Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Irrer Schlüsseltausch
> Tagebuch einer Verwirrten: Ein Freund ruft an, ein Notfall, und eine
> Telefonkette der besonderen Art wird in Gang gesetzt – zumindest im Kopf.
Derzeit geht es in der Welt schrecklich zu, und was macht mein kleines
Hirn? Es verzweifelt am schieren Ausmaß des globalen Chaos und richtet im
Umgang mit allem, was außer Atmen und Schlafen Konzentration erfordert,
eigene Verheerungen an.
Gerade noch bin ich kurz davor, in einer Mail dem ehrwürdigen
Goethe-Institut, das unser schönes Kulturgut im Ausland präsentiert, die
Betrachtung meiner frisch digitalisierten „Furzfilme“ ans Herz zu legen,
als mich glücklicherweise der panische Anruf eines im Zug sitzenden
Freundes am unkorrigierten Versenden hindert. Sein Glätteisen – er hat gern
die Haare schön – wähnt er rotglühend in seiner Wohnung und das Haus, ach
was, den Kiez bereits in Flammen.
Ein Blick vom Balkon zeigt keine Rauchsäule, ich gebe Entwarnung und
erkläre mich auf sein besorgtes Flehen hin bereit, für zukünftige Fälle von
Verpeiltheit seinen Schlüssel zu hüten, wenn er im Gegenzug meinen nimmt.
Er kann ja nicht wissen, dass er die Meisterin der selbst verursachten
Katastrophen mit der Verhinderung seiner eigenen beauftragt, nicht umsonst
sind von meiner Wohnung mindestens zehn Schlüssel im Umlauf.
Ein beliebtes Gesprächsthema unter Freunden ist der denkwürdige
Sonntagmorgen, an dem ich zum Brunch verabredet war, aber aus
unerfindlichen Gründen glaubte, unbedingt noch ein Etikett von einem
Einmachglas ablösen zu müssen. Ich ließ Wasser in eine Schüssel laufen, und
dann klingelte es ungeduldig an der Wohnungstür, wo bleibst du denn, jaja,
ich komm ja schon …
Während wir die Brunch-Karte leer aßen, liefen meine Küche und das darunter
liegende Schlafzimmer des Nachbarn voll, wobei sich die Flut
freundlicherweise direkt in seine Matratze ergoss und alles andere
verschonte. Leider wollte er kein Wasserbett, über so was sei er hinaus,
beschied er mir altersweise bei meinem reuigen Beileidsbesuch.
Ich gab dem Freund zu bedenken, ich könne ja mal nicht zu Hause sein, wenn
er potenziell die Stadt abfackelt, worauf er eine Telefonkette anregte. Auf
seinen Anruf bei mir würde mein Anruf bei einer Freundin folgen, die
mithilfe meines bei ihr deponierten Schlüssels seinen holen könnte …
Ich versuchte, seinen enthusiastischen Ausführungen zu folgen, blieb aber
bei der Vorstellung hängen, dass die Freundin in meiner Wohnung irgendeine
Havarie entdeckt, den Notdienst benachrichtigt, seinen Schlüssel an den
Telefonkettennächsten übergibt, und in der unübersichtlichen Lage werden
beide Schlüssel vertauscht, was den nächsten Noteinsatz verhindert – mir
wird schwarz vor Augen …
Nach der Katastrophe verbannt man uns als Gefährder in eine geschlossene
Eishöhle in der Arktis, wo wir zur Strafe von Schmelzwasser und verendeten
Eisbärwelpen leben. Ich hoffe jetzt auf das Goethe-Institut, dass es, wenn
es soweit ist, trotzdem noch irgendwo auf der Welt meine Kurzfilme zeigt.
15 Feb 2024
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Tagebuch
Freunde
Katastrophe
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Schwerpunkt AfD
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Am Waschraumaltar
Tagebuch einer Chaosreisenden: Neuseeland ist voller Gegensätze, so sitzt
auf der Nordinsel der Blinker im Auto woanders als auf der Südinsel.
Die Wahrheit: Singapur pur
Tagebuch einer Weiterreisenden: Auf dem Weg nach Neuseeland Zwischenstopp
im Inselstaat, in dem Kaugummi-Wegwerfen hochgefährlich sein kann.
Die Wahrheit: Janumorduar
Tagebuch einer Katastrophista: Der erste Monat im Jahr ist grau, hässlich
und böse und bietet alle Gräuel der Welt inklusive überfrierender Nässe.
Die Wahrheit: Alles über Krähenkot
Tagebuch einer Kinobesucherin: Wenn nichts mehr hilft, hilft auch ein
Besuch im Lichtspielhaus nicht weiter. Besser, man sucht gute Freunde auf …
Die Wahrheit: Ommas Ding
Tagebuch einer Heimkehrerin: Zurück zu den wahren Kulturstätten im Köln der
Kindheit – wie einem scheppernden Schacht in die Vergangenheit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.