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# taz.de -- Indonesien vor der Wahl: Demokratie in Gefahr
> Am 14. Februar wird in Indonesien gewählt. Die plötzliche politische
> Wende des scheidenden Präsidenten Widodo besorgt
> Menschenrechtsaktivisten.
Bild: Präsidentschaftskandidat Prabowo Subianto in Jakarta, Indonesien, 27.11.…
Jakarta/Semarang taz | Mit einer überraschenden Rochade hat Indonesiens
bald scheidender Präsident „Jokowi“ Joko Widodo [1][seinen langjährigen
Herausforderer Prabowo Subianto] zum Favoriten der Wahl im Februar gemacht.
Denn der umstrittene Ex-General kandidiert jetzt plötzlich zusammen mit
Jokowis ältestem Sohn Gibran Rakabuming Raka (36) als seinem
Vizekandidaten. Damit erfreut sich Prabowo der öffentlichen Rückendeckung
des bisher noch sehr beliebten Präsidenten.
Der für autoritären Regierungsstil stehende Prabowo, der wegen seiner
mutmaßlichen Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen in der
Suharto-Diktatur ein jahrelanges Einreiseverbot in den USA hatte, überholte
seitdem in den Meinungsumfragen den bisherigen Spitzenkandidaten, den
Reformer Ganjar Pranowo.
Umfragen gelten zwar in Indonesien als nicht zuverlässig. Trotzdem
schrillen seitdem bei vielen Reformkräften, die sich über Jokowis Wende
ärgern, die Alarmglocken: „Wir waren nicht darauf vorbereitet, bei dieser
Wahl so um unsere junge Demokratie kämpfen zu müssen“, klagt eine
Demokratie- und Menschenrechtsaktivistin aus Zentraljava, der Heimatregion
Ganjars.
Sie verweist auf einen Brief, der dort kürzlich die Dorfbürgermeister eines
Distriktes aufforderte, sich bei der Polizei in der Provinzhauptstadt
Semarang zu melden. Denn sie seien einer Einladung in die Hauptstadt
Jakarta nicht gefolgt. Dort sollten sie – die eigentlich zur Neutralität
verpflichtet sind – auf die Unterstützung des Kandidatenpaars
Prabowo-Gibran verpflichtet werden.
## Jokowi darf laut Verfassung nicht erneut kandidieren
Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Februar darf Jokowi
[2][nach zwei Amtszeiten] laut Verfassung nicht erneut kandidieren. In den
Präsidentenpalast einziehen möchte neben Prabowo und Ganjar auch der
Ex-Gouverneur von Jakarta, Anies Baswedan. Ihm wird ideologische Nähe zu
Islamisten nachgesagt, doch liegt er in Umfragen meist nur auf dem dritten
Platz.
Der neue Favorit Prabowo hatte sich schon zweimal um das höchste Amt im mit
270 Millionen Einwohnern viertgrößten Staat der Welt beworben. Beide Male
hatte er gegen Jokowi verloren, [3][zögerte aber bei der Anerkennung seiner
Niederlagen]. Jokowi machte ihn schließlich zum Verteidigungsminister, um
ihn einzubinden.
Noch Mitte September lächelten Jokowi und sein bis dahin hochfavorisierter
Parteifreund Ganjar einträchtig von ersten Wahlplakaten. Wegen Ganjars
erfolgreichem Kampf gegen die Korruption war das von ihm regierte
Zentraljava schon zweimal als Indonesiens „integerste“ Provinz
ausgezeichnet worden. Anerkannt sind auch sein Einsatz für die
Armutsbekämpfung und deutliche Verbesserungen der Infrastruktur.
Bei einem Treffen im September von mehreren hundert Wahlkampfhelfer_innen,
die Jokowi 2019 unterstützt hatten und jetzt für Ganjar kämpfen wollten,
formulierte der Präsident die Hoffnung, dass sein Parteifreund seine
erfolgreiche Arbeit fortsetzen werde. Zugleich betonte Jokowi, wie wichtig
Vertrauenskultur in der Politik sei.
## Oberster Verfassungsrichter verbandelt
Doch einen Monat später war alles ganz anders: Die zwei lächelnden Herren
in weißen Hemden auf den Plakaten waren plötzlich Jokowi und Prabowo. Bis
Ende Oktober mussten die Spitzenkandidaten ihre Stellvertreter benennen.
Aber erst musste das Verfassungsgericht entscheiden: Darf Jokowis
36-jähriger Sohn Gibran, der noch nicht das gesetzliche Mindestalter von 40
Jahren erreicht hat, überhaupt für das Amt des Vizepräsidenten kandidieren?
Das Gericht stimmte zu, mit dem Argument, Politiker mit regionalen
Erfahrungen dürften auch jünger sein. Gibran ist seit zwei Jahren
Oberbürgermeister der Stadt Solo. Umgehend wurde er als Vize von Prabowo
inthronisiert. Das Problem: Der oberste Verfassungsrichter ist Jokowis
Schwager.
Selbst amtierende Minister_innen reagierten bestürzt. Es hagelte Kritik.
Auch Megawati Soekarnoputri, Tochter des Staatsgründers Sukarno,
Ex-Präsidentin und Vorsitzende der PDI-P Partei, der sowohl Jokowi, Gibran
als auch Ganjar angehören, mahnte.
Zunächst schienen den Spekulationen keine Grenzen gesetzt angesichts der
180-Grad Wende des Präsidenten: Will Jokowi eine politische Dynastie
aufbauen? Schließlich hat der 72-jährige Prabowo schon mehrere
Schlaganfälle hinter sich und könnte aus Gesundheitsgründen bald die Macht
an seinen jungen Vize übergeben müssen. Will Jokowi, für viele noch das
Verständlichste, den dritten Kandidaten Anies und damit die islamischen
Fundamentalisten in Schach halten? Oder kommt es ganz anders, und Prabowo
würde nach einem Wahlsieg Jokowis Familie abservieren und Indonesiens
schwierigen Weg zur Demokratie endgültig stoppen?
Während der Reformer Ganjar darauf pocht, politisch „sauber“ zu sein und
seinen Wahlkampf vorwiegend basisorientiert organisiert, stehen hinter
Prabowo und Gibran wirtschaftliche Interessen und historisches Vergessen:
Die zahlenmäßig starke junge Generation erinnert sich nicht an Prabowos
Greueltaten aus der Suharto-Ära. Sie erfreut sich vielmehr an der Jugend
des Vizekandidaten und an lustigen TikTok-Videos und Wahlplakaten, die das
ungleiche Paar als Karikaturen präsentieren.
Das Beispiel der Dorfvorsteher in Zentraljava oder Bilder vom Militär
abgerissener Ganjar-Plakate in Nord-Sumatra legen die Vermutung nahe, dass
Polizei und Militär vom Präsidenten den Auftrag haben, sich für seinen Sohn
und den Ex-General einzusetzen und entsprechenden Druck auszuüben.
Indonesien Demokratie, die schon als drittgrößte der Welt bezeichnet wurde,
droht ein Rückschlag.
8 Dec 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Harriet Ellwein
## TAGS
Indonesien
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