivführer“, die weltweit übersetzt, verlegt und vielfach verfilmt
wurden.
Vor mehr als zehn Jahren hatte derselbe Verlag das Kinderbuch [2][„Die
kleine Hexe“ von Ottfried Preußler] bearbeitet und damit einen Sturm der
Empörung ausgelöst. [3][Als die taz 2013 als erstes Medium darüber
berichtete], brachte sie damit eine „[4][Kinderbuch-Debatte]“ ins Rollen.
Der ehemalige Literatur-Chef der Zeit, Ulrich Greiner, bemühte Artikel 5
des Grundgesetzes und sah die Meinungsfreiheit gefährdet, und seine
Wochenzeitung druckte das N-Wort groß auf ihrer Titelseite.
Der TV-Literaturkritiker Denis Scheck malte sich sogar das Gesicht schwarz
an, um gegen eine angebliche „Zensur“ zu protestieren. Das war peinlich,
aber erhellend.
Solche Reaktionen muss der Verlag heute vermutlich nicht mehr befürchten.
„Es gibt positive und kritische Reaktionen“, sagte Verlagssprecherin Svea
Unbehaun am Freitag salomonisch. Mit der Zeit haben sich manche Wogen
geglättet, und das deutsche Feuilleton ist [5][in Hinblick auf rassistische
Sprache sensibler] geworden. Auch aus den Neuauflagen von „Pippi
Langstrumpf“ und anderen Büchern von Astrid Lindgren sind diskriminierende
Begriffe längst verschwunden.
## Fester Bestandteil deutscher Popkultur
Konkret geht es jetzt um die beiden Bücher „Jim Knopf und Lukas der
Lokomotivführer“ und „Jim Knopf und die Wilde 13“. Beide stammen aus den
1960er Jahren und begründeten damals Michael Endes Ruhm als
Kinderbuchautor. Die Geschichten wurden von der „[6][Augsburger
Puppenkiste]“ adaptiert und für das öffentlich-rechtliche Fernsehen
verfilmt – zunächst in Schwarz-Weiß, später in Farbe.
Jim Knopf ist längst ein fester Bestandteil deutscher Popkultur. Die beiden
Kinderbücher wurden mehrfach verfilmt, unter anderem als mehrteilige
Zeichentrickserie, und kamen zuletzt als Film mit echten Schauspielern ins
Kino. 2018 feierte [7][der erste Jim-Knopf-Film] seine Premiere – mit fast
25 Millionen Euro eine der teuersten deutschen Produktionen aller Zeiten.
Die Schauspieler Christoph Maria Herbst treten darin als „Herr Ärmel“,
Milan Peschel als „Herr Tur Tur“ und Uwe Ochsenknecht als „König Alfons …
Viertel-vor-Zwölfte“ auf. 2020 folgte die Fortsetzung „Jim Kopf und die
Wilde 13“, wieder mit Solomon Gordon als Jim Knopf.
Die Hamburger Band [8][Tocotronic] setzte dem einflussreichen Schöpfer
dieser Figuren mit dem mehrdeutigen Song „Michael Ende, du hast mein Leben
zerstört“ bereits 1995 ein musikalisches Denkmal. Ungefähr zur gleichen
Zeit stürmte „Eine Insel mit zwei Bergen“ in einer fragwürdigen
Technoversion die Charts. Beim FC Augsburg erklingt das Lied bei jedem
Treffer des Klubs im Heimstadion als Torhymne. Michael Endes Erbe wirkt
ungebrochen fort.
## Mehr als eine Stelle überarbeitet
Einige Passagen aus den beiden Jim-Knopf-Büchern könnten aus heutiger Sicht
jedoch als rassistisch empfunden werden, teilte der Stuttgarter Thienemann
Verlag zur Begründung für seinen Schritt in einer Pressemitteilung mit.
Weitere Stellen in den Büchern seien geändert worden, um „stereotype
Beschreibungen zu reduzieren“. In den neuen Ausgaben wurde zum Beispiel das
N-Wort gestrichen. Außerdem ist statt von einem „Indianerjungen“ nun von
einem „Jungen“ die Rede, und statt von einem „Eskimokind“ von einem
„Inuitkind“.
Auch die Hautfarbe von Jim Knopf werde nicht länger thematisiert, und
bildlich werden Jim Knopf und Lukas ebenfalls anders abgebildet. Die
Darstellung von Jim Knopf fällt weniger stereotyp aus als beim Original:
Statt dicken rosafarbenen Lippen und fehlendem Übergang zwischen schwarzer
Haut und Haaren zeigen die neuen Cover ihn mit leicht hellerer Haut und
Strichlippen, und aus dem Mund des Minderjährigen ist die Tabakpfeife
verschwunden. Nur Lokomotivführer Lukas schmaucht weiter.
Der Verlag bringt die [9][2015 erschienenen, farbig illustrierten Ausgaben]
von diesem Samstag an in neuer Fassung heraus. Neben dieser Neuausgabe
sollen die Originalausgaben mit den ursprünglichen schwarz-weißen
Original-Illustrationen aber unverändert lieferbar bleiben, betont die
Verlagssprecherin. Diese sollen aber künftig um ein einordnendes Nachwort
ergänzt werden.
## Michael Ende und die NS-Zeit
In seiner Jim-Knopf-Reihe erzählt Michael Ende von der Freundschaft
zwischen dem weißen Lokomotivführer Lukas und dem schwarzen Findelkind Jim
Knopf. Das diskriminierende N-Wort hatte Michael Ende laut Verlag bewusst
nur der Figur des Herrn Ärmel in den Mund gelegt, „um auf die fehlende
Weltoffenheit dieses typischen Untertans hinzuweisen“. Doch auch dieser
distanzierte Gebrauch könne heute als diskriminierend gewertet werden, so
der Verlag.
Das gelte auch für die gedankliche Verbindung von schwarzer und schmutziger
Haut. Der Autor habe dies als „Stilmittel“ eingesetzt, um die persönliche
Verbindung zwischen Jim Knopf und dem Lokomotivführer Lukas zu betonen,
schreibt der Verlag. Eine rassistische und diskriminierende Absicht sei
Michael Ende fern gewesen, betont sein Verlag: Der Autor habe seine
Geschichten damals als „ein Gegenbild zur nationalsozialistischen Ideologie
gezeichnet, mit der er in seiner Jugend selbst konfrontiert war“.
Der 1929 geborene Michael Ende hatte die Nazi-Zeit als Kind in München noch
bewusst miterlebt. Sein Vater Edgar Ende (1901 – 1965) war ein
surrealistischer Maler, dessen Werke von der NS-Reichskulturkammer als
„entartete Kunst“ eingestuft wurden. Der 15-jährige Michael Ende schloss
sich kurz vor Kriegsende einer Gruppe an, die eine Kapitulation der
Deutschen anstrebte. Mit seinen Büchern hat er das Nachkriegsdeutschland
geprägt.
23 Feb 2024
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## AUTOREN
Daniel Bax
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