Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Baerbock auf Nahost-Reise: Gespräche und Provokationen
> Bei ihrer Reise besucht Außenministerin Baerbock das Westjordanland. Dort
> lernt sie kennen, was es bedeutet, ein Land mit Siedlern teilen zu
> müssen.
Bild: Außenministerin Annalena Baerbock spricht im Westjordanland mit durch Si…
RAMALLAH/AL-MAZRA’AH AL-QIBLIYAH taz | Es ist eine Provokation, die
Annalena Baerbock (Grüne) [1][bei ihrer Nahostreise] einfach aushalten
muss. An diesem Montag ist sie nach al-Mazra’ah al-Qibliyah gekommen, einem
kleinen Dorf, etwa 30 Minuten von Ramallah entfernt, mitten im
Westjordanland. Das flirrende Sirren einer Drohne, die bis auf wenige Meter
an die Außenministerin herankommt, stört ihre Gespräche mit den
Dorfbewohnern. Die Drohne kommt von den israelischen Siedlern auf den
gegenüberliegenden Hügeln des Dorfes. Unverkennbar und nicht zu übersehen
sind die weißen Containerhäuser, die die Siedler in den vergangenen Monaten
errichtet haben.
Es geht um die Besetzung von Land, das den Palästinenser:innen gehört
und das die israelischen radikalen Siedler sich nehmen wollen. Seit dem
brutalen Überfall der Terrormiliz Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und
dem darauffolgenden Krieg in Gaza hat auch die Gewalt der Siedler im
Westjordanland zugenommen. Es scheint, als wollten sie im Windschatten des
Krieges die Besatzung vorantreiben. Und das mit roher Gewalt.
Die Dorfbewohner berichten Baerbock aus ihrem Alltag. Die Siedler kamen
mitten in der Nacht, sie schrien, schlugen sie und sagten, dass sie nicht
mehr in ihre Häuser zurückkönnen. Jetzt leben sie wenige hundert Meter
entfernt von ihren eigenen Wohnhäusern entfernt. Seit dem 7. Oktober wurden
[2][laut Israeli Information Center for Human Rights in the Occuppied
Territories] mindestens 115 Palästinenser:innen in der Westbank
getötet. Doch die Gewalt ist nicht neu. In Wahrheit schreitet die Besetzung
des Westjordanlands seit Jahren voran.
„Das was hier passiert, ist illegal“, sagt Baerbock zum Schluss des
Gesprächs mit den Bewohnern. Aus Angst vor radikalen Siedlern könnten die
Menschen hier nicht mehr wohnen und ihre Kinder nicht mehr zur Schule
schicken. „Niemand schützt sie vor dieser Gewalt“, sagt die grüne
Außenministerin. „Mit jedem der diesen Ort verlässt, wird die Angst derer,
die bleiben, größer.“
## Terror gegen Menschen und Tiere
Die Drohnen fliegen fast täglich über das Dorf, schildert eine
Mitarbeiterin des Israeli Information Center for Human Rights in the
Occuppied Territories. Sie hat die Dorfbewohner mit der Ministerin aus
Deutschland zusammengebracht. Mit solchen Drohnenaktionen wollen die
Siedler die Palästinenser nicht nur tagtäglich einschüchtern und bedrohen,
sondern auch ganz praktisch die Viehwirtschaft beeinträchtigen.
„Die Schafe stört das Geräusch“, sagt die Mitarbeiterin der israelischen
Nichtregierungsorganisation. Geht es den Tieren nicht gut, bringen sie
keinen Ertrag und damit auch kein Einkommen für die Familien. [3][Die
Siedler lassen die Menschen zudem nicht zu ihren Hainen und Feldern.] Im
Westjordanland werden zu einem großen Anteil Oliven und Zitronen angebaut.
Von Ramallah Richtung al-Mazra’ah al-Qibliyah geht es an etlichen Ruinen
vorbei. Palästinensische Familien hatten mit dem Bau von Häusern begonnen,
bei manchen stehen schon die Außenwände, bei anderen sind halbe
Treppenhäuser zu sehen. Durch die neu aufgeflammte Gewalt im Westjordanland
und die vielen Unsicherheiten, ob die Menschen überhaupt in den Häusern
bleiben können, gab es an etlichen Stellen einen Baustopp. Zwar verstößt
die Besetzung gegen israelisches und internationales Recht, aber die
Regierung Netanjahu und etliche ihrer radikalen Minister tun nichts, um sie
zu verhindern.
## Wie sicher kann eine Sicherheit im Westjordanland sein?
Damit die Gemeinden nicht der Willkür der Behörden ausgesetzt sind und auch
rechtliche Unterstützung bekommen, [4][finanzierte Deutschland 2023 den
betroffenen Palästinenser:innen Projekte mit rund 1,5 Millionen
Euro]. Die Menschen vor Ort sind auf internationale Geldgeber angewiesen.
Unmittelbar nach dem 7. Oktober wurden sämtliche Gelder, die an
palästinensische Organisationen flossen, ausgesetzt und überprüft.
Inzwischen wurden die Zahlungen wieder aufgenommen.
[5][Auf ihrer Tour durch den Nahen Osten] muss Baerbock in die
palästinensischen Gebiete. Ihr Credo für eine Zweistaatenlösung, wenn der
Krieg im Gazastreifen zu Ende ist, ist ohne solche Gespräche nicht machbar.
„Es ist die Verantwortung der israelischen Regierung, für die Sicherheit
der Menschen zu sorgen“, sagt sie. Und: Die Stabilität im Gazastreifen und
im Westjordanland seien die Voraussetzung für die Sicherheit Israels. In
al-Mazra’ah al-Qibliyah zeigt sich im Kleinen die Zerreißprobe, die solche
Forderungen für Israel bedeuten.
Baerbock reist am Montagabend weiter nach Ägypten. Seit Beginn des Krieges
ist der ägyptisch-israelische Grenzübergang Rafah zum zentralen Ort für die
Lieferung von Hilfsgütern geworden. Zwar wurde vor Kurzem auch der
israelische Grenzübergang Kerem Shalom für Hilfen geöffnet, aber nach wie
vor gelangen nicht ausreichend Trinkwasser, Lebensmittel, Decken und Zelte
in den Gazastreifen, um das Leid der Menschen zu lindern. Deutschland hat
die humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen auf rund 200
Millionen Euro verdreifacht. Sie soll noch weiter aufgestockt werden.
8 Jan 2024
## LINKS
[1] /Baerbock-im-Nahen-Osten/!5983908
[2] https://www.btselem.org/firearms/20231227_in_three_weeks_in_october_israeli…
[3] /Gewalt-im-Westjordanland/!5969926
[4] /Deutsche-Nahost-Unterstuetzung/!5976353
[5] /3-Monate-Gaza-Israel-Krieg/!5983823
## AUTOREN
Tanja Tricarico
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Annalena Baerbock
Westjordanland
Jüdische Siedler
Siedler
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Drei Monate Israel-Gaza-Krieg: Diplomatische Schmerzgrenze
Außenministerin Baerbock ist in Nahost unterwegs. Der Ton gegenüber Israel
verschärft sich. Humanitäre Hilfe erreicht den Gazastreifen derzeit kaum.
Baerbock in Ägypten: Zelte und Schlafsäcke für Gaza
Die Außenministerin besucht Kairo und fordert mehr Hilfe für Gaza. Derweil
sollen im Libanon weitere Hisbollah-Leute gezielt getötet worden sein.
Krieg im Nahen Osten: Nachbarschaftshilfe
Im Westjordanland war der Frieden zwischen Siedlern und Palästinensern
schon vor dem 7. Oktober weit weg. Zwei Initiativen wollen das ändern.
Baerbock im Nahen Osten: Zwischen Beistand und klarer Kante
Die Außenministerin fordert Israel bei ihrem Besuch auf, Hilfen für Gaza zu
erleichtern. Eine Besatzung des Küstenstreifens dürfe es nicht geben.
Palästina-Konflikt: Autokorso und Plakate
Aus Protest gegen die Angriffe Israels auf Gaza fahren rund 230 Autos von
Mitte nach Neukölln. Ein neues Bündnis demonstriert vor dem Auswärtigen
Amt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.