# taz.de -- Ecovillage-Projekt in Hannover: Das Ökodorf geht den Bach runter | |
> Überall liegen Neubauprojekte auf Eis. Jetzt hat es auch eines der | |
> ambitioniertesten Öko-Bauvorhaben erwischt. Ecovillage Hannover ist | |
> insolvent. | |
Bild: Hätte schön werden können: die „Allmende“ im Ecovillage | |
HANNOVER taz | Der Traum ist aus: Das Ecovillage Hannover ist endgültig | |
gescheitert. Das Projekt war ambitioniert: Eine ganze Siedlung sollte da am | |
Rande Hannovers entstehen, nahe am schon bestehenden Stadtteil Kronsberg | |
aus Expo-Zeiten, hinter dem gerade das riesige Neubauviertel Kronsrode | |
entsteht. | |
500 Wohnungen hätten hier entstehen sollen, konsequent ausgerichtet auf | |
Nachhaltigkeit, ökologisch, klimagerecht, sozial und inklusiv, geplant und | |
verwaltet von einer basisdemokratisch organisierten Genossenschaft. Ein | |
Ökodorf und eine Gemeinschaft, allerdings mit Stadtbahnanschluss und | |
urbanem Flair. | |
Dabei kann sich dieses Projekt nicht über mangelnde öffentliche | |
Unterstützung beklagen: Es gab Förderzusagen von der Kreditanstalt für | |
Wiederaufbau (KfW) und der niedersächsischen N-Bank, ausgesprochen günstige | |
Konditionen für den Grundstückskauf seitens der Stadt, viel Aufmerksamkeit | |
und Lob und Vorschusslorbeeren von allen Seiten. | |
Zum Spatenstich für den ersten Bauabschnitt rückte gar Ministerpräsident | |
Stephan Weil (SPD) an. Es ist ja auch nicht so, dass sich hier bloß ein | |
paar versponnene Ökos zusammengefunden hätten, die nicht so gut rechnen | |
können. 900 Genossenschaftsmitglieder waren es zuletzt, davon 800 | |
Erwachsene, der Rest Kinder. | |
## Ausgerechnet die GLS-Bank | |
Eine breite Mischung quer durch alle Altersgruppen und wirtschaftlichen | |
Lebenslagen. Als Vorstandssprecher fungiert Gerd Nord, Diplom-Ingenieur und | |
Architekt mit langer, auch internationaler Erfahrung, als | |
Aufsichtsratsvorsitzender Hannovers langjähriger grüner Umweltdezernent | |
Hans Mönninghoff, der nicht nur politisch bestens vernetzt ist, sondern | |
sich auch im Dschungel der Förderkulissen zurecht findet. | |
Bis zuletzt kämpften sie darum, noch irgendwo einen Rettungsanker aufzutun, | |
vergebens. Das Genick brach dem Projekt wohl vor allem die [1][aktuelle | |
Marktentwicklung. Hohe Zinsen und dramatisch gestiegene Baukosten] bringen | |
gerade viele Unternehmen dazu, ihre Neubauprojekte auf Eis zu legen. | |
Aus Sicht des Ecovillage spielt dabei ausgerechnet die | |
gemeinwohlorientierte GLS-Bank eine unrühmliche Rolle. Sie habe im | |
vergangenen Sommer ihre Kreditzusage zurückgezogen und damit für eine | |
Finanzierungslücke von etwas weniger als drei Millionen Euro gesorgt. | |
Für Ecovillage war vor allem das Timing eine Katastrophe, sagt | |
Vorstandssprecher Nord. Die GLS-Bank habe sich für ihre abschließende | |
Prüfung sehr viel Zeit gelassen. „Wenn uns das zu einem früheren Zeitpunkt | |
mitgeteilt worden wäre, hätten wir das kompensieren können.“ | |
Die GLS-Bank sieht das ganz anders: Man habe von Anfang an, schon im Jahr | |
2020, auf Bedenken hingewiesen. Eine feste Kreditzusage habe es nie | |
gegeben, deshalb könne von zurückziehen auch nicht die Rede sein. Vielmehr | |
hätte man den Förderbescheid der NBank abwarten müssen, der erst im zweiten | |
Quartal 2023 vorlag – und erst dann mit der Prüfung beginnen können. | |
„Der anschließende Prüfungsprozess erfolgte in der üblichen Zeit“, betont | |
eine Sprecherin. Dass die anderen Banken an diesem Punkt schneller waren, | |
erklärt die GLS-Bank damit, das man eben auch andere Risikoparameter habe | |
als andere Banken – und durch die Expertise im Bereich der Neugründung von | |
Genossenschaften auch eine andere Perspektive auf solche Kreditprojekte. | |
„Im Fokus steht für uns der Schutz unserer GLS Bank Mitglieder, aber auch | |
der Schutz der ecovillage-Genossenschaftsmitglieder.“ | |
## Landeswohnungsbaugesellschaft rettet Projekt nicht | |
Immerhin hatte man geglaubt, die Finanzierung in trockenen Tüchern zu | |
haben: 48 Millionen für den ersten Bauabschnitt, in dem 160 Wohnungen | |
entstehen sollten. Die Förderbescheide von der KfW und der N-Bank lagen | |
endlich vor, zwei weitere Banken – die DKB und die Volksbank – stellten | |
Kredite bereit. | |
Bei der Abwicklung dieser Art der Förderung ist man immer auf | |
Geschäftsbanken angewiesen, wie Nord erläutert. Die Förderbanken zahlen ja | |
nicht direkt aus. Allerdings ist dieses Geschäft für die privaten Banken | |
dank der Hochzinsphase nun vollends unattraktiv geworden. | |
Nach der Absage der GLS sprangen auch die anderen Banken ab. Ecovillage | |
musste Insolvenz anmelden. Die trat die Genossenschaft erst einmal in | |
Eigenregie an, um noch ein paar letzte Rettungsversuche zu starten. | |
Zuerst versuchte man bei der etablierten Wohnungsbaugenossenschaft Ostland | |
unterzukommen. Die hatte zunächst durchaus Interesse bekundet. Immerhin | |
erschien das Paket nicht so unattraktiv: ein wertvolles, schon | |
erschlossenes Baugrundstück inklusive Planungen und Baugenehmigungen auf | |
dem Silbertablett, ein prestigeträchtiges Neubauprojekt, ein deutlicher | |
Mitgliederzuwachs. | |
Letztlich – so [2][erklärte es der Ostland-Vorstand gegenüber der | |
Hannoverschen Allgemeinen Zeitung] – erschien die Integration in die | |
bestehenden Strukturen aber zu schwierig. Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft | |
zwischen alten und neuen Ostland-Genossen hätte da gedroht. | |
Möglicherweise sei man aber auch vor den schwer zu kalkulierenden | |
Baukostensteigerungen zurückgeschreckt, wird im Ecovillage-Umfeld vermutet. | |
Damit hatte auch schon die GLS-Bank argumentiert. | |
Letzter Rettungsanker war dann die Landeswohnungsbaugesellschaft. Doch auch | |
hier wurden die Ecovillager enttäuscht. Es gab zwar eine Reihe von | |
Gesprächen mit dem zuständigen Wirtschaftsministerium, [3][doch letztlich | |
ist die gerade erst gegründete Wohn-Raum Niedersachsen (WRN) noch gar nicht | |
handlungsfähig]. Erst im Mai soll es eine erste Ausschreibung geben, auf | |
die sich Ecovillage dann neben anderen Interessenten bewerben könnte. | |
## Bitter für die Engagierten | |
So lange hält die Genossenschaft aber nicht mehr durch. Jeden Monat werden | |
rund 34.000 Euro Bereitstellungszinsen für den schon gewährten KfW-Kredit | |
fällig. Und das Eigenkapital ist, trotz Crowdfunding-Kampagnen und | |
mehrfachen Aufstockungen, so gut wie aufgebraucht. Drei Millionen Euro | |
haben allein die Planungen verschlungen. | |
Bitter ist das vor allem für die Menschen, die viel Geld, Zeit und Energie | |
investiert haben. Denn Ecovillage war ja von Anfang an mehr als irgendein | |
Bauprojekt. Es sollte eine Gemeinschaft entstehen. | |
Viele haben ihre Ersparnisse investiert, sind teilweise sogar schon einmal | |
in die Nähe gezogen, haben sich fünf Jahre lang in Arbeitsgemeinschaften | |
engagiert, unzählige Debatten und Abstimmungsrunden mitgemacht. Das sie | |
etwas von ihrem Geld wiedersehen, ist eher unwahrscheinlich. | |
Ein Insolvenzverwalter muss nun prüfen, was zu verwerten ist. Das | |
Grundstück sicherlich, möglicherweise Teile der Planungen, das schon | |
entstandene Musterhaus und ein Tiny House. Mit dem Erlös werden allerdings | |
erst einmal die großen Gläubiger bedient, die Genossenschaftsmitglieder | |
stehen als Miteigentümer ganz hinten an. | |
Transparenzhinweis: Die Stellungnahme der GLS-Bank wurde nachträglich in | |
den Text eingearbeitet. Sie erreichte uns aufgrund eines Fehlers | |
unsererseits erst nach dem Redaktionsschluss der Printausgabe. | |
2 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Wohnungsmarkt-in-der-Krise/!5955018 | |
[2] https://www.haz.de/lokales/hannover/hannover-ostland-sagt-ab-oekosiedlung-e… | |
[3] /Landtagswahl-Niedersachsen/!5886100 | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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