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# taz.de -- „Leonce und Lena“ am Theater Osnabrück: Die stumme Frau ergrei…
> Die Osnabrücker Inszenierung von Büchners Lustspiel vertauscht die Texte
> der beiden Hauptfiguren. Das eröffnet den Spielraum für eine grandiose
> Lena.
Bild: Lena hält das Steuer, Leonce ist ängstlicher Beifahrer auf dem Trip nac…
Selten war Langeweile so schön: Ein Mix aus Kirsch-Lolli und Techno-Beats,
Bubble-Tea-Bechern und Glitzerkonfetti. [1][Georg Büchners] Lena, im
Theater Osnabrück eine überdrehte Rave-Luxusgöre von Prinzessin, hat
schließlich alles, womit sie sich die Zeit vertreiben kann. Doch so richtig
spaßig ist ihr Leben nicht: Ideen- und Antriebslosigkeit sind ihre Paten,
Melancholie und Rebellionslust deren Schatten.
Als Topping aller Genervtheit soll Lena – so will es ihr wunderbar
schluffig regierender Vater (Ronald Funke) – mit Prinz Leonce (Raphael
Akeel) verheiratet werden. Und so vergeht in der [2][„Leonce und
Lena“-Inszenierung] von Katharina Schmidt und Roman Konieczny eine zwar
hübsche, aber auch sehr bildhaft zerdehnte Stunde, bis die Protagonistin
nach Italien abhauen darf.
Denn eine arrangierte Ehe kommt bei aller Trägheit überhaupt nicht in
Frage. Dann doch lieber mal raus aus dem gähnenden Räkel-Dasein auf einen
Roadtrip, den sie mehr aus Versehen antritt – mit ihrem geduldigen Diener
Valerio (großartig: Oliver Meskendahl) samt zerknitterter Landkarte auf dem
Beifahrersitz. Moment, Lenas Diener Valerio? Gehört der in [3][Georg
Büchners Lustspiel von 1836] nicht eigentlich zu Leonce?
Ja, eigentlich. Doch in der Schmidt-Konieczny-Inszenierung spricht Lena die
Leonce-Texte, und Leonce die von Lena. Ein kluger Move des Regieduos, der
am Die-Liebe-findet-sich-eh-Verlauf des Stücks nichts ändert, aber der bei
Büchner weitgehend stummen Frauenfigur deutlich mehr Textanteil und
Spielräume gibt. Elegant dreht sich die Inszenierung so in eine
gender-offene Gegenwart und zeigt mit Lua Mariell Barros Heckmanns zudem
eine grandiose, herrlich coole, faule, launische und später hemmungslos
verliebte Lena.
## „Was machen wir jetzt?“
Eine, die allein und wild zu Techno tanzt, die die Scheinwerfer immer
wieder auf sich richtet und mit einem schnoddrigen „is’ vorbei!“ mit ihrer
Rosetta Schluss macht. Diese – dreifach verkörpert von Sascha Maria Icks,
Ronald Funke und Oliver Meskendahl – heult leise hinter ihrer schwarzen
Sonnenbrille, doch für die egozentrische Hauptfigur geht’s mitleidlos
weiter im Leben, in dem nichts passiert.
Gregor Wickert schenkt dem Abend, in dem jede Menge Statist*innen
endlose Eintönigkeit erzählen, eine lustvoll trashige Ausstattung:
Blondhaar-Perücken, spiegelglatte Oberflächen im Neonlicht, ein
Gewächshaus, das sich aus der Bühne schraubt, portalbreit aufgeblasene
Live-Videoaufnahmen und projizierte Chat-Verläufe, die das Happy End mit
aufsteigenden Herz-Emojis feiern (Video: Franziska Junge).
Die Liebe des Lebens ist am Ende gefunden. Der Sinn desselben nicht. Mit
einem schulterzuckendem „Was machen wir jetzt?“ setzt Lena ihren
anarchischen Freiflug fort. Nun Hand in Hand mit Leonce. Ohne Zwang, ohne
Plan und ohne Königskrone. Die liegt längst irgendwo unbeachtet am
Bühnenrand.
Schauspiel „Leonce und Lena“, [4][Theater am Domhof, Osnabrück], Wieder am
18. und 24. 2. sowie 1., 3., 12., 13., 19. 3. jeweils 19.30 Uhr
18 Feb 2024
## LINKS
[1] /Woyzeck-Inszenierungen-im-Norden/!5966187
[2] /Zeit-wie-im-Fieber-in-Stuttgart/!5972284
[3] /Inszenierung-am-Deutschen-Theater-Berlin/!5907499
[4] https://www.theater-osnabrueck.de/
## AUTOREN
Katrin Ullmann
## TAGS
Theater Osnabrück
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Georg Büchner
Inszenierung
Zeitgenössischer Tanz
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