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# taz.de -- Großbritanniens Opposition und Israel: Labour hat sich verknotet
> Labour entzieht einem Parlamentskandidaten die Unterstützung, weil er
> Israel die Schuld am Hamas-Massaker gab. Nun will ein linker Populist
> punkten.
Bild: Der umstrittene Labour-Kandidat Azhar Ali, hier am 7. Februar im Wahlkampf
London taz | Wenn Linkspopulist [1][George Galloway] für das britische
Parlament kandidiert, bedeutet das normalerweise, dass für den 69-jährigen
ehemaligen schottischen Labour-Abgeordneten, der sich gerne als Sprachrohr
britischer Muslime ausgibt, etwas zu holen ist. Oft ist es der Irakkrieg,
der Nahostkonflikt oder sind es Kontroversen über den britischen Islam. Nun
kandidiert Galloway bei der [2][Nachwahl am 29. Februar im nordenglischen
Rochdale] für seine „Workers Party“ und verkündet, er rechne mit einem
Erdrutschsieg.
Die Nachwahl findet statt, weil der bisherige Labour-Abgeordnete Tony Lloyd
einem Krebsleiden erlag. Normalerweise wäre ein Labour-Sieg in der alten
Industriestadt Rochdale eine Formsache. Aber am Montagabend entzog Labour
ihrem Nachfolgekandidaten Azhar Ali die Unterstützung.
Ali, ein ehemaliger Gemeinderat, hatte nach [3][Berichten des konservativen
Mail on Sunday] öffentlich behauptet, Israel habe die Hamas-Massaker am 7.
Oktober 2023 selbst initiiert, um einen Grund für den Angriff auf Gaza zu
haben. Nach dem Zeitungsbericht entschuldigte sich Ali, am Montagmorgen
wurde er sogar von der Labourführung verteidigt. Seine Bemerkungen seien
lediglich untypisch, sagte Schattenminister Nick Thomas-Symonds.
Aber das stieß auf Verwunderung, hat doch Parteichef Keir Starmer eine
Politik der Null-Toleranz gegenüber Antisemitismus ausgerufen und unter
anderem Ex-Labourchef Jeremy Corbyn und die schwarzen Abgeordneten Diane
Abbott und Kate Osamor deswegen aus der Parlamentsfraktion geworfen.
## Frist verpasst
Am Montagabend kam der Rückzieher. Azhar Ali werde nicht mehr als
Labourkandidat in Rochdale unterstützt, erklärte die Parteiführung. Das
Problem damit: Labour kann ihn nicht mehr zurückziehen, die Frist dafür ist
abgelaufen. Das bedeutet, dass Ali sich trotzdem für Labour wählen lassen
kann, aber dann nicht für Labour im Parlament sitzt.
Azhar Ali ist nicht der Einzige in dieser Situation. Auch [4][der
Grünen-Kandidat in Rochdale, Guy Otten], genießt nicht mehr die
Unterstützung seiner Partei, nachdem in den sozialen Medien Aussagen von
ihm entdeckt worden waren, die extrem islamfeindlich waren.
Obendrein steht ein früherer Labour-Abgeordneter zur Wahl: [5][Simon
Danczuk], der 2015 aus der Fraktion geworfen wurde, weil er
sexuell-explizite Nachrichten mit einer 17 Jahre alten Minderjährigen
ausgetauscht hatte. Das hatte für ihn keine strafrechtlichen Konsequenzen,
nur politische. Inzwischen ist er nicht nur mit seiner aus Ruanda
stammenden dritten Frau verheiratet, sondern kandidiert in Rochdale für die
rechtspopulistische Reform UK, die von Nigel Farage gegründete
Nachfolgepartei der Brexit Party.
Es ist schwer zu sagen, wer die Nachwahl am 29. Februar gewinnen wird. Doch
Labours Glaubwürdigkeit ist angekratzt. Erst vorige Woche nahm Labour ein
zentrales Wahlversprechen zurück: das Vorhaben, bei einer
Regierungsübernahme jährlich 28 Milliarden Pfund (33 Millarden Euro) in
staatliche Klimainvestitionen zu stecken. Unter Muslimen hat zudem Labours
Ansehen durch Keir Starmers anfängliche Unterstützung Israels gelitten. Es
gab [6][zahlreiche Austritte], in Burnley nahe Rochdale verließ die
Mehrheit der Labourgemeinderäte die Partei.
In Rochdale versucht nun George Galloway, die Muslime – ein Sechstel der
Wählerschaft dort – mit Palästina-Solidarität auf sozialen Medien zu
beeindrucken. Seine Wahlkampfaufkleber haben die palästinensische Fahne als
Hintergrund, er plädiert für ein Ende des Zionismus, und auf seinem Flyer
steht „Free Palestine“, als ginge es in Rochdale einzig darum. In einem
Video verlautet Galloway, Labour habe unter Tony Blair eine Million Irakis
ermordet und kollaboriere jetzt bei der Ermordung von zwei Millionen
Palästinenser:innen.
Mit solchen Sprüchen hat Galloway schon zweimal Parlamentssitze gewonnen,
2012 in Bradford West und 2005 im Ostlondoner Stadtteile Bethnal Green.
Keiner der Wahlkreise wählte ihn danach wieder.
13 Feb 2024
## LINKS
[1] https://twitter.com/georgegalloway
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/2024_Rochdale_by-election
[3] https://www.dailymail.co.uk/news/article-13069671/Outrage-Labour-candidate-…
[4] https://www.rochdaleonline.co.uk/news-features/2/news-headlines/155089/roch…
[5] https://twitter.com/SimonDanczuk
[6] /Nahost-Debatte-in-Grossbritannien/!5973441
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
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Großbritannien
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