# taz.de -- Umstrittener Klimaschutzdeal in Liberia: Keine Axt im Walde | |
> Das Unternehmen Blue Carbon will für den Schutz einer Million Hektar Wald | |
> in Liberia CO2-Zertifikate erhalten. Umweltschützer kritisieren den Deal. | |
Bild: Die Hälfte des Regenwalds in Westafrika liegt in Liberia | |
Auf einen großen Bildschirm leuchtet ein Luftbild von sprießendem, | |
hellgrünen Regenwald, durchzogen von tiefblauen Flußadern. An einem Tisch | |
davor sitzt Liberias Finanzminister Samuel Tweah, gekleidet in einen hellen | |
grauen Anzug, neben ihm, im traditionellen weißen Thawb, Scheich Ahmed | |
Dalmook Al Maktoum, Mitglied der königlichen Familie von Dubai und | |
Vorstandschef von Blue Carbon. | |
Der Begriff bezeichnet in der Klimawissenschaft eigentlich Kohlendioxid, | |
das von den Ozeanen eingefangen wird. Al Maktoums Unternehmen aber geht es | |
um Kohlenstofff, der in den Regenwäldern Afrikas gespeichert ist. Eine | |
„Memorandum of Understanding“ (MoU) genannte Absichtserklärung dafür | |
unterzeichneten Tweah und Al Maktoum im März 2023 in Dubai. | |
Eine Million Hektar Wald soll Blue Carbon 30 Jahre lang kontrollieren – und | |
dafür so genannte CO2-Zertifikate erhalten. Dabei handelt es sich um | |
Gutschriften für Emissionen, die anderen das Recht geben, ihrerseits | |
Treibhausgase zu emittieren. Für viele afrikanische Regierungen sind diese | |
eigentlich als Klimaschutzmaßnahme gedachten CO2-Zertifikate heute ein | |
einfacher Weg, um an dringend benötigtes Geld zu kommen. Kenias Präsident | |
William Ruto nannte sie vor kurzem eine „beispiellose wirtschaftliche | |
Goldmine“. | |
Im Fall Liberias sollen sie dadurch entstehen, dass der Regenwald entweder | |
nicht abgeholzt, geschützt oder wiederaufgeforstet wird. | |
50 Milliarden Dollar soll die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate | |
angeblich für das Projekt in einen Klimaschutzfonds einzahlen. Im geleakten | |
MoU ist allerdings keine Summe genannt. Blue Carbon bekommt die Kontrolle | |
über Wälder in den Bezirken Margibi, Sinoe, Lofa, Gbarpolu und River Cess. | |
Der Erlös aus dem Verkauf der CO2-Zertifikate soll zu 70 Prozent an Blue | |
Carbon und zu 30 Prozent an die liberianische Regierung fließen. Betroffene | |
Gemeinden sollen die Hälfte dieses Anteils erhalten – verlieren aber die | |
Kontrolle über ihre Wälder. | |
## Staaten können sich die Einhaltung ihrer Klimaziele erkaufen | |
Das Abkommen mit Liberia sei ein „Meilenstein“, um die „Netto-Null-Ziele�… | |
gemäß Artikel 6 des Pariser Abkommens zu erreichen, sagte Al Maktum bei der | |
Unterzeichnungszeremonie der Absichtserklärung im März 2023 in Monrovia. | |
Tatsächlich verursachen die VAE durch ihr ungebremstes Öl- und Gasgeschäft | |
weiterhin massenhaft Treibhausgase. Diese wollen sie durch ihr eigenes | |
Carbon-Credit-Programm formal ausgleichen. | |
Der erwähnte Artikel 6 des Pariser Abkommens ist höchst umstritten, weil | |
seine Regeln sehr vage sind. Blue Carbon will vor allem CO2-Gutschriften | |
für Nichtabholzung generieren. Ob das überhaupt im Sinne des Pariser | |
Klimaabkommens ist, sollte auf der UN-Klimakonferenz COP28 im Dezember 2023 | |
in Dubai festgelegt werden – die die Arabischen Emirate, also der Eigner | |
von Blue Carbon, ausrichteten. Unter anderem viele EU-Staaten waren | |
dagegen, Waldschutzmaßnahmen für den staatlichen Emissionshandel | |
zuzulassen. Denn so können Staaten sich die Einhaltung ihre nationalen | |
Klimaziele erkaufen, ohne selber Emissionen zu reduzieren oder etwas für | |
das Klima zu tun. Eine finale Einigung darüber gab es in Dubai nicht. | |
Man freue sich, mit Blue Carbon zusammenzuarbeiten, um „unsere Wälder vor | |
Zerstörung und Abholzung zu schützen“, sagte Liberias Finanzminister Samuel | |
Tweah. Dies sei ein „weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, um | |
nahtlos Netto-Null-Kohlenstoffemissionen zu erreichen“, so Tweah. | |
## Die Hälfte des Regenwalds in Westafrika liegt in Liberia | |
Die Hälfte des verbleibenden Regenwalds in Westafrika liegt in Liberia. Die | |
Bäume absorbieren Treibhausgase und können so dazu beitragen, die | |
Auswirkungen des Klimawandels zu verringern. 2010 waren es noch 9,16 | |
Millionen Hektar Naturwald, auf über 97 Prozent der Landesfläche. Heute | |
sind es nur noch 68 Prozent. | |
Der Wald ist Heimat von seltenen Waldelefanten, Zwergflusspferden und | |
Schimpansen. Rund ein Drittel der etwa fünf Millionen Einwohner:innen | |
Liberias leben in den dichten Wäldern des Landes. Der trägt mit 10 Prozent | |
zur Wirtschaftsleistung Liberias bei und schafft rund 40.000 Arbeitsplätze | |
– da sind Einnahmen für den Schutz der Wälder und die CO2-Reduktion noch | |
nicht enthalten. | |
Formell ist der Wald gut geschützt, praktisch jedoch nur unzureichend. Auf | |
dem Environmental Performance Index, der die Umsetzung vom | |
Umweltschutzgesetzen misst, landete Liberia 2022 auf Platz 174 von 180 | |
Staaten und auf dem letzten Platz in Afrika südlich der Sahara. | |
Es ist vor allem Korruption, die die Verabschiedung, die Umsetzung und die | |
Anwendung von Umweltvorschriften beeinträchtigt. Illegaler Holzeinschlag | |
ist weit verbreitet. Wer Umweltverschmutzungen verursacht oder natürliche | |
Ressourcen ausbeuten will, schmiert oft die Forstbehörden. Die sind ohnehin | |
schwach aufgestellt und entsprechend korruptionsanfällig. Durch die | |
Holzindustrie und Kleinbauern sind seit dem Jahr 2000 etwa ein Fünftel der | |
Waldfläche des Landes verloren gegangen. Allein 2022 waren es nach Angaben | |
von Global Forest Watch rund 150.000 Hektar. | |
Um dagegen vorzugehen, trat Liberia 2011 dem FLEGT-Programm der EU bei, | |
einem bilateralen Abkommen zwischen der EU und acht holzexportierenden | |
Staaten, das die Nachhaltigkeit der Forstwirtschaft sichern soll. Zudem ist | |
Liberia eines der 141 Länder, die sich in der Glasgow Leader's Declaration | |
verpflichtet haben, den Waldverlust „bis 2030 zu stoppen und umzukehren“. | |
## Organisationen fordern den Stop des Blue Carbon Deals | |
Das Geschäft mit den CO2-Zertifikaten ist dabei ein neues Phänomen in | |
Liberia. Mit ihnen wird der Klimawandel von reicheren Nationen genutzt, um | |
in afrikanische Länder wie Liberia einzudringen, die auf ihre Hilfe | |
angewiesen sind. Im Angesicht der Klimakrise und der zahlreichen Putsche in | |
Westafrika bauen China und andere Staaten ihren Einfluss aus – unter | |
anderem mit Klimaschutzinitiativen wie Blue Carbon. Über Liberia hinaus hat | |
das Unternehmen Absichtserklärungen mit den Regierungen von | |
Papua-Neuguinea, Tansania, Sambia, Simbabwe, Kenia und womöglich auch | |
Angola geschlossen. | |
Dutzende internationale Umweltschutzorganisationen fordern in Petitionen | |
den Stop des Blue Carbon Deals in Liberia. „Die betroffenen Gemeinden | |
wurden nicht ausreichend konsultiert und darüber aufgeklärt, wie dieses | |
Geschäft zustande kam“, sagt Richard Sam vom Sustainable Development | |
Institute. Vorgeschrieben ist, dass Gemeinden eine „freie, vorherige und | |
informierte Zustimmung“ zu Waldkonzessionen in ihren Gebieten geben. Lokale | |
Medien haben berichtet, dass die Bewohner dieser Gemeinden nie zu dem | |
Blue-Carbon-Deal befragt wurden. Die Umwelt-NGO Independent Forest | |
Monitoring Coordinating Mechanism sieht in der Übertragung der Landrechte | |
an Blue Carbon einen Verstoß gegen das Eigentum der Gemeinden an ihrem | |
gewohnheitsmäßigen Land. „Die Vermarktung des Waldkohlenstoffs hat | |
eindeutige Auswirkungen auf die Eigentumsrechte, da sie die Rechte der | |
Gemeinschaften berührt, zu bestimmen, wie ihr Land genutzt wird“, so die | |
IFMCM. | |
[1][Hier] erfahren Sie mehr über den Afrika-Workshop der taz Panter | |
Stiftung und das 54-seitige Magazin. | |
19 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tina Mehnpaine | |
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