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# taz.de -- Neues Microhouse-Album von Isolée: Endstation Sehnsucht
> Houseproduzent Isolée bricht sein Schweigen. Mit dem Album „Resort
> Island“ umsegelt der Hamburger souverän die eigenen künstlerischen
> Klippen.
Bild: Ab und an eine Statusmeldung: Isolée
„Bei der Produktion am neuen Album habe ich so seh wie noch nie den
Dancefloor mitgedacht“, vertraut mir Isolée an, während wir es uns zu
fortgeschrittener Stunde – die Uhr schlägt bald Mitternacht – auf einer
Parkbank gemütlich gemacht haben.
Im Laufe der Nacht soll dieses Zentrum zu eben jenem Dancefloor werden, für
den „Resort Island“, das insgesamt vierte Album des in Hamburg beheimateten
Isolée, gemacht wurde. Rajko Müller, wie der Produzent bürgerlich heißt,
macht nach einigen Wirrungen um Zimmerschlüssel und Getränkemarken einen
gelassenen Eindruck; er wolle irgendwann zum DJ-Pult, da [1][sein Kumpel,
Produzent und DIAL-Labelbetreiber Lawrence] auflegt.
Es war eine unerwartete Nachricht, als im Frühjahr verkündet wurde, dass
nach zwölf Jahren Funkstille endlich ein neues Album des 1971 in Frankfurt
geborenen Isolée veröffentlicht würde. [2][Der bis dahin letzte Langspieler
„Well Spent Youth“ war bereits 2011 bei DJ Kozes Label Pampa erschienen].
Schon damals hatte dies Nachrichtenwert, zwischen Album zwei und drei
hatten wiederum sieben Jahre gelegen.
## Höheres Energielevel
Die Künstleridentität Isolée ist niemand, die sich hetzen lässt; die Person
Rajko Müller hingegen pflegt ein höheres Energielevel. Schnell springt er
in seinen Antworten von Gedanken zu Gedanken, erkennt in den Nebensätzen
neue Ansatzpunkte und skizziert seine Karriere in flotten Pinselstrichen.
Warum Müller von seiner musikalischen Sozialisation im Indie der 1990er
Jahre erzählt, weshalb er immer noch das Songwriting von Depeche Mode ehrt,
wieso er dann seinen ersten Hit, den Housetrack „Beau Mot Plage“ komponiert
hat – alles ergibt Sinn. Es klingt wie ein unveröffentlichter Bildungsroman
zur Generation X, der von einem besonderen Verhältnis zu Theorie und
Kultur, zu Stil und Pose, zu Haltung und Feingeistigkeit handelt.
Natürlich ist das auf „Resort Island“ zu hören: Es beginnt bei
quicklebendigen Sample-Schnipseln, die von Isolée zu wunderschön
melancholischen Tracks konstruiert werden. So wirft einen der Auftakt,
„Coco’s Vista“, in eine krypto-elegische Strandatmosphäre mit einem Beat,
der sich Richtung karibischer Soca assoziieren lässt, ohne je konkret daran
anzuschließen.
## Distanz zu den Vorbildern
Distanz zu seinen Vorbildern kennt man bereits aus der Frühzeit, wo sich ab
1996 ein eigener, kühlerer Sound aus dem US-Deephouse herausschälte.
Zeitgleich mit dem Label Perlon und dem Star-DJ Ricardo Villalobos bastelte
der Wahl-Hanseat an einer Technik, die unzählige Microsamples zu
kopfstarken Dancemosaiken verfugte: Folgerichtig prägte der US-Autor
Philipp Sherburne 2001 den Begriff „Microhouse“ für diese Form, die selten
auf Tuchfühlung ging, sondern würdigen Abstand hielt.
Das Spiel aus nah und fern zeigt sich auch bei „Pardon my French“, einer
retroaktiven Popnummer, die an die Primetime des Musiksenders Viva 2 und an
Videoclips von Röyksopp bis Air in Dauerschleife erinnert. Bei fußwippenden
121 Bpm ziehen sich feingliedrige Streicher-Synths, Bleeps, Effekte und ein
poppiger Beat über mehr als fünf Minuten.
Es ist der willkommene Gegenentwurf zur derzeitigen Discomanie, die sich
gerade bei ADHS-induzierenden 150 Bpm einfinden – eine Entwicklung, die
Isolée „baff“ werden ließ. Er selbst halte da nicht mit. Stattdessen spie…
er stärker denn je mit Ideen von Vereinzelung, wie bereits der Albumtitel
und der Name des Labels, „Resort Island“, verrät.
## Auf der Suche nach Fluchtorten
Doch ganz so einfach ist das nicht: „In der Musikästhetik gibt es ein
Zusammenspiel aus glatter Hochglanzästhetik von Urlaubsresorts, was man
oberflächlich interessant finden kann, und der Intuition, dass man dann
doch keine Zeit dort verbringen möchte.“ Vermutlich sei er ständig auf der
Suche nach Fluchtorten. „Wenn man das Gefühl bekommt, gerade bricht alles
um einen herum zusammen, wird ‚Resort Island‘ zum Sehnsuchtsort – zuminde…
einem musikalischen. Dann jedoch entpuppt sich das als Illusion. Da kommen
viele Wendungen zusammen.“
Ähnlich reich an Wendungen zeigt sich die Reihung der Tracks, die zwischen
klar strukturierten Tanzflächenstücken und lyrischen, ambienteren Klängen
(„Let’s Dence“) changiert. Oft fühlt man sich an seinen Hit „Beau Mot
Plage“ erinnert, der nicht ohne Grund als einer der wichtigsten
Housetracks in die Sammlung des Frankfurter MOMEM – Museum Of Modern
Electronic Music aufgenommen wurde.
Ob er, wie man es mitunter als Rockstar pflegt, seinen Hit eigentlich
hasst? „Abneigung hegte ich gegen das Stück nie – mit 25 Jahren Abstand
schon gar nicht.“ Es habe Momente gegeben, als Remix-Anfragen bei ihm
eintrudelten, ob er nicht wieder so was wie „Beau Mot Plage“ machen könne.
„Das fand ich öde.“ Heute könne er sogar sagen: „Ich bin stolz auf das
Stück!“
Wenn bei „Modernation“ von „Resort Island“ die Gitarren kurz angeschlag…
werden, wird die Klangverwandtschaft offensichtlich; und das ist die
Leistung dieses neuen Werks: Es überwindet mehrere Dekaden Microhouse, ohne
je verstaubt zu klingen. Im Gegenteil: Die Musik klingt wie der Anfang
eines kommenden Revivals, bei dem introvertiertere Klänge und der Künstler
Isolée bedeutende Rollen einnehmen.
27 Dec 2023
## LINKS
[1] /Neues-Album-von-DJ-Lawrence/!5056966
[2] /Neue-Elektronika-von-Isolee/!5128255
## AUTOREN
Lars Fleischmann
## TAGS
House
Neues Album
Hamburg
Musik
Pop
Pop
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