| # taz.de -- Nach Marathonsitzung: EU einigt sich auf Regeln für KI | |
| > Verbote, Pflichten und Geldbußen sind vorgesehen. Doch Verbraucher- und | |
| > Bürgerrechtsorganisationen sind besorgt. | |
| Bild: Müde? In Bildungseinrichtungen soll die Emotionserkennung mittels KI nic… | |
| Berlin taz | Nach einer [1][zähen letzten Verhandlungsrunde] haben sich die | |
| EU-Gremien auf [2][ein Regelwerk zu künstlicher Intelligenz (KI) geeinigt]. | |
| Streitpunkt der letzten Verhandlungsrunde war vor allem das Thema KI und | |
| Überwachung. Dort standen die Mitgliedstaaten mit ihrem Interesse an | |
| möglichst breiten Überwachungsmöglichkeiten dem weitgehend | |
| bürgerrechtsfreundlicheren EU-Parlament gegenüber. | |
| EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen sprach nach der Einigung von | |
| einem „historischen Moment“, da es sich um den weltweit ersten umfassenden | |
| Rechtsrahmen zu KI handle. [3][„Das KI-Gesetz überträgt europäische Werte | |
| in eine neue Ära“, so von der Leyen]. | |
| Kern der neuen Regulierung ist die Einteilung von KI-Systemen in | |
| Risikoklassen. Was in die höchste Kategorie fällt, ist verboten – zum | |
| Beispiel Systeme zur Emotionserkennung am Arbeitsplatz oder in | |
| Bildungseinrichtungen. In die zweithöchste Risikoklasse fallen Systeme, die | |
| ein „erhebliches Schadenspotenzial“ etwa für die Demokratie, die Gesundheit | |
| oder Sicherheit haben. Für sie soll es eine Reihe an Vorschriften geben | |
| sowie Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene. Andere Systeme, etwa | |
| Chatbots, werden nur wenig oder nicht reguliert. | |
| Kurz vor der letzten Verhandlungsrunde [4][war ein Konflikt um die | |
| besonders wichtigen und leistungsfähigen KI-Systeme ausgebrochen], die | |
| Basismodelle. Diese bilden die Grundlage für zahlreiche weitere | |
| Anwendungen. Deutschland hatte gemeinsam mit Frankreich und Italien | |
| gefordert, diese Modelle von verpflichtenden Regeln auszunehmen und nur | |
| eine Selbstverpflichtung anzustoßen. Die Position setzte sich nicht durch: | |
| Wer Basismodelle auf den Markt bringt, muss unter anderem Transparenz- und | |
| Dokumentationspflichten erfüllen. Sind es Modelle mit hohem Risiko, gelten | |
| weitere Vorschriften, zum Beispiel strengere Tests. | |
| ## Streitpunkt Überwachung | |
| Grund dafür, dass sich die Verhandlungen letztlich so zogen, war ein | |
| anderer: der fundamentale Dissens zwischen EU-Parlament und Mitgliedstaaten | |
| zum [5][Thema Überwachung]. Letztere wollten möglichst viele Möglichkeiten | |
| verankern, biometrische Überwachung mittels KI zu erlauben, also | |
| beispielsweise KI-basierte Gesichtserkennung bei Videoüberwachung. | |
| Der Kompromiss kommt den Mitgliedstaaten nun weit entgegen: So sind zwar | |
| einige grundsätzliche Verbote vorgesehen, etwa die | |
| Echtzeit-Gesichtserkennung bei Überwachungsmaßnahmen oder eine biometrische | |
| Kategorisierung, bei der sensible Merkmale wie sexuelle Orientierung oder | |
| religiöse Überzeugungen verwendet werden. | |
| Doch gleichzeitig sind zahlreiche Ausnahmen für Strafverfolgungsbehörden | |
| vorgesehen – zum Beispiel, wenn es um die Suche nach Personen geht, die im | |
| Verdacht stehen, eine schwere Straftat, zum Beispiel einen bewaffneten | |
| Raubüberfall begangen zu haben. | |
| „Die EU-Regierungen mussten zugeben, dass KI-Syteme zunehmen für | |
| Massenüberwachung, racial profiliung und andere schädliche Zwecke genutzt | |
| werden“, kritisiert Sarah Chander von der europäischen | |
| Bürgerrechtsorganisation EDRi. Die Einigung enthalte zwar einige begrenzte | |
| Fortschritte bei den Menschenrechten, werde aber größtenteils nur eine | |
| Hülle für das KI-Recht sein, das Europa brauche. | |
| Eine Position, die andere Menschenrechtsorganisationen teilen: „Der AI Act | |
| ist nur ein Puzzlestück unter vielen, die wir brauchen werden, um Menschen | |
| und Gesellschaften vor den grundlegenden Auswirkungen zu schützen, die | |
| KI-Systeme auf unsere Rechte, unsere Demokratie und die gesellschaftliche | |
| Machtverteilung haben können“, sagt Angela Müller von der NGO | |
| Algorithmwatch. | |
| ## Ungeklärte Fragen | |
| „Zu viele Fragen bleiben unzureichend geregelt, und man verlässt sich zu | |
| sehr auf den guten Willen der Unternehmen“, kritisiert Ursula Pachl vom | |
| EU-Verbraucherschutzverband BEUC. So würden etwa virtuelle Assistenten oder | |
| KI-gesteuerte Spielzeuge nicht ausreichend reguliert – denn sie gelten | |
| nicht als Systeme mit hohem Risiko. Auch die Basismodelle würden nicht so | |
| stark reguliert wie nötig. So fehle etwa eine Prüfung durch unabhängige | |
| Organisationen. | |
| Von der Wirtschaft kommt dagegen Kritik aus der gegenteiligen Richtung: So | |
| bemängelte etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie eine | |
| Überregulierung. Der Verband Digitaleurope, der vor allem Unternehmen rund | |
| um die IT-Branche vertritt, kritisierte, die Vorschriften würden dazu | |
| führen, dass viel Geld in anwaltliche Beratung ausgegeben werden müsse, das | |
| nicht in die Bezahlung von KI-Programmierer:innen fließen könne. | |
| Für Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten, sind Geldbußen | |
| vorgesehen: Je nach Verstoß und Größe des Unternehmens können es bis zu 35 | |
| Millionen Euro oder 7 Prozent des weltweiten Umsatzes sein. | |
| EU-Parlament und Rat müssen der Einigung noch zustimmen. Das gilt aber als | |
| Formsache. Der AI Act soll damit noch vor der Europawahl im kommenden Jahr | |
| verabschiedet werden. | |
| 10 Dec 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /EU-Gesetzgebung-zu-KI/!5978731 | |
| [2] https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20231206IPR15699/artifici… | |
| [3] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/statement_23_6474 | |
| [4] /Regulierung-von-kuenstlicher-Intelligenz/!5976981 | |
| [5] /Debatte-im-EU-Parlament/!5940600 | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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