| # taz.de -- Lokalwahlen in Tunesien: Jetzt nicht aus dem Staub machen | |
| > Tunesien entwickelt sich immer mehr zur Autokratie. Umso wichtiger wird | |
| > Europa als Partner der dortigen Zivilgesellschaft. | |
| Bild: In einem Wahllokal in Tunis, 24.12.2023 | |
| Wer auf der Suche nach einem ruhigen und menschenleeren Ort ist, solle | |
| einfach eines der Wahllokale aufsuchen, hieß es am vergangenen Sonntag auf | |
| sozialen Medien. Mit bissigen Witzen wie diesem kommentierten viele | |
| Tunesier:innen [1][die Lokalwahlen in ihrem Land]. Ohne Wahlkampf, | |
| Informationen über die Kandidaten oder den genauen Aufgabenbereich der | |
| neuen Parlamentskammer nahm kaum jemand von der Wahl Notiz. Dass in dem | |
| ehemaligen Vorzeigeland des Arabischen Frühlings nur noch jede:r Zehnte | |
| die Stimme abgibt, ist dramatisch. | |
| Die Mehrheit hält Präsident Kais Saied immer noch für eine ehrliche Haut | |
| und nimmt ihm ab, gegen Radikale und die Wirtschaftsmafia vorzugehen. Doch | |
| seine Versprechen hat er bisher nicht halten können. Wer dies kritisiert, | |
| gerät schnell ins Visier seiner Anhänger. In Europas wichtigstem | |
| afrikanischen Partnerland beim Thema Migration haben vor allem junge Leute | |
| längst nur noch einen Lebensplan: Auswandern, am besten nach Europa. | |
| Europa will wegen der ebenfalls rekordverdächtigen Zahl der aus Tunesien | |
| auf Lampedusa ankommenden Boote am vereinbarten Migrationsabkommen | |
| festhalten. Obwohl aktuell wieder Flüchtlinge von den Sicherheitskräften | |
| [2][im Grenzgebiet zu Libyen ausgesetzt werden]. Der Abschluss des | |
| Basisdemokratie-Experiments von Kais Saied muss nun dazu genutzt werden, | |
| nachzuverhandeln. Macht sich der Westen aus dem Staub, wird die Lage für | |
| die Migrant:innen und die tunesische Zivilgesellschaft noch schwieriger. | |
| Der Besuch des russischen Außenministers Sergei Lawrow in Tunis und die | |
| neuen Wirtschaftsabkommen mit China zeigen: Andere Autokraten warten nur | |
| darauf, ein weiteres westliches Vakuum auf dem Kontinent für sich zu | |
| nutzen. Durch seine moralischen Doppelstandards gegenüber zivilen Opfern in | |
| Gaza und der Ukraine hat der Westen aus Sicht vieler Menschen in Nordafrika | |
| jegliche Glaubwürdigkeit eingebüßt. Vielleicht ein guter Moment für einen | |
| [3][Dialog auf Augenhöhe]. | |
| 27 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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