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# taz.de -- Mutmaßliche Gruppenvergewaltigung: Der Frau ist erstmal zu glauben
> Im Görli-Prozess zeigt ein Video wohl einvernehmlichen Sex. Doch es wäre
> falsch, die Aussage des mutmaßlichen Opfers nun komplett anzuzweifeln.
Bild: Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg: Eine Gerichtsverhandlung soll kläre…
Es ließ wohl niemanden kalt, als im vergangenen Sommer bekannt wurde, dass
eine Frau im Görlitzer Park in Kreuzberg mehrfach vergewaltigt worden sein
soll. Von einer ganzen Gruppe Schwarzer Männer und im Beisein ihres
Ehemanns, hieß es. Letzterer wiederum soll mit Stöcken und Schlägen daran
gehindert worden sein, seiner Frau zu Hilfe zu kommen. Der Fall brachte
eine Debatte ins Rollen: über sexuelle Gewalt, über Parks als Angsträume
für Frauen. Über Sicherheit und die Frage, inwieweit ein Zaun rund um den
Görli diese herstellen kann – oder auch nicht.
Nun sind innerhalb weniger Verhandlungstage grundlegende Vorwürfe der
Staatsanwaltschaft gegen die mutmaßlichen Täter zerbröselt. Die Verteidiger
haben ein Video als Beweis vorgelegt. Eine Anklage wegen besonders schwerer
Vergewaltigung scheint zumindest gegen einen der Tatverdächtigen kaum noch
haltbar. Denn das Video zeigt wohl deutlich sexuelle Handlungen, aber
ebenso deutlich, dass diese einvernehmlich sind. Auch [1][er habe
einvernehmlichen Sex] mit der Frau gehabt, auf Bitte ihres Ehemanns, und
nachdem er sich mehrmals versichert habe, dass sie es wolle, sagt der
Angeklagte D.
Das Video, dass ein Verteidiger [2][als „Wende“ im Prozess] sieht, stammt
von D.s Handy. Und dass es erst zu Prozessbeginn auftauchte, liegt daran,
dass weder Polizei noch Staatsanwaltschaft das Handy vorher untersucht
haben. Die Justiz-Mitarbeiter*innen hatten es D. abgenommen, als er in
Untersuchungshaft kam. Dort lag es mit seinen anderen persönlichen Dingen.
D. selbst hatte lange gedacht, dass er das Video direkt gelöscht hatte.
Hat die Polizei wichtige Beweise bei ihren Ermittlungen übersehen? Und hat
die Staatsanwaltschaft ihre Anklage auf wacklige Füße gestellt? Sie hatte
sich in erster Linie auf DNA-Treffer verlassen. Denn von allen drei
Angeklagten waren Spermaspuren gefunden worden. Unstimmigkeiten in den
Aussagen des Ehepaars blieben dabei unbeachtet: Diese hatten etwa gesagt,
dass sie wegen der Dunkelheit niemanden erkennen konnten. Doch zur
angegebenen Tatzeit war es am 21. Juni bereits taghell.
## Passt ins Vorurteil
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Darstellung der Zeug*innen
einfach [3][zu gut in verbreitete Vorurteile] passte: In Vorstellungen von
Schwarzen Männern als Tätern, und von einer weißen Frau als Opfer. Von
wohnungslosen Dealern auf der einen Seite und einem Ehepaar mit Kindern auf
der anderen. In das Muster von einem Aufschrei, wenn Nicht-Deutsche
tatverdächtig sind, und von der allgemeinen Weigerung, sich grundsätzlich
mit den Strukturen sexualisierter Gewalt zu befassen.
Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien bekam der Fall zu
Recht: Dass Frauen in Parks von Männergruppen vergewaltigt werden, ist eher
eine Ausnahme. Ein Großteil sexualisierter Gewalt, ein Großteil aller
Vergewaltigungen findet in privaten, vermeintlich geschützten Räumen statt,
etwa der eigenen Wohnung. Doch auch die Behörden hätten dem Fall ihre ganze
Aufmerksamkeit widmen müssen. Denn möglicherweise sitzen gerade Menschen zu
Unrecht in Untersuchungshaft.
Aufmerksamkeit in diesem Fall verdient aber [4][weiterhin die Aussage des
mutmaßlichen Opfers]. Sie sei vergewaltigt worden, soll die Frau den
Polizist*innen gesagt, die in der Tatnacht zum Görli kamen. Ein
Anwohner hatte die Polizei gerufen, nachdem er Hilfeschreie aus dem Park
gehört hatte. Nach Informationen der taz sollen es dezidiert auch Schreie
einer Frau gewesen sein, und sie soll laut „help me“ gerufen haben.
Ihr muss unbedingt zugehört und erst einmal auch geglaubt werden. Denn auch
das ist ein Vorurteil: dass Frauen lügen und Vergewaltigungen erfinden.
Sexuelle Kontakte, die im Einvernehmen beginnen, [5][können in Gewalt
enden]. Wer nun direkt die Glaubwürdigkeit der Frau komplett in Zweifel
zieht, droht auf [6][die nächste vorschnelle Erklärung] hereinzufallen.
27 Jan 2024
## LINKS
[1] /Tatverdaechtiger-vom-Goerlitzer-Park/!5984506
[2] /Prozess-um-Gruppenvergewaltigung/!5984686
[3] /Vergewaltigung-in-Berlin-Kreuzberg/!5948133
[4] /Sexualisierte-Gewalt-in-Deutschland/!5727344
[5] /Juristin-ueber-neues-Sexualstrafrecht/!5315782
[6] /Rape-Culture/!5075574
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Vorurteile
Vergewaltigung
Sexualisierte Gewalt
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