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# taz.de -- Album von Adela Mede: Übers Singen singen
> „Ne Lépj a Virágra“ heißt das neue Werk der slowakischen Künstlerin A…
> Mede. Die Musik verbindet Elektronik und Gesang elegant.
Bild: Experimentiert beim Singen: Adela Mede
„Tritt nicht auf die Blume“. Ungarisch: „Ne Lépj a Virágra“, lautet d…
ruhige Aufforderung (ohne Ausrufezeichen) der Künstlerin Adela Mede an ihre
Hörer*innen. Medes zweites Album erschien kürzlich als Gemeinschaftwerk der
beiden slowakischen Indie-Labels mappa und Warm Winters Ltd.
Auf dem Cover ist ein faulendes Pfeilblatt zu sehen, das auf unebenem und
grünem Waldgrund liegt, fotografiert von Medes Nachbarin und
Gesangsschülerin Kvet Nguyen.
Das Foto versinnbildlicht Adela Medes Musik, die sich geschmackssicher
zwischen Folk, Pop und Elektronik bewegt: Medes Sound klingt [1][vertraut
und fremd zugleich, organisch und synthetisch-abstrakt, vergänglich und
ewig, belebend und melancholisch].
Die 1995 geborene Adela Mede gehört der ungarischen Minderheit in der
Slowakei an. Sie wuchs nahe der ungarisch-slowakischen Grenze auf, besuchte
eine englischsprachige Schule und studierte anschließend am Goldsmith
College in London. Zunächst veröffentlichte sie 2019 die EP „How We Grow“.
## Zwischen Folk und Geografie
Nach Beginn der Coronapandemie zog Mede zurück in die Slowakei, in die
Hauptstadt Bratislava. 2022 kam dann ihr Debütalbum, das gleich
internationale Aufmerksamkeit auf sich zog: „Szabadság“– Ungarisch für
Freiheit oder Urlaub. In den Linernotes zum Album steht, es sei „eine
Navigation“, eine Suche durch „das Persönliche, Familiäre, Kulturelle,
Folkloristische und Geografische ihrer Vergangenheit und Gegenwart“.
Zu ihrem zweiten Album heißt es nun auf Bandcamp: „‚Ne Lépj a Virágra‘…
nicht mehr auf der Suche; hier schlägt sie Wurzeln und taucht tiefer in die
Realität ihrer Heimat Mitteleuropa ein.“ Medes hybride Identität verleiht
ihrer Musik einen unverwechselbaren Sound: Sie singt in drei Sprachen, die
sie umgeben.
Auf Ungarisch, Slowakisch und Englisch – manchmal nutzt sie alle drei
zugleich als Texte in einem Track. Tatsächlich ist genau diese
Grenzüberschreitung charakteristisch für die alternative Musikszene des
kleinen Landes: [2][Die Verbindungen vor allem zu Tschechien, aber auch zu
den anderen Ländern der Region sind eng] – es gibt dort eine überschaubare
Anzahl an Labels, Konzertorten und Festivals, man kennt sich. Zugleich ist
diese Welt weiter westlich fast vollkommen unbekannt.
## Geloopter Kanon
Bei Medes neuem Album ertönt zum Auftakt ein geloopter Kanongesang: Ihre
sanfte Stimme überlagert sich dabei selbst. Immer mehr Stimmen schichten
sich übereinander. Sie singen, umrahmt von melodiösen Backgroundvicals und
gesummten Passagen, diese drei Worte: „Sing with me“. In dieser
A-cappella-Version fehlt die Instrumentalbegleitung vollständig, doch die
Stimmen fungieren als Instrumente, sie reichen aus, um den Klangraum
vollständig auszufüllen und zu betören.
Zum Ende bringen Verzerrungen eine subtile Dissonanz in die vorherige
Harmonie ein. Auf diese fast achtminütige Einladung in Adela Medes
idiosynkratisches Musikuniversum folgt der Track „Száz Fele Nézek“
(Ungarisch für „Ich schaue in hundert Richtungen“. Auch dieser besteht aus
nur drei Worten. Zu Medes Stimme gesellen sich Akkordeonklänge.
Für „Hol a Tavasz?“, (Wo ist der Frühling?) arbeitet Mede mit der
polnischen Experimentalmusikerin Martyna Basta, im Hintergrund sind
Feldaufnahmen von plätscherndem Wasser und weitere Naturgeräusche zu hören
– aber auch Zitherklänge und dissonante Synths. Medes Musik befindet sich
in der Schwebe zwischen Idylle und Unheimlichkeit. Die kurze, in
Dauerschleife ertönende Melodie von „What the Heart Sees Not“ bohrt sich
ins Gedächtnis, man lässt es gerne zu – denn sie klingt wunderschön.
„Ne Lépj Rá“ gemahnt an den Albumtitel und bedeutet „Tritt nicht drauf�…
ein dreisprachiger Song, diesmal mit viel Text und erneuten
Akkordeonklängen. „Nestoj Nado Mnou“ (Steh nicht über mir), zusammen mit
dem in Polen geborenen und in England lebenden bildenden Künstler Wojciech
Rusin aufgenommen, ist der einzige slowakisch gesungene Titel des Albums.
Hier übernehmen knackende Synthgeräusche, die an eine Art außerirdischen
Frosch erinnern, die Führung und verschmelzen mit Medes dekonstruiertem
Gesang. Das Finale knüpft gleichsam an den Anfang an: „Sing With Us“ ist
der Abschluss, bei dem Medes Gesangsschülerin einen Gastauftritt hat.
Man möchte der Aufforderung der Musikerin nachkommen und dieses
minimalistische und zugleich vielschichtige Meisterwerk in Schleife hören
und dabei – zumindest innerlich – mitsingen.
29 Nov 2023
## LINKS
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[2] /Neue-Musik-aus-Georgien/!5878574
## AUTOREN
Yelizaveta Landenberger
## TAGS
Neues Album
Stimme
Experiment
Musik
Slowenien
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