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# taz.de -- Gesetz für Kinderschutz auf Social Media: Wenn öffentlicher Raum …
> Der „Kids Online Safety Act“ (Kosa) soll Social-Media-Plattformen zu
> Maßnahmen zum Schutz Minderjähriger zwingen. Wie effektiv ist das?
Bild: Eine Installation, die gegen Mark Zuckerberg, CEO von Meta, und Shou Zi C…
Selbst für Kenner der Showqualitäten des amerikanischen Politikbetriebs war
es ein außergewöhnlicher Moment, als Marc Zuckerberg [1][in einem Hearing
des Senats-Justizkomitees] von Senator Josh Hawley aus Missouri
aufgefordert wurde, sich bei den Eltern im Saal zu entschuldigen, deren
Kinder infolge intensiver „Social Media“-Nutzung schwere gesundheitliche
Schäden erlitten hatten oder gar gestorben waren. Der Multimilliardär stand
auf, drehte sich um und sagte etwas ungelenk, dass es ihm leid täte und
Meta Milliarden investiere, um derlei zu verhindern.
Aus dem Hearing, zu dem auch die Chefs von X, Tiktok, Snapchat und Discord
geladen waren, wuchs der Entwurf eines „Kids Online Safety Act“ (Kosa), der
die Plattformen zwingen soll, „vernünftige Maßnahmen“ zu ergreifen, um
Mobbing, sexuelle Ausbeutung, Anorexie, Selbstbeschädigung und aggressives
Marketing bei Minderjährigen zu unterbinden.
Washingtonkenner sind nicht allzu optimistisch: Die geballte Lobbymacht der
Plattformen und die Bedenken von Datenschützern werden diesen Vorstoß auf
das marktkonforme „vernünftige“ Maß schrumpfen. Auch von den
Staatsanwälten, die in 33 Bundesstaaten gegen Tiktok und Co geklagt haben,
weil sie Gesundheitsschäden bei Jugendlichen befördern, hat man ja lange
nichts mehr gelesen. Derweil baut Zuckerberg auf einer Hawaii-Insel ein
bewehrtes Anwesen mit atombombensicherem Bunker aus.
In Europa gilt seit 2022 der [2][Digital Services Act] mit Kosa-ähnlichen
Schutzklauseln und Strafandrohnungen gegen die Plattformbetreiber. Aber
aufs Ganze gesehen scheint die Politik im liberaldemokratischen Westen
wehrlos gegen die wachsende Macht der neuen Herren der Welt. Bis jetzt
jedenfalls schmerzt der moralisch begründete Entzug der Internetlizenzen
für Tiktok oder X von Stars wie Taylor Swift, Drake oder Helene Fischer
stärker als die zahmen und unterausgestatteten Kontrollbemühungen der
Regierungen: Hassvideos in der Nähe von sauberen Geschäften schmälern
schließlich auch den Gewinn.
## Ohnmacht?
Mit ihrer Untätigkeit (ist es wirklich Ohnmacht?) untergraben die
Regierungen den Boden der Demokratie und damit ihre eigene Macht. Denn
selbst wenn es gelänge, mit Gesetzen wie dem Digital Services Act die
perversesten Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche zu begrenzen, und
selbst wenn man mal annimmt, die Strafe wegen Unterlassung wäre so massiv,
dass sie an die Substanz der Konzerne ginge – es änderte nichts an den ganz
normalen Zerstörungen durch „cleane“ Plattformen. An der Schädigung der
intellektuellen und emotionellen Entwicklung, der Konzentrationsfähigkeit
und des Realitätssinns von Heranwachsenden und der zunehmenden Verwischung
von Fake und Fakten, von Fantasie und Phänomenen, von Wahn und
Wirklichkeit.
Wer in den letzten Tagen auf Tiktok „unterwegs war“, wie es so bieder
heißt, der konnte das kalte Gruseln kriegen: Selbst die Demonstrationen von
Hunderttausenden wurden mit der zigtausendfach geklickten Wiederholung
umgefälscht, hier habe eine Regierung mit „staatskonformen Medienhäusern
eine zweite Stasi aufgebaut“ und Regierungsmärsche gegen die Opposition
initiiert, was an „dunkelste Zeiten“ erinnere. Wenn man eine dieser
Ungeheuerlichkeiten länger als ein paar Sekunden angesehen hatte, kamen im
Thread zunehmend staatsfeindliche Beleidigungen und rechtsradikaler Dreck,
hochgetuned durch KI. Der Algorithmus funktioniert nach der Suchtlogik,
jeder kriegt, was er glaubt und braucht.
Ich empfinde es als fahrlässige Unterlassung, diese Plattformen lange nicht
beachtet, weil verachtet zu haben. „Die geschichtliche Erfahrung besagt:
das Nachdenken beginnt immer erst, wenn etwas verloren ging. Geht aber die
Öffentlichkeit verloren, so geht die Formenwelt für das Nachdenken
ebenfalls verloren.“ So Alexander Kluge vor 38 Jahren in einem Aufsatz mit
dem Titel [3][„Die Macht der Bewusstseinsindustrie und das Schicksal
unserer Öffentlichkeit“]. Öffentlichkeit sei das „Gefäß der Demokratie�…
schrieb Kluge zur Zeit des Urknalls der Privatisierung von Funk und TV.
## Sparpläne
Heute, angesichts der fortschreitenden Verlagerung von Informationen und
„Kultur“ auf die Plattformen, ist es mehr als fahrlässig, wenn etwa, von
den Attacken der AfD auf das „Gebührenfernsehen“ getrieben, auch die CDU in
ihren „Medienpapieren“ populistische Sparpläne lanciert; wenn die Experten
der „Zukunftskommission“ zunächst ans Sparen denken, wo die Verlagerung der
Angebote ins Digitale die Zersplitterung des öffentlichen Raums noch einmal
mehr beschleunigt, und deshalb, im Gegenteil, ein Ausbau der nicht
kommerziellen, den Werten des Journalismus, der Aufklärung und der
Demokratisierung verpflichteten Medien dringend Not täte – also auch ihrer
Finanzierung. Denn „Produkte kann man nur mit Produkten bekämpfen“ (Kluge).
Ebenso geboten wie die Verankerung der Unabhängigkeit des
Verfassungsgerichts im Grundgesetz wäre es also, das öffentlich-rechtliche
Mediensystem gegen seine Beschädigung durch rechte Regierungen zu schützen.
Noch einmal Alexander Kluge: „Wer die klassischen Öffentlichkeiten
zerstört, ist ein Geschichtsverbrecher.“
Seit Jahren warte ich auch auf eine kräftige Rede im Bundestag, die den
Kritikern der Rundfunkgebühren vorrechnet, wie viel „Gebühren“ sie über
ihre täglichen Einkäufe allein an das vermeintliche Umsonstfernsehen
zahlen: ein Vielfaches dessen, womit der GEZ-Beitrag sie belastet, ganz zu
schweigen von den Werbeeinnahmen der Internet-Plattformen, die bereits
jetzt mit denen der analogen Medien gleichgezogen sind, Tendenz steigend
(vgl. dazu erschreckend: Martin Andree, „Big Tech muss weg!“, Campus Verlag
2023).
Bei all dem ist Tempo geboten. Bereits jetzt sind 21 Prozent der Deutschen
auf Tiktok, rund 90 Minuten pro Tag: Unter den Wählern von morgen dürften
es viel mehr sein.
6 Feb 2024
## LINKS
[1] https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&…
[2] https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&…
[3] https://www.kluge-alexander.de/zur-person/texte-ueber/details/dialoge-mit-z…
## AUTOREN
Mathias Greffrath
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