| # taz.de -- Die Wahrheit: Kraft durch Freunde | |
| > Neue Opernpläne für den Grünen Hügel: Wagner soll in Bayreuth nur noch | |
| > von Antisemiten aufgeführt werden. | |
| Bild: Da läuft der Richard blau an: Bayreuth, hier im Juli 2014 | |
| Bei diesem Paukenschlag dreht sich Richard Wagner vor Wonne im Grabe um: | |
| „Ruhmreich und groß sein Name soll von dieser Erde nie vergehn“, schmettert | |
| Siegfried Tann. „Und genau deshalb werden seine Festspiele jetzt völlig neu | |
| aufgestellt.“ | |
| Ohne Menschen wie Tann läuft nichts auf dem Grünen Hügel, er ist einer der | |
| zahlungskräftigen „Gönner“ der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth. Tann | |
| unterstützt seit Jahren den Verein durch „bedeutende Spenden“ und hat sich | |
| noch keine „Götterdämmerung“ entgehen lassen. Nun aber sitze das Geld nic… | |
| mehr ganz so locker in der Portokasse. | |
| „Letztes Jahr sah man im,Ring' eklatante Lücken in den Saalreihen“, die | |
| Inszenierungen erinnerten nicht nur den bayerischen Ministerpräsidenten | |
| Markus Söder (CSU) an Drogenexzesse. „Es muss sich dringend etwas ändern“, | |
| sagt Tann, „am besten alles.“ Daher hätten sich die „Freunde Bayreuths�… | |
| einen radikalen Reformkurs verständigt, in enger Absprache mit Land und | |
| Bund. | |
| „Richard Wagner kann nur vor dem Hintergrund des Antisemitismus wirklich | |
| verstanden und genossen werden“, sagt Siegfried Tann, der eigentlich | |
| Tristan Häuser heißt, aber lieber anonym bleiben will. „Wagner war | |
| Antisemit, sein Aufsatz,Das Judenthum in der Musik' ist klar antisemitisch. | |
| Er hat den Antisemitismus in der Kunstwelt salonfähig gemacht. Deshalb | |
| werden künftig die Werke Wagners ausschließlich von Antisemiten und | |
| Antisemitinnen zur Aufführung gebracht.“ | |
| ## k.A. | |
| Das sei nur konsequent. Alles andere falle unter den Tatbestand der | |
| kulturellen Aneignung, und das könne niemand wollen, das sei gegen den | |
| Zeitgeist. „Wir setzen Wagner nicht mehr zusammenhanglos in Szene, im | |
| Gegenteil, wir kontextualisieren sein Werk. Wir lassen die betreffende | |
| Personengruppe nicht nur an der Aufführung mitwirken, sondern überlassen | |
| ihr sogar das ganze Feld. So dienen wir der Aufklärung und leisten einen | |
| wertvollen Beitrag für das, äh, spezielle Hochkulturverständnis dieses | |
| bedeutenden musikalischen Führers.“ | |
| Tann zitiert aus dem genannten Aufsatz. Darin hatte Wagner unter anderem | |
| geschrieben, „der Jude“ sei „unfähig, durch seine äußere Erscheinung, … | |
| Sprache, am allerwenigsten aber durch seinen Gesang, sich uns künstlerisch | |
| kundzugeben“. Er könne „nur nachsprechen“ oder „nachkünsteln“. „F… | |
| und unangenehm“ sei in seiner Sprechweise ein „zischender, schrillender, | |
| summsender und murksender Lautausdruck“. | |
| Siegfried Tann schüttelt den Kopf: „Dagegen ist eine Hakennase in einem | |
| Bild von Ruangrupa ja wohl ein Witz.“ Adolf Hitler habe Wagner verehrt und | |
| dessen Musik auf Parteitagen der NSDAP spielen lassen. „Hitler war – | |
| besonders hofiert von der damaligen Festspielleiterin Winifred Wagner – | |
| Dauergast in Bayreuth.“ Bis 1944 habe das Event „Kriegsfestspiele“ | |
| geheißen. An diese Tradition wolle man laut Tann nun „ohne | |
| Sensibilisierungslücken“ wieder anknüpfen. | |
| ## Gemurkse | |
| Man erstelle bereits Listen möglicher Ensemblemitglieder. „Eine neue | |
| Wagner-Truppe, wenn Sie so wollen.“ Das „Gemurkse“ in der Kulturszene beim | |
| Thema Gazakrieg sei „ein ermutigendes Zeichen, dass wir keine | |
| Schwierigkeiten haben werden, genügend Leute zusammenzutrommeln“. Tann | |
| lacht. „Zum Glück ist Parsifal nicht Schwarz, sonst müssten wir einen | |
| Schwarzen Antisemiten finden.“ Auf die verpflichtende Unterzeichnung einer | |
| Diskriminierungsklausel wolle man aber verzichten. „Lohengrin singt: Nie | |
| sollst du mich befragen! Solch ein Bekenntniszwang funktioniert nicht. Wir | |
| setzen auf die Freiheit der Gesinnung.“ | |
| Das gefällt Ministerpräsident Söder. Er schreibt im Netzwerk X: „Mein | |
| lieber Schwan! Das ist Bayreuths Antwort auf Berliner Wokeness.“ Bayerns | |
| Kunstminister Markus Blume (CSU) erkennt „ein mutiges Konzept, das | |
| aufzeigt, wie Bayreuth weiterhin weltweit Maßstäbe in der zeitgemäßen | |
| Auseinandersetzung mit dem Werk Richard Wagners setzen kann. So gehen wir | |
| mit einer zukunftsfähigen Vision das 150. Jubiläum der Festspiele im Jahr | |
| 2026 an.“ Und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagt: „Ganz toll. Ich bin | |
| ja ohnehin erst über den Antisemitismus zu Wagner gekommen.“ | |
| Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) legt wiederum Wert darauf, dass | |
| sich „auch bei den Besucherinnen und Besuchern die Realität unserer | |
| Gesellschaft stärker widerspiegelt“. Zu den prominenten Stammgästen zählte | |
| bislang etwa Ex-Kanzlerin Angela Merkel. „Die ist spätestens bei der | |
| Walküre eingenickt“, beklagt Tann, „mit so jemand gewinnt man keinen | |
| Sängerkrieg.“ Er ist zuversichtlich: „Richard Wagner wird endlich wieder | |
| das Publikum bekommen, das er verdient.“ | |
| ## KdF | |
| Der Förderverein habe sich nun in „Kraft durch Freunde“ umbenannt und werde | |
| künftig auch für den Kartenvorverkauf und die Gästeliste zuständig sein. | |
| „Wir setzen auf echte Alternativen, wenn Sie verstehen, was ich meine“, | |
| sagt Tann augenzwinkernd. Man denke etwa an Prominente aus der | |
| „prachtvollen Welt der hessischen Aristokratie“ (FAZ) wie Astrid Gräfin von | |
| Luxburg und ihren Gatten Rüdiger, die bei ihren Frankfurter „Tafelrunden“ | |
| gern nach den Rechten sähen. Rüdiger Graf von Luxburg sei Wagner-Kenner, er | |
| habe einen Teil seiner Doktorarbeit unter dem Titel „Richard Wagner. | |
| Konservativer Revolutionär und Anarch“ herausgegeben. Staatsministerin Roth | |
| erklärte, sie habe mit solchen Gästen kein Problem, das entspreche | |
| „protokollarischen Gepflogenheiten“. | |
| Festspielleiterin Katharina Wagner hat sich zu den Reformplänen noch nicht | |
| geäußert; ihr Vertrag läuft ohnehin 2025 aus. Sie hatte nur stets das | |
| Fehlen einer Marketingabteilung für Bayreuth beklagt. „Das ist doch kein | |
| Hexenwerk“, verkündete daraufhin der bayerische Wirtschaftsminister | |
| Aiwanger wie gewohnt elitenfeindlich, erdverbunden und historisch versiert. | |
| „Da druckt man einfach ein paar Flyer.“ | |
| Siegfried Tann ist da eher auf der Höhe der Zeit. Er präsentiert eine | |
| Instagram-Kampagne auf seinem Smartphone. Vor dem Schattenriss Richard | |
| Wagners sind Zitate aus seinen berühmten Opern zu sehen. Tann grinst: „Die | |
| meisten Likes hat der Chor aus ‚Lohengrin‘:,Sieg! Sieg! Sieg! Heil! Heil | |
| dir, Heil!' “ | |
| 19 Feb 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Tanja Kokoska | |
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