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# taz.de -- Weihnachtskrippen in Italien: Canceln auf Italienisch
> Nicht nur Deutschlands Rechte fürchten das Ende traditioneller
> Weihnachtsbräuche. Italienische Politiker machen sich für ein
> Krippen-Schutzgesetz stark.
Bild: Krippenfiguren
Rom taz | Vor genau 800 Jahren, in der Weihnachtsnacht 1223, ließ der
heilige Franz von Assisi die Menschen aus dem nördlich von Rom gelegenen
Bergdorf Greccio Christi Geburt nachstellen. Sein Einfall war der Ursprung
eines Erfolgsmodells, das heute jedes Jahr millionenfach in italienischen
Haushalten, in Kirchen und Schulen aufgestellt wird: der Krippe mit Madonna
und ihrem Joseph, Ochs, Esel und den Hirten sowie den drei Königen, die von
der Seite heranreiten.
Doch die Idylle ist bedroht, wenigstens, wenn man Lavinia Mennuni glauben
darf, der Senatorin aus der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia,
[1][deren Chefin Giorgia Meloni] die Ministerpräsidentin Italiens ist.
Sie legte jetzt den Bürger*innen des Landes den von ihr gerade ins
Parlament eingebrachten Entwurf für ein Krippenschutzgesetz unter den
Weihnachtsbaum.
„Seit einigen Jahren“, so entrüstet die Senatorin sich, „stehen wir vor
inakzeptablen und peinlichen Entscheidungen einiger Schulleitungen, die
Krippen in Schulen verbieten oder ihren tiefen Sinn verändern, indem sie
zum Beispiel das Weihnachtsfest in halb gare Winterfeierlichkeiten
umdefinieren, um Gläubige anderer Religionen nicht zu verletzen.“
## Wer keine Krippen will, bekommt Geldbußen
„Verbote verbieten“ will die Senatorin deshalb. Wann immer Schulleitungen
sich gegen Krippen sperren, drohen künftig Disziplinarverfahren und saftige
Geldbußen, schließlich müsse man „unsere kulturellen Wurzeln verteidigen,
die in der Krippe ein herausragendes Beispiel haben“.
Beifall gab es sofort vom stockkonservativen Elternverband MOIGE, der ohne
weitere Belege behauptet, „in bestimmten Klassen“ werde „die Verwendung d…
Worts Jesus verboten“, gut sei deshalb ein Gesetz, das sich der
„Religionsphobie“ entgegenstelle. Als Beispiel dieser „Phobie“ dient je…
eine Schule im norditalienischen Padua, in der die Zeile des
Weihnachtslieds „Der Komet“ von „Jesus wird geboren“ gereinigt worden s…
denn aus Gesù, dem Jesus, sei dort Cucù, der Kuckuck, geworden.
Luca Zaia, Präsident der Region Venetien von der rechtspopulistischen Lega,
regte sich gebührend auf über diesen Anschlag auf „unsere Religion, unsere
Identität, unsere Kultur“, doch auch solche Eingriffe ins Brauchtum sollen
in Zukunft durchs neue Gesetz sanktioniert werden.
## Gesetzlich geregelte Traditionspflege
Da wundert sich Antonello Giannelli, Präsident der Nationalen Vereinigung
der Schuldirektoren, einigermaßen. „Deplatziert“ sei der Versuch,
Traditionspflege „gesetzlich zu verordnen“; erst recht, weil das
italienische Gesetz den Schulen auf diesem Feld Autonomie einräumt. Etwas
schärfer formuliert es Riccardo Magi von der kleinen linksliberalen Partei
+Europa. „Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk“ presche Italiens Rechte zu
Weihnachten mit dem Vorschlag zum Schutz der christlichen Traditionen vor,
„die gleiche von Giorgia Meloni angeführte Rechte, unter der die Heilige
Familie, auf der Flucht vor Verfolgung, [2][jetzt in einem Abschiebezentrum
säße]“.
Doch auch wer Krippen aufstellt, macht es den christkonservativen Kräften
nicht immer recht. Der Priester Vitaliano Della Sala etwa hat sich ein
neues Setting rund um das Jesuskind ausgedacht. In seiner kleinen
Dorfkirche gibt es keinen Joseph, sondern gleich zwei Madonnen, die das
Jesuskind anbeten, „weil ich dieses Jahr das Weihnachtslicht über den
homosexuellen Familien leuchten sehe, die von unmenschlichen, dem
Evangelium feindlichen Kritiken und Verdammungsurteilen getroffen werden“.
„Einem Pfarrer dürfte es nicht erlaubt sein, Weihnachten in Karneval zu
verwandeln“, zürnte der prominente rechte Journalist Pietro Senaldi. Das
meint auch Alfredo Antoniozzi von den Fratelli d’Italia. „Ein Teil der
Kirche“ betreibe da „die absolute Deformation des Christentums“, die
„LGBT-Krippe ist eine absolute Dummheit“, befindet er. Dorfpriester Della
Sala versteht die Aufregung nicht: Ihm gehe es um „eine Kirche der
Ausgeschlossenen, nicht um eine Kirche des Ausschlusses“, erklärte er.
23 Dec 2023
## LINKS
[1] /Ein-Jahr-Meloni/!5959210
[2] /Fluechtlingsdeal-mit-Albanien/!5976094
## AUTOREN
Michael Braun
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Krippe
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Italien
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Anti-Rassismus
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