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# taz.de -- Existenzkampf der Sechtagerennen: Party auf Prüfstand
> Die Sechstagerennen kämpfen in Deutschland ums Überleben – in Bremen
> zuletzt mit Erfolg. In Berlin will man am Freitag den positiven Trend
> fortsetzen.
Bild: In Bremen kamen die Radsportfans auf ihre Kosten
Lange haben die Radsportfans den Moment herbeigesehnt, an dem die Profis
auf dem Oval in der Bremer Stadthalle wieder ihre Runden drehen. So
verwundert es kaum, dass das Interesse an dem Spektakel aus Party und
Profisport enorm war. Davon zeugten zeitweise vollbesetzte Ränge rund um
die nur 166,6 Meter lange, mobile Bremer Holzbahn. Zudem zogen die
Showevents in den Rennpausen wie eh und je Massen an Partyvolk an.
Die bedeutende Zahl, von der die [1][Zukunft der Bremer Sixdays] maßgeblich
abhängt, lautet 60.000. So viele Besucher hat sich die Wirtschaftssenatorin
der Hansestadt, Kristina Vogt, gewünscht, damit die sogenannte fünfte
Bremer Jahreszeit eine Überlebenschance hat.
Die Stadtgemeinde hat bei der privat und öffentlich betriebenen Rad-Party
mitzureden. Ihr gehört beispielsweise die Bahn, die in der rennfreien Zeit
eingelagert wird. Obwohl die Auswertungen zu den Besucherzahlen noch
laufen, zeichnet sich ab, dass dieses Mal der Wunsch aufging. Dass dieses
Event vom 12. bis 15. Januar wieder ausgetragen werden konnte, ist nicht
selbstverständlich. War da doch [2][die bleierne Pandemiezeit], die
praktisch jede Veranstaltung vereitelte.
Im vergangenen Jahr waren wirtschaftliche Bedenken der Grund für den
Ausfall. Heute beurteilt der neue Leiter des Events, Mario Roggow, die Lage
entspannter, aber es bleibt herausfordernd: „Natürlich war es nach der
langen Zeit nicht so einfach wie in den Jahren vorher. Auch bei Partnern
gab es zum Beispiel in den vergangenen Jahren Wechsel an entscheidenden
Positionen. Hier muss man erst einmal das Rennen und die Veranstaltung
erklären.“
## Verkürzung auf zwei Tage
Genauso wird [3][beim Berliner Sechstagerennen], das [4][am Freitag
beginnt], gerechnet. „Der Donnerstag muss leider entfallen, da er trotz
günstiger Ticketpreise nicht angenommen worden ist“, sagt
Veranstaltungsleiter Valts Miltovics. Diesmal wird das Event nur zwei Tage
dauern. Dass es überhaupt weitergeht, ist für Sportler, wie den mehrmaligen
Weltmeister Roger Kluge von hoher Bedeutung. Deshalb unterstützt der
Berliner Profi die Verkürzung und hofft, dass man künftig wieder zu den
traditionellen sechs Tagen zurückkehren könnte.
Nicht ganz so drastisch waren die Bremer Veranstalter; sie stauchten die
sechs Tage auf vier zusammen. Der sportliche Leiter, Erik Weispfennig,
verweist auf die kontinuierlichen Anpassungen des Traditionsevents an die
Wünsche der Zuschauer und Sponsoren. Das sportliche Herzstück ist die
Konkurrenz der zwölf Zweierteams.
Weispfennig konnte die Siegreichsten im Profisport verpflichten; etwa Roger
Kluge und Theo Reinhard. Sie haben einen Tag vor den Bremer Sixdays zum
dritten Mal in Serie Gold im Madison bei der Bahnrad-Europameisterschaften
in Apeldoorn geholt und auch dieses Jahr in der Hansestadt gesiegt.
Obendrein verpflichtet wurden die amtierenden Madison-Weltmeister Yoeri
Havik und Jan-Willem van Schip aus den Niederlanden sowie der wegen seinen
enormen Oberschenkel „Quadzilla“ genannte Robert Förstemann.
Auf ihrem Weg in die Zukunft werben die Bremer Veranstalter um die Gunst
der Jugend und luden einige Social-Media-Stars zum Kidsday ein. Tausende
folgten der Einladung, zumal der Eintritt kostenlos war. Popstars wie Ben
Zucker und Vanessa Mai zogen das Partyvolk auf die Tanzflächen. Die
Sängerin schoss zusammen mit dem Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte
das 57. Rennen an. Die Events und Shows sind eine tragende Säule der
Sechstagerennen. „Es gibt viele Menschen, die zum Sport kommen und auf
einmal Gefallen am Musikprogramm finden – und umgekehrt. Hier macht es die
Mischung aller unterschiedlichen Menschen, die die Veranstaltung dazu
macht, die sie ist“, konstatiert Mario Roggow.
Die Sportler bringen den Radsport abseits von WM und Olympia einem breiten
Publikum nahe. Und die durchschnittlich gefahrenen 700 Kilometer bei den
Sixdays sind für die Fahrer eine effektive Vorbereitung auf anstehende
Wettkämpfe. „Da sollte man vor allem die UCI Champions League hervorheben.
Dort wird der Bahnradsport in einem kurzen fernsehtauglichen Format
präsentiert“, sagt Erik Weispfennig. Immer mehr Sportler werden direkt nach
der U19 Profis. „Von daher ist es für uns wichtig, dass wir den
Andy-Kappes-Cup für die U19-Fahrer haben. Gleichzeitig versuche ich, mehr
jungen Fahrern einen Startplatz bei den Profis zu geben, damit sie sich bei
den Profis beweisen können“, führt der sportliche Leiter aus.
Das Format Sechstagerennen kämpft auf dem Unterhaltungsmarkt in Deutschland
weiter ums Überleben. Mit dem Erfolg in diesem Jahr, sind viele Bremer
optimistisch, dass ihre Stadt weiterhin die Sixdays beheimatet.
24 Jan 2024
## LINKS
[1] https://sixdays.de/
[2] /Bahnradsport-im-Coronaloch/!5746370
[3] /Bahnrad-EM-in-Berlin/!5454450
[4] https://sixday.com/
## AUTOREN
Ralf Lieske
## TAGS
Radsport
Berlin
Bremen
Kolumne Press-Schlag
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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