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# taz.de -- Rechtsexpertin über Verbraucherrechte: „Ein Akteur haftet immer�…
> Masterarbeit futsch, smartes Türschloss zu: Wenn Software Schäden
> verursacht, haben Verbraucher:innen schlechte Karten. Noch. Wird es
> besser?
Bild: Analoge Türschlösser
taz: Frau Noll, die EU-Gremien haben sich auf eine
Produkthaftungsrichtlinie geeinigt. Warum ist das wichtig für
Verbraucher:innen?
Meret Sophie Noll: Wenn Software Datenschäden verursacht – zum Beispiel die
Masterarbeit schreddert oder die Urlaubsfotos –, dann kann man als
Verbraucher:in bislang nicht viel machen. Die [1][aktuelle
Produkthaftungsrichtlinie] stammt aus dem Jahr 1985. Damals war von
Digitalisierung noch nicht viel zu sehen. Daher brauchte es dringend eine
Anpassung an das digitale Zeitalter.
Wie wird sich das konkret bemerkbar machen?
Die wichtigste Neuerung: Auch Software gilt als Produkt – und der
Hersteller ist haftbar, wenn dadurch ein Schaden entsteht. Und Software ist
heutzutage fast überall: Apps sind Software, aber [2][auch in Autos,
Staubsaugrobotern, Waschmaschinen oder Kaffeemaschinen steckt Software].
Was heißt das am Beispiel Masterarbeit oder Fotos?
Wichtig ist, dass es sich um einen Schaden handelt, der von der Richtlinie
abgedeckt ist. Das können zum Beispiel Schäden an Dingen sein, aber auch
körperliche Schäden und Datenschäden, das heißt, dass Dateien beschädigt,
zerstört oder verschwunden sind. Neu ist, dass auch medizinisch anerkannte
Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit als Schaden gelten, das ist
ein großer Fortschritt. Jetzt kommt allerdings die Hürde: Ich muss als
Verbraucher:in nicht nur nachweisen, was der Schaden ist, sondern auch
den Fehler am Produkt – und dass dieser Fehler den Schaden verursacht hat.
Ich muss also beispielsweise beweisen: Ein Softwarefehler hat dazu geführt,
dass alle meine Familienbilder weg sind.
Das dürfte ziemlich schwierig bis unmöglich sein.
Es wäre zumindest deutlich einfacher, wenn es eine Beweislastumkehr gäbe,
für die wir uns eingesetzt haben – leider ohne Erfolg. Wenn also immer der
Hersteller beweisen müsste, dass sein Produkt den Schaden nicht verursacht
hat. Aber immerhin gibt es ein paar Beweiserleichterungen für
Verbraucher:innen. Die greifen, wenn der Fall technisch oder
wissenschaftlich komplex ist – und da gehören unserer Ansicht nach die
[3][ganzen vernetzten Produkte wie Smartphones oder Smart-Home-Systeme]
dazu. Dann kann vermutet werden, dass es einen Fehler gab und der den
Schaden verursacht hat. In solchen Fällen muss dann tatsächlich der
Hersteller beweisen, dass das nicht der Fall war.
Klingt doch gut. Der Haken?
Der Haken ist, dass diese Beweiserleichterungen erst im Gerichtsverfahren
zum Tragen kommen. Ich brauche also als Verbraucher:in vorher trotzdem
eine gewisse Art von technischer Unterstützung. Da muss jemand mit
Sachverstand draufschauen und sagen: Ja, der Fehler im Produkt hat zum
Schaden geführt, daher lohnt es, vor Gericht zu gehen.
Und wen muss man dann verklagen?
Den Hersteller. Wenn man ein physisches Produkt hat, ist das einfach: Da
steht der Hersteller meist drauf und der ist dann der Anspruchsgegner.
Und bei Software?
Da ist es häufig so, dass es verschiedene Komponenten gibt: mehrere
Unternehmen, die Teile der Hardware hergestellt haben, von anderen kommt
die Software. Manchmal kann es da schwierig sein herauszukriegen, wer genau
der Hersteller ist. Das Gute ist: In den neuen Regeln ist festgelegt, dass
immer ein Akteur haftet und die Hersteller sich gegebenenfalls
untereinander in Regress nehmen müssen. Als Verbraucher:in ist man also
nicht dem Risiko ausgesetzt, dass sich alle aus der Haftung ziehen.
Am Ende kommen die Familienbilder nicht wieder, sondern es geht um einen
Schadenersatz in Form von Geld. Wie viel sind verlorene Fotos wert?
Das werden dann Gerichte entscheiden müssen, dazu gibt es noch keine
Rechtsprechung. Aber auch hier zeigt sich eine Verbesserung: In der alten
Richtlinie durfte man überhaupt erst dann klagen, wenn es um einen Schaden
von mindestens 500 Euro ging. Das war also schon mal eine Art Stoppschild.
Das fällt nun weg, es werden damit mehr Menschen die Chance haben, Schäden
geltend zu machen. Im besten Fall führt das dazu, dass die Hersteller mehr
Sorgfalt walten lassen bei der Entwicklung.
Wann werden die neuen Regeln gelten?
In den kommenden Wochen steht die formale Verabschiedung an, dann gibt es
eine zweijährige Frist für die Mitgliedsstaaten, das umzusetzen. Ich gehe
aber davon aus, dass die Bundesregierung das noch in dieser Legislatur tun
wird. Dass Verbraucher:innen sich besser gegen fehlerhafte Produkte
wehren können, ist also greifbar.
27 Dec 2023
## LINKS
[1] https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/1985/374/oj
[2] /Kuenstliche-Intelligenz-im-Verkehr/!5970068
[3] /Insolvenz-des-Fahrradherstellers-VanMoof/!5945207
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Digitalisierung
Regionale Produkte
Haftung
Internet der Dinge
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Datenschutz
Digitalisierung
EU-Parlament
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