| # taz.de -- Cis-Frau gewinnt Drag-Wettbewerb: „Ohne ‚Drag Race‘ gäb's un… | |
| > Pandora Nox ist Gewinnerin der ersten Staffel „Drag Race Germany“. Sie | |
| > spricht darüber, wie sie mit Gender-Stereotypen umgeht und wie sie zu | |
| > Drag kam. | |
| Bild: Pandora Nox bei ihrer Performance bei „RuPaul’s DragRace“ | |
| Pandora Nox war die einzige cis-Frau in der ersten Staffel „Drag Race | |
| Germany“. Sie ist eine AFAB-Queen – das heißt „assigned female at birth�… | |
| also „bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesen“. | |
| taz: Wie fühlt es sich an, „Drag Race Germany“ gewonnen zu haben, Frau Nox… | |
| Pandora Nox: Es fühlt sich alles noch vollkommen surreal an. Ich bin gerade | |
| bei meiner Familie und habe das Wochenende zum ersten Mal frei gehabt. Es | |
| war so viel und so stressig. Erst jetzt sickert es langsam durch, was alles | |
| die letzten Wochen passiert ist. | |
| Was bedeutet der Gewinn für Sie als erste queere [1][AFAB]-Dragperformerin? | |
| Da gibt es zwei Komponenten. Zum einen bedeutet es mir persönlich etwas, | |
| denn ich gucke schon lange „Rupaul’s Drag Race“ und dachte immer, wie cool | |
| es wäre, wenn ich dort mitmachen könnte – aber ich bin nicht aus den USA | |
| und nun mal eine Frau. Ich glaube aber auch, dass es einen riesigen | |
| Einfluss auf andere Frauen hat. Ich sehe das auf Social Media, denn ich | |
| bekomme viele Nachrichten von AFAB-Queens, die sagen, ich gebe ihnen Mut, | |
| in Drag zu Events zu gehen. Aber auch Frauen, die keinen Drag machen, | |
| realisieren, dass man als Frau in einer von Männern dominierten Welt sehr | |
| wohl erfolgreich sein kann. | |
| Bekommen Sie auch Kritik? | |
| Ja. Das war mir aber schon bewusst. Es hätte mich gewundert, wenn ich keine | |
| Kritik bekommen hätte. Bei den meisten Menschen ist das so: Was sie nicht | |
| kennen, mögen sie nicht. Aber das ist eben eine 50/50-Sache – entweder du | |
| liebst es oder du hasst es. Ich bin den Leuten nicht egal, ich löse etwas | |
| in ihnen aus. Genau das will ich eigentlich auch. | |
| Haben Sie Druck verspürt, mit Ihrer Performance Frauen repräsentieren zu | |
| müssen? | |
| Natürlich war mir klar, was ich repräsentiere. Aber ich habe mir keinen | |
| Druck gemacht. Repräsentation ist zwar wichtig, aber eigentlich will ich | |
| dem Genderthema nicht so viel Beachtung schenken. Denn gerade bei Drag geht | |
| es darum, [2][Genderstereotypen] zu durchbrechen. Und wenn immer darauf | |
| verwiesen wird, dass ich vier Schamlippen habe, dann ist das eher | |
| kontraproduktiv. | |
| Wie kam’ s zum Drag? | |
| Drag war keine bewusste Entscheidung. Ich habe Drag gemacht, bevor ich | |
| wusste, was das ist. Als Jugendliche habe ich mich im Bad meiner Eltern | |
| eingeschlossen und mit dem Make-up meiner Mutter viel ausprobiert. Das sah | |
| furchtbar aus, ich bin froh, dass es keine Fotos gibt. Jahre später habe | |
| ich durch Social Media erfahren, dass es dafür auch einen Namen gibt. | |
| Irgendwann habe ich ein Tanzvideo mit meinem Tanzpartner von uns in Drag | |
| hochgeladen, das dann in Wien viral ging. Dadurch bekam ich dann Auftritte, | |
| die immer mehr wurden, sodass ich mich nach meinem Studium selbstständig | |
| machen konnte. | |
| Neben dem Drag sind Sie auch studierte Medizinerin und Contortionist. Wie | |
| schaffen Sie das alles? | |
| Mein Tagesablauf war natürlich der Horror, aber ich wollte meine | |
| Leidenschaft priorisieren. Morgens um fünf musste ich aufstehen, um meine | |
| Schicht im Krankenhaus anzutreten. Nachmittags hatte ich Seminare an der | |
| Uni. Danach musste ich zum Tanztraining und nachts hatte ich Auftritte. Ich | |
| hatte kein typisches Student*innenleben, keine Partys oder Treffen auf | |
| einen Kaffee mit Kommiliton*innen. Meine Priorität war es nicht, | |
| Freund*innen an der Uni zu finden, zumal ich irgendwann gelernt hatte, | |
| dass Club und Feiern für mich Arbeit bedeutete. Trotzdem hat es mir Spaß | |
| gemacht und mir war es wichtig, dafür Zeit zu finden. | |
| Wie würden Sie Ihren Drag heute beschreiben? | |
| Es ist definitiv etwas Unmenschliches, etwas ein bisschen Mysteriöses und | |
| auf jeden Fall umweltfreundlich, denn alles, was ich trage, ist vegan. | |
| Hatten Sie einen Lieblingslook? | |
| Die Vagina! Es heißt natürlich eigentlich das Vulvakleid, aber ich mag das | |
| Wort Vagina einfach so gerne. | |
| Was denken Sie von Formaten wie „Drag Race“ und der damit verbundenen | |
| Kommerzialisierung von Drag? | |
| Ich find’s super. Genau wegen dem Format „Drag Race“ bekommen wir eine | |
| Bühne. Das ist genau das, was wir wollen. Klar ist Drag auch eine Nische, | |
| aber wir wollen Akzeptanz und Toleranz auch im Mainstreampublikum. Im | |
| Umkehrschluss bedeuten größere Bühnen und mehr Reichweite auch, dass Leute | |
| wie ich von ihrem Drag leben können. Natürlich gab es Kontroversen rund um | |
| „Drag Race“, auch durch die Repräsentierung von Frauen, aber letztendlich | |
| sind wir heute an einem Punkt, an dem wir ohne „Drag Race“ nicht wären. | |
| Drag, wie wir ihn bei „Drag Race“ kennen, wird stark von der | |
| Glam-Drag-Kultur aus den USA beeinflusst. Warum orientiert sich Drag in | |
| Deutschland nicht an seinen Vorgängern, den Polittunten? | |
| Darüber habe ich noch nie wirklich nachgedacht. Man muss aber auch sagen, | |
| dass „Drag Race“ nicht das einzige Format ist – es gibt auch zum Beispiel | |
| „[3][The Boulet Brothers Dragula]“, wo es viel um Horror-Drag und | |
| Halloween-Drag geht. Ich habe aber auch nicht das Gefühl, dass Glam-Drag | |
| forciert wird. Es hat sich einfach weiterentwickelt über die Jahre. Ich | |
| mache ja selber auch keinen Glam-Drag. In der Wiener Szene gibt es auch | |
| recht wenige Glam-Queens. Da ist es auf jeden Fall punkiger. Selbst beim | |
| Cast der ersten Staffel von „Drag Race Germany“ hatte ich den Eindruck, | |
| dass es unter den Glam-Queens auch viele andere Stile gab. | |
| Was erhoffen Sie sich von Formaten wie „Drag Race“? | |
| Ich hoffe, dass Drag noch mehr integriert wird in die Mainstream-Community | |
| und dass es einfach normalisiert wird, auch wenn ich dieses Wort hasse. Das | |
| Format bringt den Menschen Drag auf eine harmlose, lustige Weise näher, das | |
| ermöglicht Sichtbarkeit. Dann könnte man diese Plattform auch zukünftig für | |
| politische Arbeit nutzen, was natürlich auch Zweck von Drag ist. | |
| Was kommt als nächstes für Pandora Nox? | |
| Ich muss das alles erst einmal verarbeiten. Ich möchte dann schon meine | |
| Drag-Karriere weiter ausbauen. Mal sehen, wohin die Reise geht. Ich nehme | |
| alles so, wie es kommt. Aber einen Hundegnadenhof in den nächsten Jahren | |
| aufzubauen, das steht ganz oben auf meiner Liste. | |
| 12 Dec 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.queerty.com/do-you-know-the-meanings-of-amab-and-afab-20230827 | |
| [2] /Die-Zukunft-der-Maenner/!5967590 | |
| [3] https://variety.com/2023/tv/news/boulet-brothers-dragula-amc-shudder-123582… | |
| ## AUTOREN | |
| Ann Toma-Toader | |
| ## TAGS | |
| Drag | |
| IG | |
| RuPaul's Drag Race | |
| Unterhaltung | |
| Gender | |
| Schwerpunkt LGBTQIA | |
| Show | |
| USA | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Gianni Jovanovic über Drag-Kunst: „Raus aus der Unsagbarkeit“ | |
| Gianni Jovanovic ist Co-Host der neuen Show „Drag Race Germany“. Ein | |
| Gespräch über die Kunst, eine Dragqueen zu werden und Widerstandsmomente in | |
| der Familie. | |
| Castingshow „Drag Race Germany“: Zwischen Produkt und Politikum | |
| Die US-Castingshow „RuPaul’s Drag Race“ bekommt einen deutschen Ableger. | |
| Bei aller berechtigter Kritik behält die Show ihre politische Dimension. | |
| Hass gegen Dragqueens: Nur die Spitze des Eisbergs | |
| Dragqueens stehen in den USA gerade mal wieder im Fokus rechter Bewegungen. | |
| Dass das wenig diskutiert wird, hat was von unterlassener Hilfeleistung. |