Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Castingshow „Drag Race Germany“: Zwischen Produkt und Politikum
> Die US-Castingshow „RuPaul’s Drag Race“ bekommt einen deutschen Ableger.
> Bei aller berechtigter Kritik behält die Show ihre politische Dimension.
Bild: Letzte Woche feierte der Cast der Show Premiere in Berlin
Racers, start your engines: Die erfolgreiche Casting-Show „Drag Race“ kommt
nach Deutschland. Nach 14 US-Staffeln, in denen [1][Drag-Queen und
Moderator RuPaul] am Ende den nächsten „Drag-Superstar“ kürt, startet nun
ein Ableger, in dem elf „Queens“ aus Deutschland, Österreich und der
Schweiz um den Titel kämpfen.
Wie in der Originalshow müssen die Teilnehmer*innen in jeder Folge in
diversen „Challenges“ ihre Kreativität, Schlagfertigkeit und Humor unter
Beweis stellen. Wie unter Zeitdruck zu einem vorgegebenem Überthema
extravagante Kostüme entwerfen, in kleinen Musical- oder Comedy-Szenen mit
Improvisationstalent glänzen oder bei Fotoshootings in abwegigen Szenarien
mit außergewöhnlichen Posen zu unterhalten – bevor die Jury nach einem
finalen Laufsteg-Auftritt am Ende jeder Episode darüber entscheidet, welche
„Queen“ die Sendung verlassen muss.
Dass sich das Format dabei bewusst an kulturelle Klischees des
Gastgeberlandes anpasst, lässt bereits der Auftakt von „Drag Race Germany“
erkennen: Dort mussten die Teilnehmer*innen vor Bayern-Kulisse in
campy-aufgeladener Tracht posieren.
„Drag Race Germany“ ist bei zahlreichen Spin-Off-Sendungen die jüngste
Ergänzung in einer TV-Formatreihe, die eine unangefochtene Monopolstellung
in der medialen Repräsentation von „Drag“ erlangt hat. Wie so oft, wenn
Teile einer Kultur einer Minderheit, in diesem Fall der LGBTQ*-Community,
ihren Weg in den Mainstream finden, stellt sich die Frage, ob diese
Entwicklung begrüßenswert ist. Denn um auch für einen Massenmarkt zu
funktionieren, [2][kommt es meist zu einer Umdeutung nach dessen Regeln.]
Der Kern der Kultur wird vereinfacht oder verwässert, um vermarktbar zu
sein.
## Wie die Sendung den Mainstream verändert
Dass die Deutungshoheit darüber, was „Drag“ ist, de facto bei RuPaul und
seinem Showimperium liegt, führt etwa dazu, dass man sich darunter in
erster Linie homosexuelle cis Männer vorstellt, die eine überspitzt
weibliche Persona kreieren, um mit bissigem Humor und extravagantem
Auftreten für Unterhaltung zu sorgen.
Schließlich blieb der Wettbewerb sowohl cis Frauen als auch trans* Menschen
lange verschlossen. Das steht nicht nur in Konflikt mit der Inklusivität
und der Freiheit zur kreativen Selbstdarstellung gegen alle
Geschlechtergrenzen, die „Drag“ eigentlich ausmachen, sondern auch mit dem
politischen Hintergrund der stark durch die „Ballroom-Szene“ geprägten
Kultur.
Bei aller berechtigten Kritik daran wird man dem Phänomen „Drag Race“
allerdings nicht gerecht, wenn man allein darauf blickt, wie sich das
Format auf die Wahrnehmung der Kultur auswirkt. Auch der Blick darauf, wie
die Sendung den Mainstream verändert, ist notwendig. Und dort treten nun
immerhin queere Künstler*innen auf, die mit ihrer Kunst gängige
Gendernormen herausfordern. Die Bedeutung einer solchen medialen Präsenz
ist nicht zu unterschätzen. Durch die Sichtbarkeit wird nicht nur ein
großes Publikum an Existenzen abseits der Heteronorm gewöhnt. Sie führt
auch dazu, dass sich mehr queere Zuschauer*innen gesehen fühlen.
## Die Macht der Repräsentation
Gerade das bewusst selbstsichere Auftreten, das ein Kernelement von
Drag-Performances ist, und das Zelebrieren von Identitäten, die sich im
Alltag immer noch Ablehnung gegenübersehen, kann insbesondere bei
Teenager*innen, die in ihrem direkten Umfeld womöglich keinen Kontakt zu
LGBTQ*-Kultur haben, zu mehr Selbstakzeptanz führen.
Und erhält eine Repräsentation im Mainstream, wenn auch nicht in der
ursprünglichen Form, nicht bereits dadurch einen Wert, dass sie jungen
Queers den Rücken stärkt?
Hinsichtlich der Breite der Repräsentation zeichnet sich außerdem ab, dass
die Kritik an fehlender Aufgeschlossenheit gegenüber der Vielfalt innerhalb
der LGBTQ*-Community durchaus eine Wirkung zeigt. Nachdem in der 9. Staffel
der US-Version mit „Peppermint“ erstmals eine geoutete trans* Frau und in
der 13. Staffel mit „Gottmik“ der erste trans* Mann im Wettbewerb vertreten
waren, nehmen an den internationalen Ablegern mittlerweile auch cis Frauen
teil.
Bei „Drag Race Germany“ konkurriert mit „Pandora Nox“ ebenfalls eine
lesbische cis Kandidatin um den Titel. Insgesamt besticht die
deutschsprachige Variante durch einen vielfältigen und talentierten Cast,
zu dem sowohl charmant-schräge „Queens“ wie „LéLé Cocoon“ oder „Yv…
Nightstand“ als auch klassischere Diven wie „Metamorkid“ gehören.
## Der kommerzielle Erfolg zählt
Zumindest nach der ersten Folge, die vor dem Serienstart von der Presse
gesichtet werden konnte, verspricht der deutsche Ableger mit Performances
überzeugen zu können, die der Originalshow in nichts nachstehen. Ob auch
die Jury, bestehend aus der Drag Queen „Barbie Breakout“, die die Sendung
außerdem moderiert, Co-Host Gianni Jovanovic und Modedesignerin Dianne
Brill, ein ähnliches Charisma entfalten kann, wird sich in den folgenden
Episoden zeigen.
Dass es mit der Kritik an den Entscheidungen im „Drag Race“-Kontext damit
nicht getan ist, beweist allerdings gleich die Wahl der ersten
Gast-Jurorin: Mit Rapperin Shirin David füllt die Rolle im Auftakt
ausgerechnet eine Künstlerin, die in der Vergangenheit durch die
Zusammenarbeit mit homofeindlichen Kollegen auffiel.
Am Ende muss man die Sendung wahrscheinlich als das ernst nehmen, was sie
ist: ein breitenwirksames TV-Format, das bei aller Queerness immer zuerst
an kommerziellem Erfolg interessiert bleibt. Und dennoch: Gerade in Zeiten,
in denen bereits eine [3][Lesung von Drag-Queens zum Ziel von
Anti-LGBTQ*-Propaganda] durch Rechtsextreme werden kann, hat selbst
Unterhaltung eine politische Dimension.
4 Sep 2023
## LINKS
[1] /Eklat-um-Drag-Ikone-RuPaul/!5490308
[2] /TV-Show-Queen-of-Drags/!5638644
[3] /Drag-Kuenstlerinnen-lesen-Kindern-vor/!5935315
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Show
Reality-Show
RuPaul's Drag Race
Schwerpunkt LGBTQIA
Drag
IG
Serien-Guide
RuPaul's Drag Race
Polizei
Drag
Drag
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Cis-Frau gewinnt Drag-Wettbewerb: „Ohne ‚Drag Race‘ gäb's uns nicht“
Pandora Nox ist Gewinnerin der ersten Staffel „Drag Race Germany“. Sie
spricht darüber, wie sie mit Gender-Stereotypen umgeht und wie sie zu Drag
kam.
Serie „Boom Boom Bruno“: Vorstadtmacho mit Pimmelkrebs-Jokes
Gute Idee, aber viele Klischees: Ein homophober Vorstadt-Cop trifft in der
Serie „Boom Boom Bruno“ (Warner TV) auf einen schwulen Jungpolizisten.
Drag-Künstler*innen lesen Kindern vor: Rechte Hetze trifft auf Realität
Draußen rufen Menschen „Hände weg von unseren Kindern“, drinnen lesen zwei
Drag-Künstler*innen Bilderbücher vor. Das wird zum Politikum.
TV-Show Queen of Drags: Shantay, you stay
Heidi Klum war erfreulich wenig in ihrem neuen Pro7-Format präsent. Sie
scheint sich die Kritik aus der LGBT-Community zu Herzen zu nehmen.
Eklat um Drag-Ikone RuPaul: Trans* Frauen unerwünscht
US-Superstar RuPaul würde keine trans* Frauen zu seiner Show „Drag Race“
einladen. Drag können nur Männer, sagt er. Die Szene protestiert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.