| # taz.de -- Wiederholungswahl in Berlin: Demokratischer Schrecken | |
| > Die Teilwiederholung der Bundestagswahl von 2021 in Berlin hat geklappt. | |
| > Ein Erfolg war sie in der politischen Wirklichkeit vor allem für die AfD. | |
| Bild: Berliner Demokratie-Experiment: nochmal wählen, so, als wäre es 2021 | |
| Es ist kaum zu glauben, aber Berlin hat es geschafft. Auf absehbare Zeit | |
| muss hier niemand mehr wählen gehen, seit am 11. Februar auch die | |
| Teilwiederholung der Bundestagswahl [1][mehr oder weniger reibungslos über | |
| die Bühne gegangen ist]. Fast zweieinhalb Jahre waren seit dem missglückten | |
| Versuch vergangen, gesetzeskonforme Wahlen zum Bundestag, zum | |
| Abgeordnetenhaus und für die Bezirksparlamente plus einen | |
| [2][Volksentscheid] abzuhalten. | |
| Aber was war das für eine Wahl, die etwa ein Fünftel der Berliner*innen | |
| da hatte? Zum einen war von vornherein klar, dass sie kaum etwas an der | |
| Sitzverteilung im Bundestag ändern würde. Zum anderen wurde überdeutlich, | |
| dass Wahlen eigentlich nicht wiederholbar sind – erst recht nicht nach so | |
| langer Zeit. Denn was ist nicht alles seit 2021 passiert? Russland hat die | |
| Ukraine überfallen, die Menschen ächzen unter der Inflation, es regiert | |
| eine rot-gelb-grüne „Fortschrittskoalition“, die immerzu streitet. Die | |
| Linkspartei hat sich gespalten, die AfD spürt Auf- und [3][seit der | |
| Correctiv-Recherche wieder mehr Gegenwind]. | |
| In dieser Gemengelage gleicht die teilweise Wahlwiederholung in Berlin | |
| einer nicht repräsentativen Umfrage, angesichts derer | |
| Meinungsforscher*innen nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen | |
| könnten: Auf kleinem Raum, in tendenziell großstädtischen Milieus und unter | |
| geringer Beteiligung wurden die Direktkandidat*innen und Listen von | |
| 2021 erneut zur Abstimmung gestellt. | |
| Daher ist es fast überraschend, dass die Ergebnisse dieser Wahl im Großen | |
| und Ganzen im Trend der vergangenen Monate liegen. Und genau deshalb ist | |
| es, trotz aller Einwände, eine lehrreiche Wahl. | |
| ## AfD verstörend erfolgreich | |
| Denn was sofort ins Auge springt, ist das verstörend erfolgreiche | |
| Abschneiden der AfD. Egal wo, ob in den ärmeren Randbezirken im Nordosten | |
| und Osten oder im bürgerlich-wohlhabenden Südwesten, die Rechtsextremen | |
| gewannen hinzu: leicht im Gesamtergebnis (1 Prozentpunkt mehr), deutlich im | |
| direkten Vergleich in den Wiederholungswahlbezirken (plus 6 Punkte) und, | |
| besonders erschreckend, als einzige Partei auch bei den absoluten Stimmen | |
| (circa 5.000 mehr), und das trotz wesentlich geringerer Wahlbeteiligung als | |
| im ersten Anlauf 2021. | |
| Vor allem auf der Ebene einzelner Stimmbezirke – etwa in den Ostberliner | |
| Ortsteilen Marzahn, Hellersdorf und Malchow – offenbart sich der Höhenflug | |
| der Rechtsextremen. Hier wurde die AfD stärkste Kraft, teils mit | |
| Zweitstimmenergebnissen von fast 40 Prozent. | |
| Aufschrecken lassen sollte aber auch das beachtliche Erststimmenergebnis | |
| der [4][terrorverdächtigen, inhaftierten AfD-Politikerin Birgit | |
| Malsack-Winkemann] in den beschaulichen Villenvierteln | |
| Steglitz-Zehlendorfs. Immerhin 1.000 Wähler*innen machten neben ihrem | |
| Namen am 12. Februar ein Kreuz, fast doppelt so viele wie noch vor | |
| zweieinhalb Jahren in den jeweiligen Stimmbezirken. | |
| Zerplatzt ist damit die Illusion, dass die bundesweiten Großdemonstrationen | |
| gegen rechts direkt Wirkung zeigen. Es gibt schlichtweg [5][einen | |
| tendenziell wachsenden Anteil in der Bevölkerung, der Nazimeinungen | |
| vertritt] und deshalb eine Nazipartei wählt. Das bedeutet natürlich nicht, | |
| dass der Kampf gegen die AfD aufgegeben werden sollte. Die | |
| Wiederholungswahl lehrt aber, dass weder Appelle an „die Politik“ noch | |
| Wahlen ausreichen werden, um rechte Positionen aus den Köpfen und | |
| Kandidaten aus den Parlamenten zu verdrängen. | |
| Damit die weiteren Wahlen in diesem Jahr nicht zu einem Durchmarsch | |
| rechtsextremer Parteien und Meinungen werden, gilt es nun, sich auf | |
| antifaschistische Tugenden zu besinnen: aufklären, blockieren, ausgrenzen. | |
| 17 Feb 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Hanno Fleckenstein | |
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