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# taz.de -- Die Wahrheit: Janumorduar
> Tagebuch einer Katastrophista: Der erste Monat im Jahr ist grau, hässlich
> und böse und bietet alle Gräuel der Welt inklusive überfrierender Nässe.
Bonnnn! Sollten Sie wie ich ein gewisses Alter erreicht haben, erinnern Sie
sich vermutlich, wie im vorigen Jahrhundert – selbstverständlich männliche
– „Tagesschau“-Sprecher die Nachrichten einleiteten. Zur Eröffnung des
Fernsehabends schlug der Name der Bundeshauptstadt wie ein faules
Überraschungsei meteoritengleich im Wohnzimmer ein. Um den Effekt zu
erzielen, müssen Sie nur mit geschlossenen Lippen die Backen blähen, dann
mit Druck auf dem Bo die Luft rausplatzen und am Ende das n mit
Grabesstimme nachhallen lassen. Wenn das nicht bedrohlich klingt, machen
Sie was falsch.
Trotz seiner provinziellen Lage entleerte sich aus Bonnnn allabendlich ein
gemischter Warenkorb globalen Unheils in meine Fernsehjugend; perfiderweise
lag der Ort inklusive meines freigiebig Impfungen verabreichenden
Kinderarztes gleich gegenüber auf der anderen Rheinseite. Beim Anblick
einer Fähre bekam ich feuchte Hände, da drüben wohnte das Grauen! Mit
meinem fortschreitenden Alter wurde aus Bonnnn wieder Bonn, ein betuliches
Städtchen, das nicht mehr die Heimat aller Schrecken war.
Dafür gibt es jetzt den Januar. Dieser Monat ist wie Mordor: grau,
hässlich, böse. Tagsüber liefert er alles, was die Welt schon lange an
Gräuel zu bieten hat, nachts produziert er teuflisch „überfrierende Nässe�…
Während sich Eis auf glatten Gehwegen und verdorrten Weihnachtsbäumen
schichtet, steigen in meinen Träumen die Pegelstände, die Deiche brechen,
und dazu sekundieren die Damen- und Herrenmenschen von der AfD und ähnliche
Freunde der Meinungsfreiheit: „Die Faaahne hoch! Die Galgen stellt
berei-eit!“
Beim Frühstück tönt mit der vergleichsweise harmlosen Ankündigung des
nächsten Bahnstreiks ein wenig Linderung aus dem Küchenradio, aber damit
ich nichts verpasse, übernimmt später im Bad das Transistorgerät, das mir
das Amt für Katastrophenschutz als Teil meiner Prepper-Ausrüstung empfahl.
Da ich Behördenmenschen, die mich derart fürsorglich warnen, grundsätzlich
nicht für übelwollende Gesellen halte, bin ich ihrem Rat gefolgt und höre
seitdem überall und jederzeit Katastrophenmeldungen.
Zwei Wochen nach Neujahr wurde es eines Morgens selbst dem Transistorradio
zu viel; es taumelte kurz unter dem Ansturm des Grauens und stürzte sich
vom Regal ins Klo. An dieser Stelle eine Rückmeldung an den
Katastrophenschutz: Nach seiner von kurzzeitiger Verstummung gefolgten
Rettung machte mein kleines Gerät trocken und tapfer weiter, auf
Batteriebetrieb ist eben Verlass.
Ich weiß nicht, welche Horrorszenarien ich währenddessen verpasst habe,
aber jemand plauderte zur Abwechslung über „Selbstwirksamkeit“, es schien
sich um etwas Gutes zu handeln. Ich nahm mir ein Beispiel und beschloss,
die eigenen Batterien mit meiner Mischung aus Abscheu und Lebensfreude
aufzuladen und dem Bösen in der Welt möglichst allgemeinwirksam zu trotzen.
18 Jan 2024
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Kolumne Die Wahrheit
Winter
Eis
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