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# taz.de -- Nachwahl im Vereinigten Königreich: Gaza-Populist siegt
> George Galloway gewinnt bei einer Nachwahl den Parlamentssitz von
> Rochdale. Danach vergleicht er sich mit Winston Churchill.
Bild: Der Kandidat George Galloway, Vorsitzender der Workers Party of Britain, …
London taz | „Keir Starmer, das ist für Gaza“, mit dieser Attacke gegen den
Labourchef Keir Starmer begann der 69-jährige George Galloway seine
Siegesansprache. Am frühen Morgen waren die Ergebnisse der Nachwahl im
nordenglischen Rochdale da. Galloway wählten 12.335, was 39,7 Prozent der
abgegebenen Stimmen entspricht. Er zieht nun für Rochdale ins Parlament.
Der bisherige Labourabgeordnete in Rochdale, Tony Lloyd, war an Krebs
gestorben. Galloway war bis zu seinem Austritt 2004 schottischer
Labourabgeordneter in Glasgow. Sein Sieg ist der dritte seit 2012, den er
mit einer von ihm selbst gegründeten Partei in einer Gegend mit hohem
muslimischen Bevölkerungsanteil und politischen Aussagen bezüglich Kriegen
im Nahen und Mittleren Osten gewann.
Mit schwarzem Feorahut, Anzug und Krawatte bekleidet, verglich sich der
Linkspopulist Galloway am Freitagmorgen mit keinem geringeren als Winston
Churchill. In seiner zehnminütigen Ansprache verkündete er zudem, sein Sieg
sei der Beginn einer Bewegung gegen die Labourpartei, welche das Vertrauen
muslimischer Wähler:innen verloren habe.
Sicherlich hilfreich für Galloway war, dass die Labourpartei vor zwei
Wochen ihren [1][Kandidaten in Rochdale, Azhar Ali, fallen ließ]. Ali hatte
sich im Zusammenhang mit dem Massaker der Hamas auf israelische Zivilisten
am 7. Oktober antisemitisch geäußert. Dadurch hatte er das Vertrauen seiner
Partei verloren. Das dabei entstehende politische Vakuum konnte Galloway
für sich nutzen.
## Angeblich Angriffe auf Reform UK-Kandidaten
Ein großer [2][Teil seines Wahlkampfmaterials zeigte die palästinensische
Fahne] als Hintergrund, und viele muslimische Besitzer:innen zeigten
sie in den Schaufenstern ihrer Geschäfte in Rochdale. Galloways Sieg wird
somit vor allem der Unterstützung den knapp 19 Prozent muslimischer
Bevölkerung in Rochdale zugeschrieben.
Inmitten seiner Ansprache wurde Galloway von einer Klimaaktivistin
unterbrochen, die ihm vorwarf, er unterstütze Gas- und Ölförderung in der
Nordsee. Die Anhänger:innen des Populisten skandierten daraufhin
„Galloway, Galloway“ vermischt mit „Go Away! (Geh weg!)“. Durch das
Eingreifen des Sicherheitspersonals kam Galloway dann wieder zu Wort.
Als Ziele nannte er neben seinem Einsatz für Gaza die Sanierung des
Glockenturms Rochdales, die Wiederetablierung des Fußballvereins, aber auch
den Einsatz für Schwangerschafts- und Geburtsdienste. Zudem sprach er über
das Fehlen von Polizeizellen „für Schurken“, und merkte dabei an, dass der
Kandidat der rechten Reform UK Partei, Simon Danczuk, wohl froh über diesen
Mangel sei. Was genau er mit dieser Anspielung über seinen Konkurrenten
meinte, ließ er offen.
Danczuk war ebenfalls einst Labourmitglied und als solches der Abgeordnete
Rochdales. Während des Wahlkampfs soll er Todesdrohungen und rassistischen
Angriffen ausgesetzt gewesen sein, wie der Co-Parteichef von Reform UK,
Richard Tice, auf der Plattform X verkündete. Er behauptete zudem, die Wahl
sei nicht frei und fair gewesen, Danczuk sei der Auftritt bei einem
Wahlpodium verwehrt worden.
Zu Danczuks Schutz sei dieser gezwungen gewesen, seinen Aufenthaltsort zu
ändern. Unterstützer:innen seien ebenfalls bedroht werden. [3][Nigel
Farage, Mitgründer der Partei, gab auf X] an, Tice habe
Unterstützer:innen der Partei gebeten, der Verkündung des
Wahlergebnisses in Rochdale aus Sicherheitsgründen fernzubleiben. Danczuk
bekam bei der Wahl in Rochdale 1.968 Stimmen und wurde damit Fünfter.
## Galloways Sieg sorgt für Beunruhigung
Laut Galloway habe ihn Tice gebeten, für Reform UK zu kandidieren. In
Interviews behauptet der Populist, Textnachrichten zu besitzen, die das
belegen.
Die britische [4][Organisation „Campaign Against Antisemitism“] verkündete,
Galloways Sieg beunruhige sie. Verschiedene Beispiele aufzählend, habe
Galloway eine scheußliche Vergangenheit der Hetzte gegen die jüdische
Bevölkerung.
Trotzdem sank durch Galloways Kandidatur offenbar auch die Chance des
unabhängigen Kandidaten aus Rochdale. David Tully, dessen Familie in
Rochdale seit Generationen Fahrzeuge repariert und der sich dafür
einsetzten wollte, der Stadt wieder einen guten Ruf zu geben, kam mit 6.628
Stimmen auf 21,3 Prozent und landete damit an zweiter Stelle.
Dies entging auch Galloway nicht. Sein eigener Sieg und das gute Ergebnis
Tullys seien eine Absage an Labour und die Tories.
1 Mar 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Antisemitismus
Labour Party
Wahlen in Großbritannien
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Schwerpunkt Rassismus
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Schwerpunkt Brexit
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