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# taz.de -- Philosophin über Sicherheit im Netz: „Mündigkeit ist Übungssac…
> Ein innerliches „Kann ich doch eh nicht“ hält viele davon ab, sich mit IT
> zu beschäftigen. Expertin Leena Simon erklärt, wo jede:r anfangen kann.
Bild: Schlafzimmer sind meist gut vor den Blicken Dritter geschützt – digita…
taz: Abhörsicher zu kommunizieren bekommt mitunter nicht mal die Bundeswehr
hin, wie wir durch den [1][Taurus-Spionageskandal] erfahren haben. Gehört
das Wissen, mit welcher App das zum Beispiel geht, zur digitalen
Grundausstattung dazu?
Leena Simon: Ja, das wäre gut. Aber ich sehe auch, dass dieses Wissen noch
nicht weit verbreitet ist – und fairerweise muss man dazu sagen, dass die
Zahl der Anwendungen, die es dafür gibt, auch noch recht übersichtlich ist.
Welche würden Sie denn der Normalnutzer:in empfehlen?
Zum verschlüsselten Telefonieren ist die App Signal eine ganz gute und
leicht bedienbare Möglichkeit. Signal stößt aber an Grenzen, wenn mehr als
zwei Menschen miteinander sprechen wollen, das habe ich erlebt, als ich es
mit meinen Schwestern ausprobiert habe. Wir haben uns dann für
Videokonferenzen entschieden und dafür Jitsi und BigBlueButton genutzt.
Warum ist dieses Wissen so wenig verbreitet?
Wir sind es einfach nicht gewohnt, uns Gedanken über die Sicherheit der
Kommunikation zu machen. Dass wir mit Messengern verschlüsselt
kommunizieren, ist super, aber das tun wir ehrlicherweise auch nur deshalb,
weil diese Apps das standardmäßig so eingerichtet haben. Bei E-Mail ist es
umgekehrt: Da müssen sich die Nutzer:innen selbst um die Verschlüsselung
kümmern und es macht praktisch keiner. Dabei ist es da genauso wichtig: Ich
kommuniziere per Mail mit meiner Steuerberaterin, mit meinem
Versicherungsagenten und vielleicht mit der Schule meiner Kinder. Das sind
haufenweise private Informationen, die auf virtuellen Postkarten durch die
Welt geschickt werden.
Wer mal versucht hat, sich E-Mail-Verschlüsselung einzurichten, weiß: Das
ist nicht supereinfach. Warum sollten sich Menschen trotzdem mit solchen
Fragen befassen?
Wir brauchen eine andere Einstellung zu Technik, um die Probleme unserer
Zeit in den Griff zu kriegen. Ganz viele dieser Probleme hängen damit
zusammen oder werden dadurch verschärft, dass wir seit 20, 30 Jahren das
Internet weitgehend unüberlegt nutzen.
Zum Beispiel?
Nehmen wir den [2][Klimawandel], das wahrscheinlich größte Problem unserer
Zeit. Wir könnten als Gesellschaft deutlich mehr gegen diese Bedrohung tun,
wenn alle Menschen zumindest grob das Wissen der entsprechenden
Expert:innen zur Kenntnis nehmen und verstehen und die Konsequenzen
daraus ziehen würden.
Aber wie kann dabei Digitalkompetenz helfen?
Na ja: Was war denn zum Beispiel mit dem [3][Gebäudeenergiegesetz]? Es war
ursprünglich eine sinnvolle Idee, den breiten Gebäudebestand schrittweise
mit klimafreundlicheren Heizungen auszustatten. Aber weil die Debatte darum
so von Fake News geprägt war – zum Beispiel, dass man nun ganz schnell eine
funktionierende Heizung austauschen müsste und man dann nicht mehr heizen
könne –, ist fast nichts davon übrig geblieben. Es gibt also eine große
Lücke in der Kompetenz beim Umgang mit Informationen, die etwa über Social
Media verbreitet werden.
Dass diese Inhalte so weit verbreitet werden, hängt aber auch mit den
Algorithmen der Onlineplattformen zusammen, die polarisierende Inhalte
stärker ausspielen.
Das stimmt, wir sind im Moment stark mit Technik konfrontiert, die uns die
digitale Mündigkeit schwer macht. Die Konzerne halten ihre Algorithmen
geheim und manipulieren uns. Zum Beispiel durch Dark Patterns bei
Cookie-Bannern, wo wir auf den großen grünen O.-k.-Button klicken und damit
in alle Datensammeleien einwilligen, statt auf den kleinen grauen
Ablehnen-Button. Da erzieht die Technik die Menschen zu entmündigten
Nutzer:innen.
Also müssen doch nicht die Nutzer:innen etwas tun, sondern die Politik
muss die Unternehmen besser regulieren?
Es ist ein Wechselspiel: Die Politik muss wichtige Rahmenbedingungen
schaffen. Die Nutzer:innen wiederum müssen das von der Politik
einfordern, aber gleichzeitig auch bewusst darüber entscheiden, welche
Dienste sie nutzen, zumindest dort, wo es eine Wahl gibt. Und die gibt es
eben in einigen Bereichen schon. Whatsapp oder Signal? Google Maps oder
OpenStreetMap? Zoom oder Big Blue Button? Was im Markt gut läuft, was groß
wird, das entscheiden wir selbst. Und da muss sich jede und jeder Einzelne
der Verantwortung stellen.
Wenn nun jemand anfangen will: Was sind die ersten Schritte?
Der erste Schritt ist die Entscheidung, Verantwortung zu übernehmen. Im
zweiten Schritt ergeben sich daraus erst einmal ganz viele Fragen. Zum
Beispiel will man eine neue App installieren: Was macht die eigentlich mit
meinen Daten? Welche sammelt sie überhaupt? Dann fängt man an, die AGB zu
suchen, verzweifelt daran, sie zu verstehen – und vielleicht steht dann am
Ende die Entscheidung, lieber auf die App zu verzichten. Vielleicht auch
die Entscheidung, dass die App das Risiko wert ist. Beides ist okay. Das
Wichtige: Ich habe mich damit befasst, etwas gelernt und eine bewusste
Entscheidung getroffen.
Ist nicht spätestens nach der Lektüre der AGB die Versuchung groß, einfach
aufzugeben?
Vielleicht. Aber wenn ich zum Beispiel operiert werden muss, läuft es ja
genau so: Ich bekomme einen Aufklärungsbogen, lese den, kann vielleicht
noch Nachfragen stellen und am Ende unterschreibe ich. Das ersetzt kein
Medizinstudium, ich kann ganz sicher nicht alles zu hundert Prozent
absehen. Aber es ist eine bewusste Entscheidung auf der Wissensbasis, die
für mich leistbar ist. Und genauso wenig muss ich selbst programmieren
können oder Jura studiert haben, um mündig darüber zu entscheiden, wie ich
mich in der digitalen Welt bewege.
Sie schlagen vor, täglich 30 Minuten ein Technikproblem selbst zu lösen,
ohne jemanden um Hilfe zu bitten. Was soll das helfen?
Das ist eine Methode zum Empowerment. Die meisten Leute werden nämlich
merken, dass sie erstaunlich viel selbst lösen können und vielleicht sogar
nur 10 Minuten brauchen statt 30. Es gibt ja auch andere Hilfe: Man kann
eine Suchmaschine fragen, in Technikforen schauen oder auf Hilfe-Seiten der
Software. Und die 30 Minuten sind wichtig, um sich geistig darauf
einzulassen. Eine halbe Stunde lang guckt man nicht in die Luft und sagt
„Ach, ich kann das eh nicht“, sondern macht etwas. Das ist ein wichtiger
innerlicher Schritt. Und ganz ehrlich: Ich finde schon, dass wir an uns
selbst den Anspruch haben sollten, zumindest meistens zu wissen, was wir
tun. Wir wollen ja auch selber Auto fahren, selber einkaufen, selber
entscheiden, wo wir wohnen.
Was ist der Hebel, mit dem Nutzer:innen am meisten bewirken können?
Ich sehe zwei. Der erste: freie Software nutzen, also solche, wo der
Quellcode offen liegt. Und zwar wo immer möglich. Wer Android nutzt, kann
solche freien Apps über den Appstore F-Droid installieren. Die Auswahl ist
hier kleiner als bei Google, aber es gibt erfreulich viel. Der zweite: Wir
sollten dringend unser Social-Media-Verhalten unter die Lupe nehmen und
ausbrechen aus den toxischen Algorithmen von Facebook, X, Instagram und Co.
Denn es gibt sehr angenehme Alternativen, zum Beispiel das Fediverse, mit
seiner bekanntesten Plattform Mastodon. Man kann diesen Alternativen
einfach mal eine Chance geben. Denn digitale Mündigkeit ist auch
Übungssache. Und je länger wir üben, desto weniger vulnerabel sind wir.
3 Apr 2024
## LINKS
[1] /Abhoer-Skandal-um-Taurus-System/!5999492
[2] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
[3] /Gebaeudeenergiegesetz-der-Ampelkoalition/!5935237
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Digitalisierung
Verbraucherschutz
IT-Sicherheit
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Digitalisierung
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