| # taz.de -- Gesundheitsexpertin über Biontech-Fabrik: „Das Wissen bleibt bei… | |
| > Die neue Biontech-Impfstofffabrik in Ruanda hilft global gesehen nur | |
| > wenig, sagt Melissa Schwarwey von Ärzte ohne Grenzen. Der Hersteller | |
| > müsse Know-how teilen. | |
| Bild: Annalena Baerbock besucht die erste Biontech-Fabrik auf afrikanischem Bod… | |
| taz: Frau Scharwey, wissen Sie, weshalb [1][Biontech in Ruanda baut]? | |
| Melissa Scharwey: Bisher gibt es in Ruanda keine wichtigen großen | |
| pharmazeutischen Unternehmen oder Infrastruktur. In Südafrika wäre das | |
| anders. Dort wird an mRNA-Technologien gearbeitet. Eine Kooperation mit | |
| Biontech könnte den Wissenstransfer beschleunigen, aber bisher hat Biontech | |
| eine Kooperation abgelehnt. Aber am Ende ist es natürlich trotzdem gut, | |
| auch andere Länder zu fördern, die bisher noch nicht die Infrastruktur oder | |
| einen Markt haben. | |
| Was bringt das für die Gesundheit vor Ort? | |
| Für die ist es wichtig, dass so viele Impfstoffe wie möglich, die auf dem | |
| Kontinent genutzt würden, auch dort produziert werden. Wenn die Produktion, | |
| sei es für Malaria, Tuberkulose oder eben Covid-19, so lokal wie möglich | |
| ist, gewährleistet das die Unabhängigkeit der Länder. Im Moment ist es aber | |
| so, dass nur etwa 1 Prozent der auf dem afrikanischen Kontinent verwendeten | |
| Impfdosen auch dort hergestellt wird. | |
| Woran liegt das, gibt es so wenige Fabriken? | |
| Es gibt geringe Produktionskapazitäten. Aber gerade beim | |
| Biontech-Impfstoff, der auf der mRNA-Technologie beruht, gibt es mindestens | |
| neun Hersteller auf dem afrikanischen Kontinent, die ihn produzieren | |
| könnten, [2][wie wir in einer Studie von 2021 gezeigt haben]. Das heißt, es | |
| gäbe Kapazitäten, aber schon existierende Hersteller müssten mit den | |
| Produktionsstätten kooperieren. Biontech zum Beispiel müsste Technologie | |
| und Know-how teilen. Aber genau das passiert auch jetzt in Ruanda nicht. | |
| Statt zu kooperieren, baut Biontech eine eigene Fabrik. Die Kontrolle und | |
| das Wissen bleiben beim Unternehmen und damit in Deutschland, auch wenn in | |
| Ruanda produziert wird. Das ist eine abhängige Produktion. Was es braucht, | |
| sind aber eigenständige und unabhängige Impfstoffproduktionen. | |
| Sie glauben also, es gibt bessere Möglichkeiten, um Gesundheit in Ruanda zu | |
| schützen? | |
| Auf jeden Fall. Sicherlich ist jeder Schritt Richtung mehr | |
| Impfstoffproduktion und Medikamentenproduktion ein guter. Aber die Fabrik | |
| ist ja eine private Investition. Das heißt: Auch die Nachhaltigkeit, wie | |
| lange dieses Projekt läuft, ist eine private Entscheidung des Unternehmens | |
| und keine öffentliche. | |
| Aber sie hat doch der Covax-Initiative etwa 1 Milliarde Euro zur Verfügung | |
| gestellt, um die Pandemie weltweit mit Impfungen zu bekämpfen. Und jetzt | |
| spricht sie von 550 Millionen Euro, mit denen sie die Afrikanische Union | |
| bei der Impfstoffproduktion unterstützen will. | |
| Es stimmt, gerade seit Covid-19 wurden sehr hohe Summen an öffentlichen | |
| Geldern investiert. Aber wir haben auch bei Covax gesehen, dass dieser | |
| Mechanismus zur Impfstoffverteilung nicht funktioniert hat. Kurz gesagt: | |
| Reiche Ländern wie Deutschland haben Geld gegeben, aber den Markt leer | |
| gekauft. Das investierte Geld hat leider gar nicht so viel gebracht. Es | |
| muss parallel dazu sichergestellt werden, dass die Hersteller den Impfstoff | |
| wirklich bedarfsgerecht verteilen. | |
| 19 Dec 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Deutsche-Afrikapolitik/!5977813 | |
| [2] https://msfaccess.org/pharmaceutical-firms-across-asia-africa-and-latin-ame… | |
| ## AUTOREN | |
| David Muschenich | |
| ## TAGS | |
| Impfstoff | |
| Pharmaindustrie | |
| Ruanda | |
| Patente | |
| Pfizer | |
| Covid-19 | |
| Außenpolitik | |
| Postkolonialismus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Biontech-Impfstoffanlage in Afrika: Wer hilft hier wem? | |
| Der Mainzer Konzern Biontech baut eine Impfstoffanlage in Ruanda. EU und | |
| Deutschland sprechen von Teamwork mit Afrika. Doch es bleiben Fragen offen. | |
| Deutsche Afrikapolitik: Noch ein „Nie wieder!“ | |
| Annalena Baerbock weiht in Ruanda eine Impfstoffanlage ein. Bei ihrem | |
| Besuch geht es aber auch um die Wahlen im Kongo und die deutsche | |
| Asylpolitik. | |
| Umgang mit afrikanischen Staaten: Grün gefärbte Einflussnahme | |
| Es gibt die Annahme, dass Arme nur in die moderne Weltwirtschaft integriert | |
| werden müssten, dann werde alles gut. Als ob sie das nicht längst seien. | |
| Einigung zu Corona-Impfstoffen: Den Kürzeren gezogen | |
| Der Kompromiss der WTO zur Aussetzung von Patenten hat den Namen nicht | |
| verdient. Einen gerechten Zugang zu Covid-Arzneien wird es weiter nicht | |
| geben. |