# taz.de -- Neue Elektronika von Isolée: Diskrete Musik | |
> "Well Spent Youth" von Isolée ist das erste Release auf DJ Kozes Label | |
> Pampa Records. Es ist auf subtile Weise verstörend – und irgendwie auch | |
> zum Tanzen geeignet. | |
Bild: Erinnert von der Covergestaltung ein wenig an "Sleeping With Ghosts" von … | |
Auf die Frage, was er die letzten Jahre über so gemacht hat, antwortet er: | |
"Musik". Was bei einem Musiker sonst als selbstverständlich gelten sollte, | |
ist bei Rajko Müller alias Isolée nicht unbedingt sicher. Sein vorletztes | |
Album erschien 2005. Jetzt hat Müller mit "Well Spent Youth" endlich einen | |
neuen Langspieler fertiggestellt. Es ist der dritte in elf Jahren. | |
Wer in einem schnelllebigen Genre wie House bestehen will, sollte | |
eigentlich schneller sein. Doch Isolée war immer schon ein bisschen anders. | |
Seit seinem Debütalbum zählt der in Frankfurt und Algerien aufgewachsene | |
Rajko Müller zu den großen Innovatoren des House-Genres. | |
Mit seinem Debütalbum "Rest" von 2000 lieferte er aus dem Stand ein Album | |
ab, auf dem er Störgeräusche und melancholische Melodien über sparsame | |
digitale Beats legte. Kritiker erklärten das Album schnell zum Klassiker | |
der elektronischen Musik. Die Single "Beau Mot Plage" mit elegischer | |
Gitarrenmelodie – die aus einem Synthesizer stammte – wurde ein | |
internationaler Clubhit. | |
Doch während andere Produzenten in regelmäßigen Abständen Maxis | |
herausbringen, um den Anschluss an die Szene zu wahren, geht Isolée weit | |
skrupulöser vor. Nach seinem genredefinierenden Erstling – man sprach | |
damals von Microhouse – wollte er auf keinen Fall die Erwartungshaltung | |
seiner Fans befriedigen. | |
Und so arbeitete er fünf Jahre am Nachfolgealbum "We Are Monster", mit dem | |
er das heutige Disco-Revival auf sehr eigene Weise vorwegnahm – zu einer | |
Zeit, als der praktisch melodiefreie, stark reduzierte Minimal House auf | |
den Tanzflächen den Takt angab. "Eine schwere Geburt" sei das damals | |
gewesen, sagt Müller. Ein Erfolg wurde es trotzdem. | |
Neue Möglichkeiten, neue Gefahren | |
Die beflügelnde Wirkung dieses Befreiungsschlags blieb jedoch aus, als er | |
sich an die nächste Platte machen wollte. "Ich habe mir das auch ein | |
bisschen schneller vorgestellt", räumt er ein. Allerdings musste er | |
feststellen, dass sich die Zeiten seit seinem Debüt ein wenig geändert | |
hatten. So boten die technisch erweiterten Produktionsmittel der | |
Musiksoftware nicht nur neue musikalische Möglichkeiten, sondern auch neue | |
Gefahren, sich in der beständigen Verfeinerung zu verlieren. "Vorher war | |
man durch die Begrenztheit der Mittel gezwungen, einen Schlusspunkt zu | |
finden." | |
Vor allem aber konnte er nicht mehr mit der gleichen Naivität zu Werk | |
schreiten wie einst, sagt Müller. Stattdessen übte er sich in Skepsis. "Man | |
könnte denken, dass in dem Genre alles gesagt ist." Hinzu kam, dass er sich | |
mit seinem bisherigen Label Playhouse überworfen hatte und überhaupt nicht | |
feststand, wo die neue Platte erscheinen sollte. Ein gebrochener Knöchel | |
setzte ihn 2007 eine Weile vollständig außer Gefecht. Angesichts dieser | |
widrigen Umstände hätte man mit dem Schlimmsten rechnen dürfen. Doch "Well | |
Spent Youth" enttäuscht nicht. | |
Statt sich zum Beispiel aktuellen Revival-Trends anzuschließen, hat Müller | |
sich auf das konzentriert, was er am besten beherrscht: unerwartete und | |
gegensätzliche Klänge aufeinander loszulassen, bei denen man nicht weiß, ob | |
sie am Computer oder mit herkömmlichen Instrumenten erzeugt wurden, und sie | |
dann sanft über einen geraden Beat zu zurren, ohne dass einem die | |
Heterogenität mit deutlichen Gesten um die Ohren gehauen würde. Alle | |
Zutaten werden so lange amalgamiert, bis sie nur noch nach Isolée klingen – | |
auf subtile Weise verstörend und irgendwie auch zum Tanzen geeignet. Zwang | |
wendet Müller keinen an. | |
"Ich finde dieses nicht ganz Offensichtliche und nicht ganz Greifbare gut. | |
Damit kann man viel verschwimmen lassen." Man kann mit solch einer Haltung | |
auch faden Computerbrei erzeugen, doch weiß Müller sich so virtuos im Vagen | |
zu bewegen, dass er daraus eine eigene Kunstform entwickelt. | |
In Hamburg angekommen | |
Müller, der seit einigen Jahren in Hamburg lebt, hat in der Hansestadt | |
geistesverwandte Freunde gefunden: Da ist zum einen die Szene um die Labels | |
Dial und Smallville mit feinsinnig melancholischen House-Produzenten wie | |
Lawrence oder Pantha du Prince, zum anderen der für erstaunliche | |
Geräuschkombinationen bekannte Stefan Kozalla alias DJ Koze. Kozalla, mit | |
dem Müller schon lange befreundet ist, gründete 2009 sein Label Pampa | |
Records, auf dem "Well Spent Youth" jetzt als erstes Album erscheint. | |
"Ich finde es ganz gut, dass man in Hamburg so einen Sound hat, den man | |
einer Stadt zuordnen kann." Isolée ist mit seiner Musik längst in Hamburg | |
angekommen. Das leicht Melancholische, Diskrete seiner Tracks scheint an | |
der Elbe bestens aufgehoben. Bei den Clubs sieht Müller allerdings | |
Verbesserungsmöglichkeiten: "Ich finde, in Hamburg haben es die Clubs nicht | |
immer leicht. In Frankfurt hat man das Gefühl, das ist eine Stadt, wo man | |
mit House und Techno sozialisiert wird. Das ist in Hamburg nicht ganz so | |
präsent." | |
21 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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