# taz.de -- Vorstandsmitglied über Landesfrauenrat: „Wir haben noch viele Ba… | |
> Seit 75 Jahren gibt es den Landesfrauenrat Hamburg. Christina Maria Huber | |
> über Erfolge, Konflikte und warum es die Kategorie „Frau“ noch braucht. | |
Bild: Auch in der Hamburger Bürgerschaft gibt es noch keine Parität. Hier ein… | |
taz: Braucht es politisch die Kategorie „Frau“ heute überhaupt noch, Frau | |
Huber? | |
Christina Maria Huber: Ja, wir brauchen sie meiner Meinung nach, damit wir | |
sie abschaffen können. Das Ziel ist es natürlich, dass es keine | |
Unterschiede zwischen den Geschlechtern mehr gibt und wir deshalb auch | |
nicht mehr über sie reden müssen. Aber da sind wir leider noch nicht. Wenn | |
wir in der Politik schon jetzt auf die Kategorie „Frau“ verzichten, können | |
wir Diskriminierung nicht mehr sichtbar machen. | |
Wo findet diese Diskriminierung heute statt? | |
Mittlerweile stehen wir gesetzlich natürlich deutlich besser da als noch | |
vor 75 Jahren. Aber wir haben noch immer sehr viele Baustellen. Dazu gehört | |
zum Beispiel eine große Lücke in der Frauengesundheitsforschung, ungleiche | |
Aufteilung von Fürsorgearbeit – und Gewalt gegen Frauen. Und noch immer ist | |
die Hamburger Bürgerschaft nicht paritätisch besetzt und Frauen verdienen | |
hier im Schnitt 21 Prozent weniger. | |
Was wollen Sie da als erstes angehen? | |
Als Dachverband können wir natürlich viele Themen abdecken. Für 2024 haben | |
wir aber inhaltlich zwei Projekte im Fokus. [1][Bei dem einen geht es um | |
gendersensible Sprache]. Der Diskurs darum öffnet momentan viele Türen nach | |
rechts. Da wollen wir gegenhalten und uns für eine inklusive Sprache stark | |
machen. Das zweite sind feministische Mobilitätsprojekte, die wir in | |
Hamburg vorantreiben wollen. | |
Was kann man sich darunter vorstellen? | |
Unser öffentlicher Nahverkehr ist zum Beispiel sehr stark drauf | |
ausgerichtet, dass Menschen vom Stadtrand zur Arbeit in die Stadt kommen. | |
Das sind mehrheitlich Männer. Frauen, die mehr Fürsorgearbeit übernehmen, | |
müssen aber noch zur Kita, zum Einkaufen oder zur Oma. Darauf sind unsere | |
Mobilitätskonzepte nicht ausgerichtet und das wollen wir ändern. | |
Ihre Mitgliedsverbände haben ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Wie | |
schafft man es, da zusammenzuarbeiten? | |
Wir haben alle einen gemeinsamen Nenner: [2][Wir wollen Gleichberechtigung] | |
und Selbstbestimmung für alle Geschlechter. Aber natürlich gibt es | |
unterschiedliche Vorstellungen davon, wie das aussieht. Wir treffen uns | |
einmal im Monat mit allen Mitgliedern und versuchen, gemeinsame Positionen | |
auszuloten. Im Zweifel müssen wir aber auch aushalten, dass es die nicht | |
gibt. | |
Bei welchen Themen gibt es intern Konflikte? | |
Wie in vielen feministischen Verbänden ist die Debatte ums Kopftuchverbot | |
und die Frage, wie man politisch mit Sexarbeit umgeht, bei uns besonders | |
heikel. Auch das Selbstbestimmungsgesetz hat Kontroversen ausgelöst. | |
Gibt es deshalb keine Mitgliedervereine, die Interessen von trans Frauen | |
vertreten? | |
In der Vergangenheit gab es tatsächlich wenig Bemühungen, [3][Vereine für | |
trans Frauen] anzuwerben. Ich persönlich fände es sehr wichtig, dass sich | |
das ändert: Jede Perspektive, die unseren Blick für verschiedene | |
Lebensrealitäten schärft, ist ein Gewinn. Zur Wahrheit gehört aber auch: In | |
der Mitgliederschaft gibt es dazu keine Einigkeit. Und auch wenn der | |
Vorstand eine klare Meinung hat, kann er sich nicht über seine Mitglieder | |
hinwegsetzen. | |
Was waren in den vergangenen Jahrzehnten Erfolge des Landesfrauenrats? | |
Ein großer Erfolg war, als Hamburg 1979 Eva Rühmkorf als die erste | |
Gleichstellungsbeauftragte benannt hat. Da war die Stadt deutschlandweit | |
Vorreiter. Auch das erste gleichstellungspolitische Rahmenprogramm 2013 | |
haben wir eng begleitet. Das soll sicherstellen, dass | |
gleichstellungspolitische Fragen von allen Behörden mitgedacht werden. | |
Seit wann gibt es in Hamburg überhaupt Zusammenschlüsse von Frauenvereinen? | |
1916 hat sich der Stadtbund Hamburgischer Frauenvereine gegründet, damals | |
schon mit 46 Mitgliedervereinen. Dort waren auch bekannte Aktivistinnen wie | |
Helene Lange und Emmy Beckmann aktiv. Mit der Machtübernahme der | |
Nationalsozialist*innen 1933 hat sich der Bund allerdings selbst | |
aufgelöst. | |
Wie ging es nach dem Zweiten Weltkrieg weiter? | |
1949 haben wir uns neu gegründet, also im gleichen Jahr, in dem das | |
Grundgesetz verabschiedet wurde. Das heißt, auch die Gleichstellung von | |
Männern und Frauen war in der Verfassung festgeschrieben. Das ist ein | |
wichtiger Teil unserer DNA: Wir pochen seit 75 Jahren immer wieder auf die | |
tatsächliche Umsetzung von Artikel drei. Dafür sind wir immer im Austausch | |
mit Politik und Verwaltung. | |
Welche Themen waren zu Gründungszeiten des Landesfrauenrats in Hamburg | |
wichtig? | |
Hamburg war schon immer eine reiche Stadt, anfänglich ging es deshalb viel | |
um die wirtschaftliche Stellung der Frau. Die Probleme waren natürlich | |
andere als heute: Damals durften verheiratete Frauen kein eigenes Konto | |
haben. In Führungspositionen waren sie erst recht nicht. | |
Wie halten Sie Ihre 75-jährige Geschichte fest? | |
Dafür verwalten wir das „FrauenStadtArchiv“. Das wurde gegründet, um die | |
Geschichte der Hamburger Frauenbewegung zu dokumentieren und aufzuarbeiten. | |
Dazu gehören zum Beispiel Korrespondenz, Veranstaltungsprogramme von | |
Fachtagungen oder Fotos von Demonstrationen. Im Hamburgischen Staatsarchiv | |
gibt es leider keinen Schwerpunkt auf die Hamburger Frauenbewegung, da wäre | |
vieles verloren gegangen. | |
Glauben Sie, dass wir echte Gleichstellung erreichen können? | |
Wir müssen trotz einigen Rückwärtsbewegungen zumindest optimistisch sein, | |
dass wir etwas erreichen können. Ansonsten wäre das ein ziemlich trauriges | |
Ehrenamt. Vor allem, wenn ich mit jungen Menschen spreche, werde ich | |
hoffnungsvoll: Die gendern oft ganz selbstverständlich und gehen davon aus, | |
dass Frauen Führungspositionen übernehmen sollen. | |
Kommen wir dann in 75 weiteren Jahren ohne Landesfrauenrat aus? | |
Ich glaube nicht. Vielleicht [4][heißt unser Verein dann anders], | |
wahrscheinlich hat er andere Schwerpunkte. Aber eine wachsame | |
Zivilgesellschaft, die auf Gleichstellung achtet, wird es immer brauchen. | |
8 Mar 2024 | |
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[4] https://landesfrauenrat-hamburg.de/ | |
## AUTOREN | |
Anna Lindemann | |
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