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# taz.de -- Russischer Deserteur im Südkaukasus: Trügerische Sicherheit
> Dimitrij Setrakow ist vor dem russischen Militärdienst nach Armenien
> geflohen. Dort wurde der Soldat festgesetzt und an Russland ausgeliefert.
Bild: Werbeplakat für das russische Militär an einer Bushaltestelle in Moskau
Mönchengladbach taz | Nach zwei Fluchtversuchen schien es der 39-jährige
Dimitrij Setrakow geschafft zu haben, der Armee und damit der Front zu
entrinnen. Er hatte seit Ende 2022 für die russische Armee in der
Ostukraine gegen die Ukraine gekämpft. Im April 2023 wurde der Soldat in
Tokmak, einer von Russland besetzten Kleinstadt im Gebiet Saporischschja,
nach einer Verletzung behandelt. Dabei nutzte er einen günstigen Augenblick
zur Flucht und kehrte nach Russland zurück. Dort versteckte er sich
zunächst.
Doch im September stellte er sich der Armee. Es folgte eine Inhaftierung im
Militärgefängnis von Rostow-am-Don. Auch hier nutzte er einen Arzttermin
zur Flucht. Mithilfe des russischen Netzwerkes „Idite lesom“ (deutsch:
„Geht in den Wald“ bzw. „haut ab!“), das russischen Männern hilft, dem
Kriegsdienst zu entgehen, gelang ihm schließlich die Flucht nach Armenien.
Dort wähnte er sich sicher. Schließlich hatte Armenien [1][noch nie
russische Kriegsdienstverweigerer nach Russland ausgeliefert]. Er sollte
der erste sein. Am achten Dezember, so berichtet das armenische Portal
epress.am, nahmen ihn Angehörige der russischen Militärpolizei direkt in
Gyumri fest.
In der zweitgrößten Stadt Armeniens befindet sich Russlands einzige
Militärbasis im Südkaukasus. Rund 3000 russische Soldaten sind hier
stationiert. Knapp zwei Wochen später wurde Dimitrij Setrakow ins russische
Rostow-am-Don überstellt.
## Unerhörter Vorgang
Für die armenische Helsinki Citizens’ Assembly-Vanadzor (HCA), eine
Organisation, die sich für Dialog und Menschenrechte einsetzt, ist die
Auslieferung von Setrakow ein unerhörter Vorgang. „In Armenien darf die
Freiheit einer Person nur durch die Strafverfolgungsbehörden der Republik
Armenien eingeschränkt werden. Die Militärpolizei der Russischen Föderation
ist dazu nicht befugt, würde sie doch mit solchen Maßnahmen die
Souveränität und das Rechtssystem der Republik Armenien verletzen“, heißt
es in einer Erklärung der Organisation.
Die HCA verurteilt die „Entführung und die illegalen Handlungen gegen eine
Person, die unter dem Rechtsschutz der Republik Armenien steht, [2][durch
die Militärpolizei Russlands auf dem Territorium der Republik Armenien].“
Die Organisation fordert die Regierung der Republik Armenien, die
Generalstaatsanwaltschaft und andere Strafverfolgungsbehörden auf, alle
notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Dmitrij Setrakow nach Armenien
zurückzuholen. Gleichzeitig fordert HCA die Einleitung eines
Strafverfahrens gegen die russische Militärpolizei.
Unterdessen wäscht die armenische Generalstaatsanwaltschaft ihre Hände
weiter in Unschuld. Man habe kein Auslieferungsersuchen erhalten und ihm
deswegen auch nicht stattgeben können, erklärte Lusine Martirosjan,
Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft, am Mittwoch.
Im Übrigen wisse man auch nichts von einer Fahndung nach Dmitri Setrakow.
Man werde den Vorwurf von Artur Sakunz von der HCA, der von einer
„Entführung eines russischen Staatsbürgers auf dem Territorium von
Armenien“ gesprochen hatte, von den zuständigen Behörden prüfen lassen.
Anschließend sei eine Einleitung strafrechtlicher Schritte zu erwägen.
## Keine Rechtsgrundlage
Nach Informationen des auf den Südkaukasus spezialisierten Portals
Jam-news.net dürfen die in Armenien stationierten Militärpolizisten nur
russische Soldaten festnehmen, die dem in Armenien stationierten russischen
Militär angehören. Dies bedeutet, dass es keine Rechtsgrundlage für die
Festnahme von Setrakow durch russische Militärpolizei gibt.
Als vor fünf Jahren die ersten russischen Militärpolizisten auf dem
russischen Militärstützpunkt in Armenien aufgetaucht seien, habe die
russische Seite, so jam-news.net, versichert, dass diese nur für die
interne Disziplin des Militärs auf dem Stützpunkt zuständig seien. Für
Dmitrij Setrakow kommen all diese Überlegungen und Handlungen zu spät. Bei
einer Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens von der Truppe drohen ihm
in Russland bis zu zehn Jahre Haft.
23 Dec 2023
## LINKS
[1] /Streit-ueber-russische-Deserteure/!5890226
[2] /Verhaeltnis-zu-Russland/!5921590
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Armenien
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