# taz.de -- Bilanz der Weltklimakonferenz: Besser als gar nichts | |
> Ein Ölmanager als Chef, eine desaströse Weltlage – reicht das, was die | |
> Regierungen in Dubai ausgehandelt haben, für den Erhalt unserer Erde? Ein | |
> Q&A. | |
Bild: Voll der Hammer: Konferenzpräsident Sultan al-Jaber mit dem US-Klimabeau… | |
Steigt die Welt jetzt endlich aus der Nutzung fossiler Energien aus? | |
Es war der große Streitpunkt auf der am Mittwoch zu Ende gegangenen | |
Weltklimakonferenz in Dubai, der COP28: der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. | |
Die Verbrennung von fossilen Energien ist die Hauptquelle von Kohlendioxid. | |
Damit aufzuhören, ist entscheidend, wenn man eine katastrophale | |
Erderhitzung verhindern will. Beschlossen wurde nun: Die Staaten werden | |
„ersucht“, zum Übergang von fossilen Kraftstoffen in den Energiesystemen | |
„beizutragen“, um bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Das ist | |
natürlich vage. | |
„Die Entscheidung zur Abkehr von fossilen Energieträgern ist schwach und | |
voller Schlupflöcher für fossile Brennstoffe“, kritisiert etwa der | |
Klimaforscher Niklas Höhne, Professor an der niederländischen | |
Wageningen-Universität und Leiter des Thinktanks New Climate Institute. Und | |
Johan Rockström, Co-Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, | |
warnt: „Der COP28-Abschluss wird die Welt nicht in die Lage versetzen, die | |
1,5-Grad-Grenze einzuhalten.“ Dafür müssten die CO2-Emissionen nämlich | |
rapide sinken, schon bis 2030 etwa um die Hälfte, bis 2050 praktisch auf | |
null. Verbindlich ist der Beschluss ohnehin nicht. Er entspricht einer | |
Selbstverpflichtung der fast 200 Regierungen, die in Dubai verhandelt | |
haben. | |
Die Optimist*innen sagen: Aber die Richtung ist doch jetzt klar – | |
irgendwie weg von fossilen Energien. Und nicht erst in tausend Jahren. | |
Tatsächlich ist das im Kosmos der notorisch zähen Weltklimakonferenzen ein | |
Fortschritt. Im Pariser Weltklimaabkommen von 2015 werden fossile Energien | |
noch nicht mal erwähnt. | |
Vor zwei Jahren debattierte die Weltklimakonferenz in Glasgow erstmals über | |
einen Ausstieg, aber nur aus der Kohle. Selbst das hat damals nicht | |
geklappt, die Kohleländer China und Indien blockierten im letzten Moment. | |
Am Ende war im Beschluss nur noch von einer „Reduktion“ der Kohlenutzung | |
die Rede statt von einem vollständigen „Ausstieg“. | |
Ein Jahr später, bei der Konferenz im ägyptischen Scharm el-Scheich gab es | |
viele Länder, die sich hinter einem Vorstoß zum Ausstieg aus den Fossilen | |
versammelten. Auf den Druck von Ölländern hin schaffte er es aber nicht mal | |
in einen offiziellen Entwurf, geschweige denn in den finalen Beschluss. | |
Jetzt ist mit dem „Übergang“ ein ganz neues Wort aufgetaucht, das sich so | |
oder so interpretieren lässt und für alle tragbar war. | |
Abgewendet wurde auch, dass der Beschluss ausdrücklich fossile Kraftwerke | |
weiter zulässt, wenn die Betreiber die CO2-Emissionen abfangen und | |
unterirdisch speichern. Die entsprechenden Technologien gelten bislang als | |
teuer, ineffektiv und zu wenig vorhanden. Außenministerin Annalena Baerbock | |
(Grüne) ist jedenfalls zufrieden: „Diese Klimakonferenz besiegelt de facto | |
das Ende des fossilen Zeitalters“, sagte sie kurz nach Ende der Konferenz. | |
Weniger umstritten als der Ausstieg aus den fossilen Energien war die | |
andere Seite der Medaille: der Ausbau sauberer Kraftwerke. Die Kapazität | |
erneuerbarer Energien soll sich bis 2030 global verdreifachen, das Tempo | |
bei der Verbesserung der Energieeffizienz soll sich verdoppeln. | |
Bekommt der Globale Süden jetzt endlich Schadenersatz für die Klimakrise? | |
Das war einer der großen Durchbrüche der Konferenz – und kam direkt an | |
ihrem ersten Tag. Ein Fonds für klimawandelbedingte Schäden und Verluste, | |
der prinzipiell schon im vergangenen Jahr beschlossen wurde, ist nun | |
startklar. Die Weltklimakonferenz hat sich auf die Details zu dem Fonds | |
geeinigt, zum Beispiel darauf, dass er bei der Weltbank angesiedelt wird. | |
Jetzt kann bald endlich Geld fließen, wenn die Klimakrise in Ländern | |
Zerstörung anrichtet, die sich den Wiederaufbau nicht leisten können – und | |
das tut sie jetzt schon oft. | |
Als symbolische erste Finanzzusagen kündigten die Vereinigten Arabischen | |
Emirate und Deutschland je 100 Millionen US-Dollar an – genug, um die | |
Verwaltungskosten des Fondsaufbaus zu stemmen. Um die konkrete Summe ging | |
es aber gar nicht so sehr, sondern mehr darum, wer sie leistete: nämlich | |
die Bundesrepublik als Industrieland zusammen mit einem Staat, der trotz | |
mittlerweile großer Volkswirtschaft und enormen CO2-Emissionen nicht als | |
solches zählt. Nur Industrieländer müssen Klima-Hilfsgelder zahlen. | |
Die Hoffnung war, dass sich auch zunehmend andere beteiligen, die dazu | |
bestens in der Lage sind. Das ist bisher nicht eingelöst. Es kamen zwar | |
noch ein paar hundert Milliönchen dazu, allerdings nur von | |
Industrieländern. Und gemessen an den Schäden durch die Klimakrise sind die | |
Summen gering. | |
Noch etwas kritisieren Beobachter*innen des Klimagipfels: „Der | |
Fortschritt für die Finanzierung von Schäden und Verlusten wurde von einem | |
deutlichen Rückgang der Anpassungsfinanzierung durch die Industrieländer | |
überschattet“, sagte Julia Grimm von der Organisation Germanwatch. Es fehlt | |
also Geld, um es armen Ländern zu ermöglichen, sich an die nicht | |
abwendbaren Folgen der Klimakrise anzupassen – damit gar nicht erst so | |
viele Schäden und Verluste entstehen. | |
Präsident der Weltklimakonferenz in Dubai war Sultan Ahmed al-Jaber, | |
Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Manager des | |
staatlichen Ölkonzerns. Wie hat der sich jetzt eigentlich geschlagen? | |
„Danke, Herr Präsident“ – die Worte fielen im Abschlussplenum des | |
Klimagipfels oft. Auch Annalena Baerbock begann ihr Statement dort damit, | |
al-Jaber „für den großartigen Abschluss dieser Konferenz“ zu danken. Nicht | |
so eine Vertreterin aus dem pazifischen Inselstaat Samoa, der vom Anstieg | |
des Meeresspiegels massiv bedroht ist: „Es scheint, als hätten Sie den | |
Hammer fallen lassen, als die kleinen Inselstaaten noch gar nicht im Raum | |
waren“, beklagte sie sich bei al-Jaber. „Dieser Prozess hat uns im Stich | |
gelassen.“ | |
Auch während des Klimagipfels war al-Jabers Rolle immer wieder in der | |
Diskussion gewesen. Kann jemand, der so fester Teil der Ölwirtschaft ist, | |
eine Klimakonferenz leiten? Formal hat der Konferenzpräsident keine | |
Entscheidungsgewalt, er formuliert aber die Beschlüsse vor. | |
Die britische Zeitung Guardian hatte über Aussagen al-Jabers von Mitte | |
November berichtet, nach denen „keine Wissenschaft“ belegen würde, dass zum | |
Halten des 1,5-Grad-Limits ein Ausstieg aus den fossilen Energien nötig | |
sei. Daraufhin verteidigte al-Jaber sich. Die Wissenschaft sei ihm als | |
Ingenieur sehr wichtig. Der Chef des Weltklimarats Jim Skea sprang ihm bei | |
und berichtete von mehreren persönlichen Treffen. „Ich kann sagen, dass Dr. | |
Sultan der Wissenschaft gegenüber sehr aufmerksam war, und ich glaube, dass | |
er sie vollständig verstanden hat.“ | |
Das sehen nicht alle so. Für Richard J. T. Klein vom Stockholm Environment | |
Institute hat al-Jaber „wie ein Clown die Wissenschaft verspottet“. | |
Die Diskussion bleibt wohl erhalten. Die nächste Weltklimakonferenz soll | |
2024 in Aserbaidschan stattfinden. Die Wahl ist gleich aus mehreren Gründen | |
kontrovers: Das Land hatte gerade erst im Herbst erneut Nachbar Armenien | |
[1][im Konflikt um die Enklave Bergkarabach aggressiv angegriffen]. | |
Außerdem hat Aserbaidschan den Zuschlag nur durch die Gunst Russlands | |
bekommen, das nach wie vor einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Dem | |
üblichen Turnus der Weltklimakonferenzen entsprechend sollte der Standort | |
in Osteuropa, im Kaukasus oder in Zentralasien liegen, aber die Region | |
konnte sich lange nicht einigen – weil Russland jegliche Mitglieder der | |
Europäischen Union blockierte. Und zu guter Letzt verdankt Aserbaidschan | |
wie auch die Vereinigten Arabischen Emirate seinen Wohlstand weitgehend dem | |
Verkauf von Erdöl. | |
15 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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