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# taz.de -- Vorwürfe gegen Gérard Depardieu: Der gefallene Nationalheld
> Gérard Depardieu machte sexisische Witze über ein junges Mädchen. Viele
> wenden sich nun von ihm ab. Nur Präsident Macron will es nicht wahrhaben.
Bild: Gerard Depardieu feierte seinen 75. Geburtstag ohne prominente Gäste in …
Paris taz | Frankreichs größter lebender Kinostar, [1][Gérard Depardieu],
ist in seinem Land in kürzester Zeit zur Unperson geworden. Er hatte sich
abwertend gegenüber Frauen und Mädchen geäußert – alles festgehalten mit
der Kamera. Es war zwar schon vorher bekannt, [2][dass Depardieu von
mehreren Frauen wegen sexueller Aggression beschuldigt wird]. Verurteilt
wurde er deswegen aber nie und konnte sich so auf die Unschuldsvermutung im
strafrechtlichen Sinne berufen. Am 7. Dezember strahlte der
öffentlich-rechtliche Fernsehsender France 2 zur Primetime die Reportage
„Complément d’enquête“ aus und Frankreich war schockiert. Denn zu hören
sind darin auch sexistische Äußerungen Depardieus während eines Besuchs in
Nordkorea im Jahr 2018.
Depardieu „witzelte“ mit einem Begleiter vor der laufenden Kamera während
einer Vorstellung von Schülerinnen in einer Reithalle in frauenfeindlicher
und obszöner Weise – insbesondere auch über ein vermutlich erst
zehnjähriges Mädchen, das offenbar seine Fantasie erregte. Auch der
koreanischen Übersetzerin machte er plumpe Avancen. Medien sprachen danach
fast einstimmig vom steilen „Absturz einer Ikone“.
Ausgerechnet Staatspräsident Emmanuel Macron fühlte sich jedoch bemüßigt,
Frankreichs Filmikone gegen eine „Hetzjagd“ in Schutz zu nehmen. Macron
bezeichnete sich als großen Bewunderer des heute 75-jährigen Depardieu, der
als Darsteller in rund 200 Filmen nicht nur als Star, sondern als
unantastbares Monument galt. Er sei ein „Genie seiner Kunst“, auf das
Frankreich „stolz sein“ könne, sagte am 20. Dezember der Staatschef im
Fernsehen und pochte auf die Unschuldsvermutung.
## Ein politischer Fehler
Als Staatsoberhaupt habe Macron nicht so Stellung zu beziehen, protestierte
prompt Anne-Cécile Meilfert, die Vorsitzende der Vereinigung Fondation des
femmes, die Gewalt gegen Frauen bekämpft. Statt sich für die Opfer und den
Kampf gegen den Sexismus zu engagieren, den er doch als eine seiner
Prioritäten in seiner zweiten Amtszeit bezeichnet hatte, stelle er sich im
Namen der Republik klar auf die falsche Seite: nicht auf die der Opfer,
sondern auf die des Aggressors, der seine Macht gegen Schwächere ausnutzt.
Das sei ein großer „politischer Fehler“, urteilt auch Le Monde.
Aber Macron blieb nicht der Einzige, der Depardieu in Schutz nehmen und
wegen seiner ruhmvollen Leistungen für die französische Filmkunst um
Nachsicht ersuchen wollte. In einem offenen Brief verwahrten sich am 25.
Dezember in Le Figaro neben seiner Tochter Julie Depardieu und der
Ex-Lebensgefährtin Carole Bouquet rund 50 weitere Prominente gegen eine
Form der „Lynchjustiz“ und den Versuch, Depardieu zu ächten und sein Werk
„auszulöschen“: „Gérard Depardieu anzugreifen bedeutet, die Kunst
anzugreifen“, postulieren sie.
Soll das heißen, dass ein „Genie“ der Filmkunst über jede öffentliche
Kritik und moralische Verurteilung erhaben wäre? Die Debatte erinnert an
die frühere Polemik über Roman Polanski.
Öffentliche Fernsehanstalten in der Schweiz und in Belgien hatten bereits
angekündigt, dass bis auf Weiteres keine Filme mit Depardieu als
Hauptdarsteller mehr ausgestrahlt werden würden.
Aus dem Pariser Wachsfigurenkabinett Musée Grévin wurde seine Statue
entfernt. Quebec und die Stadt Brüssel haben ihm einst verliehene
Ehrenmedaillen entzogen. Und die französische Kulturministerin Rima Abdul
Malak fordert, dass er aus der Ehrenlegion ausgeschlossen werden solle. Für
Macron kommt das allerdings nicht infrage. Die Ehrenlegion sei schließlich
„kein Orden der Moral“.
## Ein rechtsextremer Unterstützer
Die Stellungnahme der bedingungslosen Depardieu-Freunde löste heftige
Reaktionen aus. Eine Antwort, ebenfalls in Form eines offenen Briefs,
unterschrieben rund 2.000 Personen aus der Filmbranche. In der Folge
distanzierten sich (wie Carole Bouquet oder auch Pierre Richard) die
meisten Unterzeichner des Pro-Depardieu-Manifests. Auch weil bekannt
geworden war, dass es von einem Journalisten des rechtsextremen Magazins
Causeur entworfen und lanciert wurde. Auf die Fassade der belgischen Villa
des Schauspielers Benoît Poelvoorde, der seinen angeprangerten Kollegen
verteidigen wollte, wurde gesprayt: „Depardieu ist ein großes Schwein.“
Das dachten in Frankreich freilich schon zuvor viele wegen der von ihm
bekannten anzüglichen Bemerkungen am Rande von Dreharbeiten. Und weil er
von 15 Frauen der sexuellen Belästigung, Aggression oder sogar – in
mindestens einem Fall – der Vergewaltigung beschuldigt wird. Die aktuelle
France-2-Reportage könnte nun zu einem gravierenden Belastungsmaterial im
Depardieu-Dossier der Justiz werden. Denn diese ermittelt seit 2020 gegen
ihn wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung einer jungen Schauspielerin.
Seither meldeten sich weitere Frauen zu Wort, die Zeuginnen oder Opfer
seiner sexuellen Übergriffe gewesen sein sollen.
Depardieu war zudem wegen seiner Alkoholexzesse und seiner [3][Freundschaft
mit Putin und Lukaschenko] nicht unumstritten. Vieles ließ man ihm
durchgehen, er wurde als „Monstre sacré“ bewundert. Seit der
Veröffentlichung der Dokumentation gilt er nur noch als Monster.
Wegen seiner internationalen Bekanntheit ist Depardieu zu einem prominenten
#MeToo-Fall geworden. Und es stellt sich einmal mehr die Frage: Wie umgehen
mit Sexismus und sexistischer Gewalt im Filmmilieu und in der medialen
Berichterstattung darüber?
Ohne prominente Gäste und ohne seine engsten Angehörigen feierte er am 27.
Dezember auf seinem Weinberg im Anjou Geburtstag. Depardieu ist nun 75
Jahre alt, es könnte der Schlusspunkt seiner Karriere sein.
9 Jan 2024
## LINKS
[1] /Autobiografie-von-Gerard-Depardieu/!5017285
[2] /Vergewaltigungsvorwurf-in-Frankreich/!5532580
[3] /Depardieu-will-tuerkischen-Pass/!5537021
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Gérard Depardieu
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