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# taz.de -- Aus für Kulturprojekt in Neukölln: „Die Enttäuschung wird wach…
> Die SPD will keine Bottom-up-Projekte am Dammweg. Mondiale-Leiterin
> Sabine Kroner über die politische Kultur im Bezirk und die Folgen für den
> Kiez.
Bild: Ende einer Idylle: Auch dieses Gewächshaus kann die Berlin Mondiale nun …
taz: Frau Kroner, mit dem [1][Künstlernetzwerk Berlin Mondiale], das Sie
leiten, haben Sie drei Jahre lang den [2][Campus am Neuköllner Dammweg]
bespielt. Was genau haben Sie da gemacht?
Sabine Kroner: Eigentlich waren es sogar sechs Jahre. In den drei Jahren
davor haben wir darum gekämpft, auf das Gelände zu kommen. Das Grundstück,
das dem Bezirk gehört, lag brach.
Es ist eine frühere Gärtnerei mit einer Streuobstwiese – eine Idylle.
Es sind zwei Hektar Land mitten in Berlin, eine aufgelassene
Schulgärtnerei. Das war eine Ausbildungsstätte, die zur Carl-Legien-Schule
gehörte, dort wurden junge Menschen zu Stadtgärtner:innen ausgebildet.
Die Schule hat dann den Schwerpunkt gewechselt und das Gelände aufgegeben.
Was ist da in den vergangenen drei Jahren passiert?
Als wir den Schlüssel bekommen haben, sah es zunächst aus wie ein Lost
Place. Die Schule war verlassen, der Garten war verwüstet. Ende 2020 haben
wir über das [3][Kulturnetzwerk Neukölln] einen Nutzungsvertrag für
Bildung, Umweltbildung und kulturelle Bildung bekommen, der jedes Jahr
verlängert werden musste. Für uns als Berlin Mondiale war klar, dass wir
diesen Ort zunächst für die Nachbarschaft öffnen wollen. Das war damals zur
Hochphase der Pandemie. Begegnungsräume im Freien waren unglaublich
wichtig.
In unmittelbarer Nachbarschaft liegt die Weiße Siedlung, eine der
Großsiedlungen in Neukölln, die in der Vergangenheit immer wieder
Schlagzeilen gemacht haben.
In der Weißen Siedlung wohnen 4.500 Menschen auf engstem Raum, die Hälfte
davon ist unter 18 Jahre alt. Uns ging es also nicht darum, den nächsten
Hipster-Place in Neukölln aufzumachen, sondern mit den Mitteln, die uns die
Senatskulturverwaltung mit dem [4][Programm „Draußenstadt“] zur Verfügung
gestellt hat, den Garten zu öffnen. Wir haben viel zugehört und versucht,
unser Programm mit den Multiplikatoren vor Ort gemeinsam zu entwickeln.
Wie war die Resonanz? Wer kam auf das Gelände?
Es gab Treffs von Seniorinnen aus der Weißen Siedlung. Wir haben mit der
benachbarten Grundschule kooperiert, da sind Schulgartenbeete entstanden.
[5][Wir haben mit dem Quartiersmanagement zusammen deren Gebietskulisse
erweitert]. Über unser Netzwerk haben wir immer wieder versucht, mit
Kindern von Geflüchteten zu arbeiten. Wir haben auch Programm für Kinder
aus der Nachbarschaft gemacht, die nicht in die Ferien fahren konnten.
Viele Projekte kamen auch zu uns, die haben dann Mittel aus anderen Töpfen
mitgebracht. So haben wir mit dem [6][Verein Mince] drei Jahre
hintereinander ein großes Festival mit der Schwarzen Community gemacht.
Berlin Mondiale hat viele Projekte in Berlin. Was ist das Besondere am
Dammweg gewesen?
Berlin Mondiale hat kein Haus, also keine eigene Spielstätte. Für uns war
der Dammweg eine Art Drehscheibe, eine Einladungsplattform. Wir haben dort
nicht nur vor Ort Projekte gemacht, sondern auch zu
Austauschveranstaltungen mit Kolleg:innen aus der ganzen Stadt
eingeladen. Er war für uns auch ein Beispiel dafür, wie Kunst, Kultur und
Stadtentwicklung in dezentralen Lagen ineinandergreifen. Um dezentrale
Kulturarbeit zu machen, braucht es Ankerpunkte in den Nachbarschaften. Da
bot der Dammweg viel Spielraum.
Für all das wird Berlin Mondiale auch von der Senatsverwaltung für Kultur
gefördert. Was hat den Bezirk Neukölln bewogen, Sie vor die Tür zu setzen –
trotz eines gegenteiligen Votums der Bezirksverordnetenversammlung? Ihre
Arbeit kostet den Bezirk keinen Cent.
Der Bezirk hat die Agenda, eigene Räume mit eigenen Programmpunkten zu
füllen, zum Beispiel mit der Musikschule zusammen. Wir haben immer wieder
deutlich gemacht, dass wir daran interessiert sind, im Rahmen der
Zwischennutzung zu bleiben.
Langfristig plant der Bezirk am Dammweg einen Schulerweiterungsbau.
Die Pläne sind noch nicht final, deswegen war klar, dass die
Zwischennutzung noch lange dauern wird. Wir haben immer gesagt, wir würden
gerne in der Zwischennutzung bleiben, aber wir haben auch ein Interesse
daran, uns in eine Phase einzubringen, wenn es dann aus der Zwischennutzung
heraus in eine konkrete Gestaltung des Ortes geht – zum Beispiel
multifunktionale Räume und eine Außenfläche für Kunst und Kultur.
Das hört sich so an, als sei die Kommunikation mit den Institutionen des
Bezirks, mit der Verwaltung, aber auch mit der zuständigen SPD-Bildungs-
und Kulturstadträtin Karin Korte, nicht immer einfach gewesen.
Wir waren immer in engem Austausch mit dem Fachbereich Kultur, da haben wir
uns an einem Jour Fixe getroffen. Aber natürlich sind die
Bezirksamtsstrukturen eher hierarchisch. Wir waren davon ausgegangen, dass
von der Fachbereichsebene auch nach oben zur Amtsleitung und zur Stadträtin
kommuniziert wird. Das hat leider nicht so gut funktioniert. Bei
Veranstaltungen haben wir aber immer Einladungen verschickt. Am Ende
gingen die Erwartungen, was Kommunikationsstrukturen angeht, wohl
auseinander. Das hat natürlich viel damit zu tun, ob ein echtes Interesse
da ist oder nur Kontrolle. In der Realität war es dann so, dass die
Bewilligungen für ein Jahr, die manchmal sogar erst Ende Dezember kamen,
die kurz- und mittelfristige Einwerbung von Fördermitteln erschwert haben.
Es geht ja nicht nur um Kontrolle. Die Amtsleiterin wirft Ihnen auch vor,
nach Ablauf der Zwischennutzung auf dem Gelände bleiben zu wollen – wie
beim [7][Nachbarschaftshaus in der Karlsgartenstraße 6,] wo die
Volkshochschule mit den Stadtteilmüttern und der Schillerwerkstadt einen
befristeten Vertrag geschlossen hatte. Was ist da dran?
Solche Erfahrungen wurden im Bezirk mit Zivilgesellschaft gemacht. Aber die
sollte man nicht eins zu eins übertragen. Wir sind kein aktivistisches
Projekt. Wir sind senatsgefördert, wir hatten einen
Zwischennutzungsvertrag. Als wir die Ansage bekommen haben, dass wir zum
Jahresende runtermüssen, haben wir alles geräumt. Wir haben das Gelände
besser hinterlassen, als wir es vorgefunden haben. Diese Pauschalisierung
ist in meinen Augen kontraproduktiv.
Es gibt in diesem Konflikt auch eine politische Dimension. In einem
internen Gutachten unterstellt die Amtsleiterin Berlin Mondiale eine Nähe
zu den Grünen. Stimmt das?
Ich selbst bin persönlich nach Hanau bei den Grünen eingetreten. Für meine
Arbeit spielt das keine Rolle. Berlin Mondiale ist nicht grün, rot oder
schwarz, sondern überparteilich.
Werden in der Neuköllner SPD die Grünen als Feindbild aufgebaut? Es gibt im
Bezirk doch eine rot-grüne Zählgemeinschaft.
Was in der Neuköllner SPD geschieht, kann ich nicht beurteilen. In der
Vereinbarung der Zählgemeinschaft steht jedoch, dass man die Urbane Praxis
in Neukölln als Ansatz umsetzen wolle. Der Dammweg wurde aus Mitteln der
[8][„Urbanen Praxis“], wo es ums „Stadtmachen“ mit Kunst und Architektu…
Verbindung mit der Zivilgesellschaft geht, von der Senatsverwaltung
gefördert. Insofern verstehe ich den Dammweg als Pilotprojekt der Urbanen
Praxis in Neukölln. Das gibt es jetzt so nicht mehr. Das ist schon ein
Verlust für die Nachbarschaft.
Der Bezirk will die Fläche und die Zwischennutzung neu ausschreiben. Warum
beteiligen Sie sich nicht daran?
Bei einem vorgeschalteten Workshop hat der Bezirk skizziert, wie das
Gelände perspektivisch verwaltet und geleitet werden soll. Die Strukturen,
die dort aufgezeigt wurden, sind für uns sehr schwierig vorstellbar, da wir
immer eher als Bottom-up gearbeitet haben. Die künftige Struktur macht auf
mich einen gegenteiligen Eindruck. Auch ist noch völlig unklar, wie die
künftigen Akteure ihre Projekte finanzieren sollen. Da müssen erst wieder
Drittmittel akquiriert werden.
Wer sind die Leidtragenden?
Die unmittelbare Nachbarschaft, die den Raum nicht mehr offen vorfindet.
Wir hatten sieben Tage die Woche geöffnet. Die Menschen in der Weißen
Siedlung sind wieder auf ihr Gelände zurückgeworfen. Das gehört einem
Investor, der Adler Group. Die Enttäuschung über Politik und Verwaltung war
vorher schon riesengroß, und die wird weiter wachsen. Das macht mir große
Sorgen, wenn ich an die Zukunft der Demokratie denke.
9 Feb 2024
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[1] https://www.berlin-mondiale.de/
[2] https://www.berlin-mondiale.de/hubs/nachbarschaftscampus-dammweg
[3] https://kulturnetzwerk.de/
[4] https://www.draussenstadt.berlin/de/home/
[5] https://www.weisse-siedlung.de/
[6] https://mince-ev.de/
[7] /Karlsgartenstrasse-6-bleibt/!5980664
[8] https://www.urbanepraxis.berlin/
## AUTOREN
Uwe Rada
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Sabine Kroner lebt in Neukölln und in der Uckermark. Dass immer mehr
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Raum.
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