| # taz.de -- Thema Gesundheit auf UN-Klimakonfernz: „Kein nettes Mittelmeerkli… | |
| > In Dubai steht das Thema Gesundheit auf der Agenda. Das ist laut dem | |
| > Gesundheitsexperten Christian Schulz auch für Deutschland ein Durchbruch. | |
| Bild: Die Stadt Lille verschafft mit Wasserverneblern Abhilfe von der Sommerhit… | |
| taz: Bei der [1][UN-Klimakonferenz in Dubai] sind die Auswirkungen des | |
| Klimawandels auf die menschliche Gesundheit in diesen Tagen erstmals eines | |
| der großen Themen. In Deutschland scheint mir das Gesundheitsrisiko | |
| Klimawandel dagegen nicht sehr präsent zu sein, Herr Schulz? | |
| Christian Schulz: Die Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit der | |
| Menschen sind tiefgreifend. Das direkteste und einfachste Beispiel ist | |
| Hitze. Aber es geht auch um neue Infektionserkrankungen, um | |
| Luftverschmutzung, um Lungenerkrankungen, um mentale Gesundheit. In den | |
| letzten Jahren ist gerade im Gesundheitssektor das Verständnis dafür stark | |
| gewachsen. Die Energiewende ist das größte Gesundheitsprojekt unserer Zeit. | |
| Das sagen auch die Weltgesundheitsorganisation und das | |
| Robert-Koch-Institut. Trotzdem scheint es teils die Einstellung zu geben: | |
| Dann wird es hier halt ein paar Grad wärmer, so wie jetzt in Süditalien | |
| oder Spanien. Und darauf könnten wir uns ja dann einstellen.... | |
| So simpel ist es eben nicht. Wir sind jetzt schon nicht angepasst, und mit | |
| jedem Zehntelgrad steigen die Auswirkungen nicht linear, sondern sprunghaft | |
| an. Das heißt, wir haben dann hier nicht irgendwie ein nettes | |
| Mittelmeerklima, sondern wir werden mit einer sehr viel höheren | |
| Krankheitslast konfrontiert sein. Und die müssen wir dann mit unserem | |
| Gesundheitssystem auffangen. Dazu kommen die globalen Auswirkungen und | |
| große Migrationsströme infolge der Nahrungsmittelknappheit und zunehmenden | |
| Unbewohnbarkeit ganzer Regionen. | |
| Ein Gesundheitssystem, das sowieso schon strauchelt und bei dem die | |
| Dringlichkeit grundlegender Reformen längst nicht bei allen angekommen ist | |
| … | |
| Unser Gesundheitssystem ist nicht aufgestellt für eine ungebremste | |
| Klimaerwärmung. Wenn wir von einem nachhaltigen Gesundheitssystem sprechen, | |
| dann heißt das eben nicht nur, dass die Institutionen klimafreundlicher | |
| werden, sondern dass sie auch in der Lage sein müssen, mit einer durch die | |
| Klimakrise steigenden Krankheitslast umzugehen, also resilient werden | |
| müssen. Das kommt zu den aktuellen Herausforderungen wie Fachkräftemangel | |
| und demografischem Wandel noch hinzu. Das Gesundheitsystem steht unter | |
| einem erheblichen Transformationsdruck. | |
| Also müssen wir zweigleisig fahren: Klimaschutz und Stärkung des | |
| Gesundheitssystems? | |
| Wie gesagt: an eine ungebremste Klimaerwärmung können wir uns im | |
| Gesundheitssystem nicht anpassen. Dafür haben wir weder das Geld noch die | |
| Menschen. Deshalb gibt es aus gesundheitlicher Sicht gar keine Alternative | |
| zu mehr Klimaschutz und weniger Ressourcenverbrauch. | |
| Hitze ist, wie Sie schon sagten, nur die [2][offensichtlichste Auswirkung | |
| der Klimakrise auf die Gesundheit]. Sie betonen auch immer wieder die | |
| Folgen für die mentale Gesundheit. | |
| Die mentale Gesundheit ist wie so ein Elefant im Raum. Wir haben noch nicht | |
| die Instrumente, um das angemessen zu quantifizieren. Dennoch: Studien | |
| zeigen, dass insbesondere Kinder und Jugendliche hochgradig belastet sind | |
| durch die Klimakrise. Das ist nachvollziehbar, weil sie letztendlich | |
| spüren, dass wir ihnen gerade die Lebensgrundlage entziehen. Gleichzeitig | |
| haben sie nicht die Macht, die Dinge grundlegend in die richtige Richtung | |
| zu verändern, und das erzeugt Belastung. | |
| Wie sollten wir mit dieser Belastung umgehen? | |
| Die kausale Therapie wäre, uns mit aller Ernsthaftigkeit auf den | |
| [3][1,5-Grad-Pfad] zu begeben. Und wenn das nicht zu schaffen ist, dann | |
| eben alles dafür zu tun, dass es 1,6 oder 1,7 werden. Einem Krebskranken | |
| würden wir auch nicht sagen, wir lindern jetzt mal die Symptome, aber den | |
| Tumor lassen wir drin, obwohl wir ihn herausoperieren könnten. | |
| In der Politik wird diese Ernsthaftigkeit immer wieder wegverhandelt, auch | |
| in der aktuellen Haushaltsdebatte. Das macht nicht nur Kinder und | |
| Jugendliche hilflos. Wie hüten Sie sich vor Fatalismus? | |
| Ich sehe, was da ist: Wir haben Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise, | |
| und wir sehen ein Aufwachen im Gesundheitssektor. Gemeinsam können wir dazu | |
| beitragen, dass wir mit einer anderen Ernsthaftigkeit darüber sprechen und | |
| ins Handeln kommen. Klar können wir hier in Deutschland nicht alleine dafür | |
| sorgen, dass wir bei 1,5 Grad landen, aber wir haben eine Vorbildfunktion. | |
| Wir sind ein reiches, wenn auch gerade überaus behäbiges Land, auf das | |
| viele schauen. | |
| Was erwarten Sie jetzt ganz konkret von der Politik? | |
| Anstatt gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wird eher mit Affektpolitik auf | |
| Stimmungslagen reagiert. In der aktuellen Frage, wie mit dem fehlenden Geld | |
| für den Klima- und Transformationsfonds umzugehen ist, verzögert das den | |
| Diskurs und beeinträchtigt die Möglichkeiten, gemeinsam Lösungen zu finden. | |
| Das ist für mich nicht nachvollziehbar, weil wir eigentlich ein gemeinsames | |
| Werteverständnis haben: Wir wollen ja alle gesund bleiben, betreiben aber | |
| im Affekt eine Politik, die absolut gesundheitsgefährdend ist. Da erwarte | |
| ich ein Innehalten. Wir sollten mit Haltung und Ernsthaftigkeit darüber | |
| sprechen, wie wir uns jetzt als Industrienation aufstellen. | |
| Erhoffen Sie sich von der Klimakonferenz einen Impuls dafür? | |
| In Dubai geht es nicht nur [4][um Verhandlungen] zu verbindlichen | |
| Reduktionszielen für Treibhausgasemissionen und Maßnahmen für die Anpassung | |
| an das Klima. Es wird auch die Gesundheit der Weltbevölkerung im 21. | |
| Jahrhundert verhandelt. Da ist es ein Durchbruch, dass das Thema Gesundheit | |
| vertreten ist. | |
| 4 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Manuela Heim | |
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