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# taz.de -- Prügelattacke auf Studenten in Berlin: Hände weg von der Wanne
> Schnell mal auf Verdacht exmatrikulieren? Die Debatte, die vom Angriff
> auf einen Studenten der Freien Universität ausgelöst wurde, hat ein
> groteskes Maß angenommen.
Bild: Sollen die Unis künftig politisch entscheiden können, wer an ihnen stud…
Die Prügelattacke auf den Studenten Lahav Shapira ist – was sonst – ein
Verbrechen. Niemand hat das Recht, einen anderen gewaltsam anzugreifen, zu
schlagen, zu treten, seine Gesundheit zu schädigen oder sein Leben zu
gefährden. Das ist ein Fakt. Es gibt Gesetze, aufgrund derer so etwas
bestraft wird. Und das ist gut so.
Die [1][politische Debatte, die der Vorfall in den vergangenen Tagen
ausgelöst hat], ist dagegen grotesk. Auf einmal überstürzen sich
PolitikerInnen von AfD bis Grünen und Medien dies- und jenseits der
Rudi-Dutschke-Straße mit Forderungen, der mutmaßliche Täter müsse nicht nur
juristisch zur Verantwortung gezogen, sondern gleich auch noch von der
Freien Universität geworfen werden – weil er ebenso wie sein Opfer dort
studiert.
So etwas ist, nüchtern betrachtet, nichts anderes als Stammtischgerede à la
„Wegsperren für immer“, eine von einem früheren Bundeskanzler in einem
anderen Zusammenhang popularisierte Parole. So verurteilenswert der Angriff
ist, um den es hier geht, so dünn scheint bei vielen plötzlich die
Verwurzelung in rechtsstaatlichem Denken zu sein.
Es fängt damit an, dass man sich nach Ansicht all der prominent Meinenden
gar nicht mehr die Mühe machen muss, etwaige Ermittlungen der zuständigen
Behörden abzuwarten. Schlug der Täter tatsächlich einfach zu, weil der
Kommilitone Jude ist, wie Zentralratspräsident Joseph Schuster zu wissen
glaubt? Vielmehr spricht dafür, dass der aufgeheizte politische Streit über
den Gaza-Krieg der Hintergrund ist.
Das legitimiert die Attacke nicht, und eine antisemitische Einstellung des
Täters ist im Übrigen auch nicht ausgeschlossen. Aber das zu beurteilen,
ist jetzt die Aufgabe von niemand anderem als der Staatsanwaltschaft.
## Politische Feigheit?
Viel schwerer wiegen in der aktuellen Diskussion die Attacken auf die
FU-Leitung, der jetzt leichtfertig politische Feigheit vorgeworfen wird,
und die im Grunde aufgefordert wird, in einem Akt politischer
Selbstermächtigung den Schläger freihändig zu exmaktrikulieren. Wobei sich
die Tat nicht einmal in Campusnähe zugetragen hat.
Die Forderung ist schlicht haarsträubend. Täte die Uni das, beginge sie den
reinsten Willkürakt. Zumal, und das ist der bedenklichste Aspekt des
Ganzen, selbst das nun wieder (als erstes übrigens von AfD) ausgegrabene
Hochschul-Ordnungsrecht aus gutem Grund eingestampft wurde. Gerade in
Zeiten eines massiven Abgleitens nach Rechts wäre fraglich, wie weit die
Möglichkeit von Exmatrikulationen aufgrund politisch motivierter Gewalt, an
der Uni oder irgendwo anders, einmal ausgedehnt werden könnte.
Man muss der SPD-Wissenschaftssenatorin für ihre eigentlich
selbstverständliche Haltung dankbar sein, hier zu bremsen und auch auf das
Grundrecht der freien Berufswahl hinzuweisen. Ebenso der FU-Leitung, die
[2][im Zusammenhang des größeren Konflikts] auf andere
Selbstverständlichkeiten hinweist, etwa dass die Universität auch ein Ort
der Auseinandersetzung ist, wo politische Meinungsäußerungen oder
Demonstrationen nicht umgehend mit polizeilicher Hilfe erstickt werden.
Dass die Universität eine aktive Rolle spielen muss, wenn es um die
Verhinderung eindeutig antisemitischer oder anderer menschenfeindlicher
Äußerungen und Handlungen auf dem Campus geht: völlig klar. Dass sie ein –
zeitlich beschränktes – Hausverbot gegen den Täter im vorliegenden Fall
ausspricht, wenn der Sachverhalt aufgeklärt ist: ebenso klar. Alles Weitere
wäre das berühmte Ausschütten des Kindes mit dem Bade, wobei aktuell schon
viel zu viele die Hand an der Wanne haben.
10 Feb 2024
## LINKS
[1] /Antisemitismus-an-der-FU-Berlin/!5987400
[2] /Pro-palaestina-Demos-an-der-FU/!5987586
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Wochenkommentar
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Freie Universität Berlin
Antisemitismus
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