# taz.de -- Geundheitsdiplomatie in Kamerun: Sanfte Power gegen die Seuchen | |
> Kameruns Gesundheitssektor ist auf ausländische Hilfe angewiesen. Er ist | |
> Feld des diplomatischen Wettbewerbs zahlreicher Länder. | |
Bild: In Kamerun mischen viele Akteure im Gesundheitswesen mit | |
Im Februar 2023 meldete Kameruns Nachbarstaat Äquatorialguinea den ersten | |
Ausbruch des Marburg-Virus seiner Geschichte. Es handelt sich um einen dem | |
Ebola-Virus ähnlichen, hochinfektiösen Erreger, der ein tödliches Fieber | |
hervorruft. Die Nachricht versetzte Kamerun in höchste Alarmbereitschaft, | |
denn viele Menschen passieren die Grenze der beiden Länder. Kamerun | |
aktivierte sein Nationales Zentrum für die Koordinierung von Notfällen im | |
Gesundheitswesen (PHEOCC). Innerhalb von 24 Stunden konnte das Land zwei | |
interdisziplinäre Krisenreaktionsteams in sein südliches Grenzgebiet | |
entsenden. | |
Dass dies möglich war, ist vor allem dem US Center for Disease Control and | |
Prevention zu verdanken, das beim Aufbau des öffentlichen Gesundheitsektors | |
in Kamerun geholfen hat. Es hatte Kamerun bei der Ausbildung von | |
Seuchenbekämpfern und bei der Entwicklung von | |
Krankheitsüberwachungssystemen geholfen, um Ausbrüche besser erkennen und | |
verfolgen zu können. Auch die Defense Threat Reduction Agency hat die | |
Einrichtung des kamerunischen PHEOCC finanziell und technisch unterstützt. | |
Schon seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Kamerun im Jahr 1960 | |
haben die USA Kamerun im Gesundheitssektor Hilfe geleistet: Mit dem | |
„President's Emergency Plan for AIDS Relief“, der „Global Health Security | |
Agenda“, der „President´s Malaria Initiative“ und weiteren Programmem. D… | |
USA waren dabei indes nicht allein. | |
## 38 Prozent der Todesfälle durch Malaria | |
Das zentralafrikanische Land mit rund 27 Millionen Einwohner:innen hat | |
nach Angaben der WHO eine hohe Belastung sowohl durch übertragbare als auch | |
durch nicht übertragbare Krankheiten. Erstere, insbesondere Malaria, waren | |
2019 für 38 Prozent der Todesfälle im Land verantwortlich. | |
Angesichts der steigenden Krankheitslast, sowohl was das Ausmaß als auch | |
die Komplexität betrifft, ist das kamerunische Gesundheitssystem seit der | |
Unabhängigkeit Kameruns vor 63 Jahren auf ausländische Hilfe | |
angewiesen.Traditionell waren die Ex-Kolonialmächte Deutschland, Frankreich | |
und Großbritannien hierbei die wichtigsten ausländischen Akteure. Das hat | |
sich mit dem Auftreten anderer Mächte wie Italien, Russland, Indien, der | |
Türkei, den USA und China verändert. | |
Die USA und andere ausländische Länder versuchen sich seit jeher in einer | |
Art Soft-Power-Wettstreit als altruistische Akteure im Gesundheitsbereich | |
in Kamerun zu positionieren. Auf diesen Zug ist nun auch China | |
aufgesprungen – und hat sein Engagement im Gesundheitswesen des Landes in | |
den letzten zwei Jahrzehnten vervielfacht. | |
## Chinesische Gesundheitsfachkräfte in Kamerun | |
Neben der Verbreitung der Traditionellen Chinesischen Medizin in Kamerun | |
hat sich China auch als Partner bei der Bewältigung anderer | |
Herausforderungen im Gesundheitswesen präsentiert. Mehr als eine Million | |
Kameruner:innen wurden bis heute in vier großen chinesischen | |
Krankenhäusern im Land behandelt. Fast 1.000 chinesische | |
Gesundheits-Fachkräfte wurden im Rahmen verschiedener Missionen nach | |
Kamerun entsandt. | |
Die Chinesen haben wichtige medizinische Infrastrukturen finanziert und | |
gebaut, etwa die Krankenhäuser für Gynäkologie, Geburtshilfe und Pädiatrie | |
in Douala und Yaoundé. Sie gaben ihr Wissen über Akupunktur und chinesische | |
Heilkunst weiter, lieferten billige pharmazeutische Produkte, bildeten | |
kamerunische Medizinstudent:innen in China aus und spendeten wichtige | |
medizinische Geräte. | |
„Pekings Gesundheitsdiplomatie hat sich nicht über Nacht entwickelt“, sagt | |
der Forscher Moritz Rudolf vom Paul Tsai China Center der Yale Law School | |
in den USA. „Durch die Entsendung medizinischer Teams pflegen die | |
chinesischen Provinzen seit Jahrzehnten enge Beziehungen zu anderen | |
Ländern.“ | |
## EU versucht sich neu zu positionieren | |
Im Ringen um politischen Einfluss versucht die EU ihrerseits, sich in | |
Kamerun und Afrika neu zu positionieren. Helfen soll dabei das Flaggschiff | |
ihrer Außenpolitik, der Infrastrukturentwicklungsplan „Global Gateway“. | |
Eine von dessen „strategischen Prioritäten“: Miliarden von Euro für den | |
Aufbau von Gesundheitskapazitäten in der ganzen Welt zu mobilisieren, um | |
Krankheiten wie Covid-19, Malaria, Gelbfieber, Tuberkulose oder HIV/AIDS zu | |
bekämpfen. | |
Die Covidpandemie brachte eine neue Phase der Diplomatie im | |
Gesundheitsbereich: Die EU hat unter dem Label TeamEurope 28 Millionen Euro | |
zur Covid-Bekämpfung in Kamerun mobilisiert. China und chinesische | |
Investoren schickten ihrerseits Unmengen von Krankenhauskitteln, | |
chirurgische Masken, Handschuhe, Desinfektionsmittel, Nasenabstriche und so | |
weiter – mit propagandistischen Aufschriften. Auch andere Länder lieferten | |
Diagnose- und Präventionsmaterialien, Impfstoffe, Geld oder teilten | |
technisches Fachwissen. | |
Tikum Sonia, eine Einwohnerin der Stadt Buea, im Südwesten Kameruns, | |
glaubt, dass diese Rivalität der ausländischen Mächte im Gesundheitssektor | |
für die Kameruner:innen von Vorteil ist. „Je mehr sie miteinander | |
konkurrieren, um zu zeigen, dass sie sich um uns kümmern, desto mehr | |
profitieren wir davon“, sagte sie, fügte aber hinzu, dass die Regierung | |
dafür sorgen muss, dass das Gesundheitssystem des Landes auch ohne Hilfe | |
von Außen funktioniert. | |
Blaise Bebey Abong, ein in Yaounde ansässiger Spezialist für | |
Entwicklungszusammenarbeit, verweist darauf, dass medizinische | |
Kooperationen trotz der Krisen im Land – dem Aufstand in den | |
englisch-sprachigen Provinzen und die damit verbundenen | |
Menschenrechtsverletzungen oder die grassierende Korruption – weiter auf | |
dem Vormarsch seien, sei es aus dem Osten oder dem Westen. | |
## Diplomatischer Wettbewerb im Gesundheitsbereich | |
„Die medizinische Zusammenarbeit in Kamerun ist sehr intensiv,“ sagt Abong. | |
Die USA hätten durch das Engagement ihres Vorzeigeprogramms USAID dabei die | |
Führung übernommen. Die Franzosen haben die Agence Française de | |
Développement, die sich der Unterstützung von Gesundheitsprogrammen im Land | |
verschrieben hat. Auch die Deutsche GiZ ist an Gesundheitsprojekten | |
beteiligt, ebenso die koreanische KOICA, die japanische JAICA und der | |
Europäische Entwicklungsfonds,. | |
Der Gesundheitsbereich sei ein wichtiges Feld des diplomatischen | |
Wettbewerbs geworden, auf dem die G7 und die G20-Staaten versuchen, ihren | |
meist afrikanischen Partnern – wie Kamerun – zu zeigen, dass sie sich für | |
soziale Veränderungen und Verbesserungen im Land einsetzen. „Da sie diese | |
Aktivitäten aufgrund politischer und wirtschaftlicher Auseinandersetzungen | |
in anderen Bereichen nicht durchführen können, sind sie viel eher bereit, | |
die Gesundheitsdiplomatie als einen Ort der Einflussnahme zu nutzen, um | |
ihre Schlagkraft und ihr dauerhaftes Engagement für das Land zu zeigen“, | |
sagt Abong. | |
Und das schafft Abhängigkeiten: Angesichts des Anteils an den Ausgaben für | |
sein Gesudheitswesen, das Kamerun von USAID oder anderen Gebern erhält, | |
wird die Regierung kaum größere Meinungsverschiedenheiten in der | |
internationalen Politik mit den Gebern ausfechten. | |
[1][Hier] erfahren Sie mehr über den Afrika-Workshop der taz Panter | |
Stiftung und das 54-seitige Magazin. | |
18 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /!vn5981173/ | |
## AUTOREN | |
Amindeh Blaise Atabong | |
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