# taz.de -- Immigration in Frankreich: Verfassungshüter setzen Rotstift an | |
> Das Oberste Gericht Frankreichs erklärt Teile des Einwanderungsgesetzes | |
> für verfassungswidrig. Das kommt einer Rüge für Regierung und Staatschef | |
> gleich. | |
Bild: Protest in Paris gegen das umstrittene Einwanderungsgesetz in Paris am So… | |
Paris taz | Was das Parlament beschließt, tritt nicht automatisch in Kraft. | |
Im Fall [1][der neuen Immigrationsgesetze] hat Frankreichs | |
Verfassungsgericht, der Cour constitutionnel, eine ganze Reihe von | |
restriktiven Regeln für ungültig erklärt. Geklagt hatte die linke | |
Opposition. Das Urteil kommt einer Rüge für die Regierung und | |
Staatspräsident Emmanuel Macron gleich. | |
Sie hatten zugelassen, dass ihre ursprüngliche Vorlage von der Rechten mit | |
zahlreichen Anträgen so sehr verschärft wurde, dass am Ende die extreme | |
Rechte jubelte und von einem „ideologischen Sieg“ für ihre | |
fremdenfeindlichen Ideen sprach. | |
Den Regierungsparteien war dies eher peinlich. Fast 50 ihrer Abgeordneten | |
hatten bei der Abstimmung am 19. Dezember 2023 dagegen votiert oder sich | |
der Stimme enthalten. Ihre Hoffnung lag auf den Verfassungsrichtern. | |
Nicht ganz unerwartet haben die Hüter der Verfassung mit dem Rotstift | |
vieles gestrichen oder korrigiert, weil die ihnen unterbreiteten | |
Gesetzesartikel nicht nur Traditionen der französischen Republik, sondern | |
auch deren Grundwerte in Frage stellen. Fast die Hälfte, insgesamt 37 von | |
86 Artikeln, wurden beanstandet. | |
## Tradition bleibt | |
Am juristischen Veto scheitern die Artikel, [2][die vom mehrheitlich | |
konservativen Senat zur Verschärfung der Regierungsvorlage hinzugefügt | |
worden waren]. Nicht konform ist beispielsweise die vorgesehene Änderung | |
der Erlangung der Staatsbürgerschaft für in Frankreich geborene Kinder | |
ausländischer Eltern. Diese bekamen dank des seit Jahrhunderten geltenden | |
„Jus soli“ mit Erreichen der Volljährigkeit (heute 18) automatisch die | |
Staatsangehörigkeit. Nun musste dies neu beantragt werden. Nun bleibt es | |
bei der Tradition. | |
Es sind die am meisten kritisierten und umstrittenen Artikel, die im | |
Entscheid des Conseil constitutionnel bemängelt werden: Der eingeschränkte | |
Zugang zu bestimmten Sozialhilfen, die Beschränkung des Rechts auf | |
Familienzusammenführung für legal niedergelassene Immigranten oder auch | |
eine Kaution für (außereuropäische) ausländische Studierende bei der | |
Immatrikulation. Die Richter machen nicht nur grundsätzlich | |
verfassungsrechtliche Argumente geltend, sondern auch formale Einwände. | |
Denn zahlreiche Ergänzungen, die in der Parlamentsdebatte der | |
Gesetzesvorlage beigefügt wurden, haben ihrer Ansicht nach keinen direkten | |
Zusammenhang. So sollte der illegale Aufenthalt von Papierlosen zu einem | |
strafrechtlichen Delikt erklärt werden, was es bereits in Frankreich gab. | |
Derartige Maßnahmen sind nach dem Urteil nicht verfassungswidrig, müssten | |
aber in einem anderen Kontext geregelt werden. Das bedeutet, dass sie | |
später in einer separaten Vorlage dem Gesetzgeber wieder unterbreitet | |
werden können. Der Rest der Immigrationsgesetze, an dem die | |
Verfassungshüter nichts auszusetzen hatten, kann Präsident Macron nun in | |
Kraft setzen. | |
## Höchst unzufrieden | |
Höchst unzufrieden mit dem Urteil müssen die Senatoren und Abgeordneten der | |
konservativen Partei Les Républicains (LR) sein. Sie konnten es als ihren | |
politischen Erfolg ansehen, dass die Regierung mangels Mehrheit in der | |
Nationalversammlung ihre weitgehend verschärfte Version akzeptieren musste. | |
Da dies nun aber am Verfassungsgericht scheitert, fordert LR wie auch das | |
rechtspopulistische Rassemblement national (RN) von Marine Le Pen eine | |
Volksabstimmung zur Revision der Verfassung. | |
Die politische Rechte verweist dabei auf Umfragen, denen zufolge eine | |
Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen eine strengere Kontrolle der | |
Immigration wünschen. Der besonders symbolisch wichtige Artikel 1, der | |
besagte, dass das Parlament jährliche „Quoten“ für die Einwanderung | |
festlegen werde, wurde nun aber gestrichen. | |
25 Jan 2024 | |
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